Mit "Software as a Service" ist eine neue Art der Nutzung von Software auf dem Vormarsch. Allerdings sind viele Begriffe, die damit in Verbindung gebracht werden, oft missverständlich. Grund genug, unter den entstandenen Mythen ein wenig aufzuräumen.
1. SaaS ist lediglich ein Modetrend, der im Softwaremarkt keine nachhaltige Relevanz haben wird
SaaS stößt auf eine stetig steigende Akzeptanz und ist dabei, sich im Markt zu etablieren. Der Saas-Markt für Business-Applikationen ist 2008 um 27 Prozent gewachsen. In den nächsten vier Jahren erwarten Analysten eine Verdopplung des Marktvolumens. Nach Einschätzung der Gartner Group etwa soll der Umsatz bis 2011 auf 11,5 Milliarden Dollar wachsen. Microsoft prognostiziert, dass 30 Prozent seiner CRM-Anwender das Kundenmanagement zukünftig über SaaS nutzen werden. Bei Oracle werden fünf Prozent des Umsatzes mit On-Demand-Services realisiert; in vier bis fünf Jahren sollen es bis zu 50 Prozent sein.
Während klassische Unternehmensanwendungen wie Enterprise Resource Planning (ERP) und Supply Chain Management (SCM) im SaaS-Geschäft heute noch keine große Rolle spielen, betrachtet Gartner den Bereich Content, Communication & Collaboration als das umsatzträchtigste Segment. Mehr noch als diese Marktprognosen zeigen die Aktivitäten großer Softwarehersteller, dass der SaaS-Markt ein Markt der Zukunft ist. So entwickeln zum Beispiel Microsoft und Google neue Office-Versionen, die als Services über das Web genutzt werden können. Diese Lösungen werden die Akzeptanz dieses Konzept weiter fördern.
2. In wenigen Jahren wird es Software nur noch als Service geben
SaaS eignet sich insbesondere für standardisierbare Aufgaben, für die die SaaS-Provider Ressourcen und Know-how vorhalten können, zum Beispiel für E-Mail, für Web-Konfernzen oder im Bereich Betriebswirtschaft, für Vertrieb oder Lohn- und Gehaltsabrechnung. Bei Speziallösungen oder Individualsoftware lassen sich mit SaaS daher weniger Vorteile nutzen. Es wird also immer Segmente geben, in denen zumindest in naher Zukunft das On-Premises-Modell sinnvoll ist.
3. SaaS ist Mietsoftware
Die Art der Bereitstellung einer Lösung hat grundsätzlich nichts mit der Art der kaufmännischen Abrechnung zu tun. Bei SaaS handelt es sich auch nicht um ein neues beziehungsweise anderes Abrechnungssystem für herkömmliche Software, sondern um die Verwandlung von Software in eine Dienstleistung, also um eine ganz neue Art Software anzubieten und zu nutzen. Auch wenn in der SaaS-Praxis die Leistungen häufig in Form einer Miete bezahlt werden, ist die Art der Abrechung nicht notwendigerweise mit einer bestimmten Art der Bereitstellung der Funktionalität verknüpft. So ist bei SaaS auch eine nutzungsbezogene Abrechnung möglich, bei der der Kunde nur für die tatsächlich in Anspruch genommene Leistung bezahlt, nicht für deren Bereitstellung. Es gibt auch SaaS-Angebote, bei denen beide Formen parallel vorkommen. Andererseits gibt es auch SaaS-Angebote, die (zumindest für Privatanwender) gar nichts kosten, wie etwa Google Apps.
4. SaaS ist dasselbe wie ASP
SaaS greift tatsächlich die Grundidee des Application Service Providing (ASP) wieder auf. Auch bei SaaS werden die Applikationen nicht im eigenen Haus, sondern bei einem Service-Provider betrieben. Im Unterschied zum alten ASP, das sich in den 90er-Jahren letztlich nicht durchsetzen konnte, steht bei SaaS jedoch nicht der Hosting-, sondern der Servicegedanke im Mittelpunkt. SaaS ist daher auch mehr als bloß ausgelagerte Software - der Provider stellt umfangreiche Dienstleistungen zur Verfügung: er ist für Installation, Konfiguration, Sicherheit, Wartung, Updates und die Weiterentwicklung der Applikation verantwortlich.
Der SaaS-Kunde hat mit der Software direkt überhaupt nichts zu tun, sondern nutzt lediglich die Funktionalität der Applikationen, wofür er nur einen Browser benötigt. Deshalb konzentriert sich das Angebot auf standardisierte Lösungen, während ASP grundsätzlich alle Arten von Applikationen hostete und sich in der Folge verzettelte.
ASP scheiterte vor allem an mangelnder Akzeptanz. Mittlerweile hat sich die Welt jedoch an die Vorstellung gewöhnt, dass auch wichtige Daten nicht unbedingt auf eigenen Rechnern liegen müssen. Zudem haben sich wichtige Rahmenbedingungen verändert: Breitbandinternet ist heute fast überall verfügbar und durch die Standard der Angebot sind die Kosten von SaaS deutlich niedrigen als bei ASP.
5. SaaS ist eine Technologie
SaaS ist nutzungsorientiert und damit von bestimmten Technologien unabhängig. Welche Technik der SaaS-Anbieter einsetzt, interessiert den Anwender nicht, es muss nur eine bestimmte Verfügbarkeit sichergestellt sein. Wie das im Einzelfall realisiert wird, bleibt dem Anbieter überlassen. Insofern passt SaaS auch sehr gut zu einer aktuellen Tendenz in der IT, der Fokussierung auf den "Business-Nutzen" und der Betonung von funktionellen Prozessen. SaaS hat daher auch nichts direkt mit SOA (Service-orientierte Software-Architektur) zu tun, denn die hinter dem Service stehende Applikation kann ganz traditionell aufgebaut sein.
6. SaaS ist unsicher
SaaS-Lösungen werden in professionellen Rechenzentren betrieben, die über spezielle geschultes Personal verfügen. Insofern sind die Applikationen sogar sicherer als viele In-House-Lösungen. SaaS-Anbieter investieren viel in die Sicherheit, weil sie wissen, dass das eine Grundlage ihres Geschäftsmodells ist. Dabei ist Sicherheit auch als Dienstleistung zu verstehen.
7. SaaS ist nur für CRM/SFA-Anforderungen verfügbar
Den Schwerpunkt der SaaS-Angebote bilden derzeit CRM-Lösungen wie Salesforce oder Lösungen aus dem Bereich Content, Communication & Collaboration, wie beispielsweise das Web-Conferencing-Angebot von Cisco WebEx. Diese Unternehmen haben sich auch als SaaS-Pioniere einen Namen gemacht. Das Modell ist jedoch universell einsetzbar und bietet in fast allen IT-Bereichen Vorteile, so dass derzeit viele SaaS-Lösungen entstehen, die fast jede Unternehmensanforderung abdecken. Hersteller wie SAP oder Microsoft planen entsprechende Angebote im ERP-Sektor (SAP Business ByDesign), da sie festgestellt haben, dass SaaS auf Dauer den herkömmlichen, installierten Applikationen Marktanteile abnehmen wird.
8. SaaS und Cloud Computing sind dasselbe
Beim Cloud Computing werden Ressourcen über das Internet bereitgestellt: So bietet beispielsweise Amazon auf seinen Servern Rechenzeit und Speicherkapazität an. Die konkrete Nutzung liegt hier aber ganz in der Verantwortung des Kunden. Bei SaaS-Lösungen stehen dagegen nicht die Ressourcen, sondern die Services im Mittelpunkt. Ein SaaS-Provider stellt seinem Kunden nicht einen Server, sondern eine fertige Lösung zur Verfügung. Es gibt jedoch durchaus Überschneidungen zwischen beiden Begriffen, weil Anbieter sowohl Ressourcen als auch Services anbieten können. Außerdem lassen sich Services als eine spezifische Art von Ressourcen verstehen; in dieser Sichtweise wäre SaaS dann eine Untermenge des Cloud Computing.
Über den Autor:
Peer Stemmler ist Country Manager bei Cisco WebEx in Deutschland.