Nirgendwo in der EU spielt der Staat bei der Pensionsvorsorge eine größere Rolle als in Österreich. Es ist laut OECD eines der teuersten und ineffizientesten Pensionssysteme. Die Zuschüsse aus Steuergeldern zu den ausgezahlten Pensionen steigen beständig an, während betriebliche und private Vorsorgeoptionen nur von einem Bruchteil der ÖsterreicherInnen wahrgenommen werden. Sind unsere Pensionen angesichts der demografischen Veränderungen noch sicher? Report(+)PLUS hat drei ExpertInnen um ihre Einschätzung gebeten.
1. Ist das österreichische Pensionssystem nachhaltig finanzierbar?
Bernhard Hammer, Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Im österreichischen Pensionssystem finanzieren die Beiträge der Erwerbsbevölkerung die laufenden Pensionszahlungen. Demografische Entwicklungen wie die längere Lebenserwartung, niedrige Geburtenraten und der Pensionsantritt der Baby-Boomer machen Anpassungen unvermeidbar. Nachhaltig kann ein Pensionssystem nur sein, wenn die Berechnung der Pensionshöhe demografische Entwicklungen wie Lebenserwartung, Bevölkerungs- und Erwerbsstruktur berücksichtigt.
Andreas Zakostelsky, VBV Betriebliche Altersvorsorge AG, Obmann des Fachverbandes der Pensionskassen
Als 3-Säulen-Modell kann unser Pensionssystem auch nachhaltig finanziert werden. Das staatliche System der ersten Säule wird auch in Zukunft eine solide Existenzsicherung gewährleisten. Dieses wird durch die betriebliche Zusatzpension, die zweite Säule, und durch private Angebote ergänzt. Das Angebot an betrieblichen und privaten Zusatzpensionen muss in den nächsten Jahren allerdings ausgebaut werden. Auch aus volkswirtschaftlicher Sicht ist eine Ergänzung der staatlichen Pension durch ein zusätzliches kapitalgedecktes System zur Erhaltung der Lebensqualität im Alter und zur Entlas-tung der Staatsfinanzen essenziell.
Michaela Plank, Mercer Österreich
Höhere Beiträge zum System als Lösung zu bezeichnen, ist zu kurzfristig gedacht. Im Hinblick auf das Budgetdefizit in Milliardenhöhe sehen wir deswegen sehr wohl eine Notwendigkeit weiterer Reformen. Denn steigende Pensionskosten werden letztlich wieder durch höhere Steuereinnahmen bzw. neue Schulden finanziert – und das bedeutet eine nachhaltige Schädigung für die kommenden Generationen. Berechnungen im Zuge der Einführung des Allgemeinen Pensionsgesetzes (APG) und der Umsetzung des Pensionskontos ab 1. Januar 2014 zeigen, dass aktuell unselbstständige Beschäftigte zum Zeitpunkt der Pensionierung eine wesentlich geringere Pension erhalten werden. Betrachtet man den demografischen Wandel, darf man deshalb nicht länger die Augen verschließen und muss im Sinne der fehlenden Nachhaltigkeit des Systems endlich handeln.
2. Wie kann das Pensionssystem zukunftsfit gemacht werden?
Bernhard Hammer
Die Pensionsberechnung in einem zukunftsfitten System darf nicht nur von den geleisteten Beiträgen abhängen, sondern muss demografische Änderungen wie Lebenserwartung, Fertilität und Migration berücksichtigen. Wünschenswert wäre auch eine Flexibilisierung, um die unterschiedlichen Bedürfnisse, Präferenzen sowie die berufliche und gesundheitliche Situation der Menschen besser zu berücksichtigen. Eine Möglichkeit wäre, einen größeren Teil der Altersvorsorge den Menschen selber zu überlassen, und ihnen so die Möglichkeit zu geben, diese ihren Wünschen und Bedürfnissen anzupassen.
Andreas Zakostelsky
Die Österreicher erwarten sich vom Staat und der Politik eine stabile erste Säule, aber auch klar eine Incentivierung von Zusatzpensionen. Die Ergänzung der staatlichen Pension durch betriebliche Zusatzpensionen ist für ein sorgenfreies Leben im Alter unerlässlich. Bei einer Förderung werden sich noch mehr Menschen für ein Vorsorgeprodukt entscheiden. Daher soll auch für Niedrigverdiener eine geeignete Förderungsmöglichkeit geschaffen werden: Für Besserverdiener kann die Förderung in Form der steuerlichen Absetzbarkeit erfolgen, für Menschen mit niedrigem Einkommen wäre eine Prämie am besten.
Michaela Plank
Die Lösung kann nur ein System sein, das auf mehreren Säulen ruht. Die staatliche Pensionsvorsorge soll dabei nicht geschwächt werden, sondern langfristig finanzierbar bleiben. Deshalb wäre eine aktive Information der Bürgerinnen und Bürger über die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die staatliche Pension und die damit einhergehenden geringeren Pensionen wünschenswert. Ferner sollten die zweite und dritte Säule in Überlegungen zur nachhaltigen Sicherung des heimischen Pensionssystems einbezogen und Rechtsgrundlagen für eine Entgeltumwandlung geschaffen werden. Außerdem sollte man steuerliche Anreize für eine flächendeckende Einführung der betrieblichen Altersvorsorge anbieten.
3. Würden Sie eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters befürworten?
Bernhard Hammer
Ich würde eine völlige Aufhebung der starren Altersgrenzen befürworten. Wichtige Lebensabschnitte, wie die Gründung der Familie und das Großziehen der Kinder, sind aus biologischen Gründen lose an das Alter gebunden. Doch warum sollte die gesamte berufliche Karriere und Aufbau der Altersvorsorge in denselben Lebensabschnitt gepresst werden? Eine 65–jährige Person darf noch über 20 Lebensjahre erwarten! Erwerbstätigkeit im Alter kann helfen, die Rush-Hour des Lebens zu entspannen und die massive Verschiebung von Einkommen und Freizeit in späte Lebensjahre abzumildern.
Andreas Zakostelsky
Ich denke, man sollte in einem ersten Schritt vor allem das faktische Pensionsantrittsalter an das gesetzliche angleichen. Dazu wird es entsprechende Anreize geben müssen. Alles darüber hinaus ist eine gesellschaftspolitische Entscheidung, die sich derzeit nicht stellt.
Michaela Plank
Ja, dies ist unbedingt zu empfehlen. Um die Zukunftsfähigkeit des Systems zu gewährleisten, ist allerdings ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren zielführend, als da wären: die Koppelung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung, die Erhöhung der Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer, die Ermöglichung eines flexiblen Übergangs in den Ruhestand und eine schnellere Erhöhung des Pensionsantrittsalters für Frauen.