Der CFO tritt aus dem Schatten des CEO und wird zum Change Leader, der für wichtige Veränderungen und Weichenstellungen verantwortlich zeichnet.
Siemens-Chef Joe Kaeser war einer, ebenso John Cryan, CEO der Deutschen Bank, und auch der neue Chef der Bundestheater-Holding, Christian Kircher, hatte zuvor diese Funktion inne: Sie und noch viele andere mehr stiegen vom Finanzvorstand zum CEO auf. Was sich noch vor wenigen Jahren als logischer Karriereschritt in die Lebensläufe einfügte, steht aber heute nicht mehr unbedingt als Traumziel ambitionierter Führungskräfte ganz oben. Bislang im Schatten des Vorstandsvorsitzenden und bestenfalls eine Zwischenstation am Weg nach ganz oben, hat der Finanzposten nämlich deutlich an Attraktivität gewonnen. Das liegt vor allem an dem drastischen Rollenwandel des Chief Financial Officer. Mussten die »obersten Buchhalter« des Unternehmens früher penibel jeden Euro umdrehen und sich bisweilen abfällig als »Erbsenzähler« titulieren lassen, mauserte sich ihre Position inzwischen zum eigenständigen Veränderungstreiber mit weitreichenden Kompetenzen.
Einige Experten messen dieser Funktion in Hinblick auf die künftigen Herausforderungen sogar die größere Bedeutung als der des Vorstandsvorsitzenden zu. »Galt der CFO-Posten bisher gemeinhin als Sprungbrett zur CEO-Position, nimmt der CFO heute einen deutlich höheren Grad an Autonomie und Eigenverantwortung ein«, erklärt Nils Rauschen, Director der Personalvermittlung Michael Page International. »Dabei spielt eine wichtige Rolle, dass im Zuge der Globalisierung das Know-how des CFO immer wichtiger wird, um neue Geschäftsmodelle zu implementieren. Betrachtet man das Gesamtbild der Veränderungen, spricht vieles dafür, dass der CFO den CEO künftig als wichtigste Geschäftsführerposition sogar ablösen könnte.«
Die Ideen lieferten früher immer andere, der CFO rechnete nach, was davon finanzierbar war und hielt die Bilanz in Ordnung. Zahlenmenschen wird keinerlei Kreativität zugestanden – ihm Gegenteil: Sie bringen hochfliegende Pläne nach nüchterner Analyse rasch zu Fall, so ein gängiges Vorurteil. »Der CFO ist schon lange kein Zahlenjongleur mehr, der am Ende des Quartals oder Jahres die GuV und Bilanz vorlegt«, widerspricht Henrik G. Baechle, verantwortlich für EMEA Finance bei Lenovo Technology: »Vielmehr ist sie bzw. er im heutigen dynamischen Umfeld in alle businesskritischen Entscheidungen involviert und steht den Kollegen in den Führungsgremien mitgestaltend und beratend zur Seite.«
»In der Vergangenheit hatte der Finanzvorstand neben der Finanzberichterstattung eher die Rolle, geplante Investitionen zu bewerten und die Finanzierung sicherzustellen. Heute wird von einem Finanzvorstand und seinem Team erwartet, dass er Bindeglied zwischen den verschiedenen Funktionen ist, Chancen und Risiken frühzeitig erkennt und Renditepotenziale optimiert«, sagt Petra Justenhoven, Partnerin bei PwC Deutschland. Von den Vorstandsvorsitzenden der DAX-30-Unternehmen war jeder Vierte zuvor als Finanzvorstand oder einer vergleichbaren Position mit Finanzverantwortung tätig. 2008 betraf das erst 16 % der DAX-Vorstandschefs. Der Machtzuwachs spiegelt den höheren Stellenwert der Finanzfunktion nach innen und außen wider.
Als Wandel vom »Master of Numbers« zum »Master of Information« bezeichnet Miba-CFO Markus Hofer diese Entwicklung: »Der CFO wird mehr und mehr vom vergangenheitsorientierten Berichter und Abrechner zum zukunftsorientierten Entscheidungsunterstützer.« Eine noch größere persönliche Flexibilität und technologische Offenheit seien dafür erforderlich.
Um diese Aufgaben erfüllen zu können, sind aber auch organisatorische Anpassungen notwendig. Ein aktiver Finanzvorstand agiert auf Augenhöhe mit dem CEO und ist an allen strategischen Entscheidungen beteiligt. Als kompetente Business Partner verstehen sie das operative Geschäft und die Hebel der Unternehmenssteuerung gleichermaßen – auf Basis valider Zahlen und Fakten. Mit verlässlicher Orientierung an Ergebnissen gibt der CFO Marschrichtung und Tempo bei Transformationsprozessen vor. Ideale Voraussetzungen also für Finanzexperten, die ihre kommunikativen und Führungsqualitäten nicht vernachlässigt haben. Sven Hennige, Senior Managing Director bei Robert Half, beurteilt die Aufstiegschancen für Fachkräfte aus dem Finanz- und Rechnungswesen als »so gut wie schon lange nicht mehr«.
Allrounder gefragt
Was in ihnen steckt, wissen die Zahlen-experten. Einer Erhebung der Personalberatung Robert Half zufolge, trauen 40 % von 200 befragten Finanzchefs sich selbst am ehesten die Nachfolge als CEO zu. Ein Schritt, der durchaus Sinn macht, wird doch eine interne Übergabelösung vor allem in mittelständischen und eigentümergeführten Betrieben präferiert. Auch die Geschäftsführer selbst sind sich dem KPMG Global CEO Outlook vom Juli 2015 zufolge ihrer Vormachtstellung nicht mehr so sicher. Mehr als die Hälfte der Befragten rechnet damit, dass die Bedeutung ihres Finanzchefs in den kommenden drei Jahren noch stärker zunehmen wird.
Durch die Aufwertung ihrer Position und den größeren Entscheidungsspielraum zieht es viele Finanzmanager aber nicht mehr unbedingt in die erste Reihe. Die Anforderungen sind ohnehin umfassend: Neben exzellenter Finanzexpertise sind Kenntnisse in den Bereichen IT, Recht, Personalwesen, Einkauf und Sale sowie die Fähigkeit, Veränderungsprozesse zu steuern, gefragt. CFOs als nüchterne Bürokraten – diese Zuschreibung greift längst zu kurz, auch wenn die Optimierung der Kosten und Abläufe vielfach noch oberste Priorität hat. Neben der Überwachung der gesamten Geschäftsprozesse hinsichtlich Effektivität und Effizienz geben Finanzvorstände den Zeitplan für Restrukturierungen vor. Sie können am schnellsten mögliche Auswirkungen und Handlungsspielräume abschätzen.
Franz Semmernegg, CFO der Kapsch Group, sieht die Herausforderungen besonders in der Dynamik der Märkte: »Wir bewegen uns in einer Branche, in der langfristige Planung schwieriger geworden ist. Daher ist Agilität auch bei Investitionsentscheidungen notwendig. Es geht also immer mehr um die Frage, wie ein eingeschlagener Kurs kurzfristig wieder optimiert werden kann – und auf Basis welcher Daten und Kennzahlen man diese Änderungen einleitet.« Die Kompetenz der CFOs zeigt sich besonders in Krisenzeiten: Sie sorgen für Transparenz und liefern dem CEO die nötigen Informationen für Richtungsentscheidungen – die Zukunft der Unternehmen liegt somit gewissermaßen in ihren Händen.
»CFOs stehen aktuell unter hohem Druck. Die Geschäftsleitung verlangt von ihren Finanzabteilungen nicht nur, eine stärkere unternehmensstrategische Rolle einzunehmen. Sie sollen gleichzeitig ein gestiegenes Arbeitsaufkommen stemmen und effizientes Zeitmanagement betreiben«, bestätigt Robert Half-Direktor Hennige. »Entscheidend für die nächsten Jahre wird sein, wie gut es den CFOs gelingt, ein starkes Team aufzustellen, das flexibel auf den digitalen Wandel reagiert, Führungsqualitäten besitzt und gut kommuniziert.«
Infos: Roadmap für CFOs 1. Strukturen verändern. Die dynamische Entwicklung von Märkten, Kundenbedürfnissen und Technologien erfordert die Bereitschaft und Fähigkeit, ihre Strukturen und Prozesse anzupassen. In produktionsbezogenen und logistischen Bereichen gelingt das meist recht gut, für die Administration sind die Budgets aber oft knapp, da dieser Bereich lediglich als Kostenfaktor ohne große wertschaffende Wirkung angesehen wird. Um die Transparenz der Geschäftstätigkeit zu wahren und den Abstimmungsaufwand zu minimieren, bedarf es jedoch intelligenter, moderner Konzepte, die die Komplexität meistern helfen. 2. Controlling weiterentwickeln. Das Controlling muss sich auf die Werttreiber des Unternehmens ausrichten und Indikatoren und Messgrößen entwickeln, die nicht nur die Leistung vergangener Zeiträume messen, sondern auch einen zeitlichen Vorlauf aufweisen und Risiken aufzeigen. Dabei ist nicht die Masse von Kennzahlen entscheidend, sondern dass wenige, ausgewählte Kennzahlen die richtigen Impulse geben. 3. Teams aufbauen. Der CFO muss ein gut aufgestelltes Team entwickeln. Dabei muss eines der Kernziele sein, die Kenntnisse über das eigene Geschäft als Voraussetzung für die Analysefähigkeit des Finanzbereichs wesentlich zu erhöhen. Neben traditionellen Qualifikationen in Rechnungslegung und Controlling werden im Finanzbereich zunehmend Mitarbeiter nachgefragt, die strategisch denken können, analytisch begabt sind und gut kommunizieren. 4. Eigene Kenntnisse vertiefen. Vor dem Hintergrund immer komplexerer Rahmenbedingungen sollte der CFO den Fokus auch auf Stärkung seiner fachlichen und sozialen Kompetenzen richten. So kommen in der Entwicklung von Finanzstrategien innovative Finanzinstrumente zum Einsatz, in deren Anwendung der CFO versiert sein sollte. Die Missachtung psychologischer Einflussfaktoren wiederum kann die Umsetzung von Transformationsprozessen gefährden. Ein erfolgreicher Manager zeichnet sich durch intuitives Gespür und klares Kommunikationsverhalten aus. |