Sonntag, Dezember 22, 2024

Nach dem sprunghaften Anstieg der Rückrufaktionen bei allen führenden Herstellern läuten in den Chefetagen die Alarmglocken und die Qualitätsvorschriften werden weiter verschärft. Qualität kann man aber nicht »erprüfen«, sondern nur erzeugen: Bei einem Produkt wie einem Auto, das aus tausenden Komponenten besteht, sind keine Fehlerquoten erlaubt.

Ein Gastkommentar von Michael Dragosits, Prokurist Branchenmanagement Automotive bei Quality Austria.

Haben Sie heuer schon eine Information über eine Rückrufaktion von Ihrem Autohändler erhalten? Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Für Österreich sind entsprechende Zahlen nicht bekannt, aber nach Berechnungen des unabhängigen Forschungsinstituts Center of Automotive Management (CAM) wurden bis Mitte Oktober 2016 allein auf dem Referenzmarkt USA mehr als 47,9 Millionen Pkw und Pickup-Trucks wegen Sicherheitsproblemen zurück in die Werkstätten beordert. Innerhalb von weniger als zwei Jahren wurden damit allein in den USA mehr als 93 Millionen (!) Fahrzeuge aufgrund sicherheitsrelevanter Mängel zurückgerufen. Noch eindrucksvoller als die schiere Zahl ist allerdings der sprunghafte Anstieg: 2016 lag die Rückrufquote bereits bei sieben Pkw-Herstellern über 100 Prozent – sprich es sind mehr Autos in die Werkstätten zurückbeordert worden, als von den betroffenen Herstellern im selben Zeitraum Neuwagen verkauft wurden. Der Grund dafür ist, dass von Rückrufaktionen immer mehr Jahrgänge derselben Baureihe betroffen sind – offenbar ein neuer Branchentrend.

Die Folge: ein immer höherer Arbeitsaufwand für die Vertragspartner in den Fachwerkstätten und immer tiefere Sorgenfalten in den Chefetagen. Denn mit jeder neuen Rückrufaktion wird das Image angekratzt und die Gewinnspanne reduziert. Wo versagt die Qualitätskontrolle, fragen die Kunden und die Medien – und nach der Antwort auf diese Frage zu suchen, ist wohl Punkt eins auf der Agenda bei internen Meetings der betroffenen Hersteller.

Interne Prozesse verbessern

Aus der Sicht des Zertifizierers lautet die Frage aber nicht, wo die Kontrolle versagt – sondern wie man die Qualität verbessern kann. Denn eines ist klar: Qualität kann man nicht »erprüfen«, sondern muss sie erzeugen. Wir sind Menschen und Menschen machen nun mal Fehler; doch bei einem Auto, zusammengebaut aus 10.000 oder 15.000 Einzelteilen, die ihrerseits oft aus noch mehr Komponenten bestehen, kann man sich nicht einmal ein Prozent Fehlerquote erlauben. Denn sonst wären Rückrufe vorprogrammiert.

Um Fehler erst gar nicht zuzulassen, muss man ganz am Anfang der Produktionskette ansetzen, nämlich bei den internen Prozessen. Deswegen ist es von enormer Bedeutung, alle Abläufe möglichst reibungs- und fehlerfrei zu gestalten. Die entsprechenden Branchenstandards wurden bereits angepasst – im Oktober 2016 ist mit der IATF 16949:2016, Zusatzforderungen zur ISO-Zertifizierung für die Automobilindustrie, der Standard der Arbeitsgruppe IATF (International Automotive Task Force) veröffentlicht worden, der die bisherige Norm ablösen und in der gesamten Lieferkette der Automobilindustrie zur Anwendung kommen soll. Dieser neue Standard legt den Fokus auf das Spannungsfeld zwischen Risiken und Chancen und schenkt Themen wie Rückverfolgbarkeit, Gewährleistungsmanagement und Lieferkettenkontrolle große Beachtung. Bereits das zeigt: Qualität wird in der Autoindustrie nach einigen Problemfällen in der Vergangenheit wieder besonders groß geschrieben.

Zulieferer in der Verantwortung

Fehlervermeidungsmaßnahmen zu setzen, stabile und konstante Prozesse zu implementieren und Prozesskontrolle zu leben, ist das Gebot der Stunde. Doch wenn Hersteller in immer kürzeren Abständen immer neuere Modelle herausbringen, wandert ein Teil des Qualitätsmanagements zu den Zulieferern. Gerade hierzulande sind die Zulieferer besonders gefordert, denn ein österreichischer Autozulieferer kann – da Österreich ja kein Niedriglohnland ist – nun einmal nicht mit dem Preis punkten, sondern muss auf Qualität setzen. Hier gilt es, dem Druck der Auftraggeber standzuhalten und die strikten internen Prozesse einzuhalten. Das beginnt schon bei der Angebotslegung: Umsatz darf nicht zu Lasten der Qualität gesteigert werden – schon gar nicht in der Automobilbranche.

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