Im Gespräch mit Daniel Liebhart, Dozent für Informatik an der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und Solution Manager bei Trivadis.
Report: Warum sollte man Gebäude und ihre Benutzer stärker vernetzen als bisher? Wo liegen hier die Vorteile?
Daniel Liebhart: Wir alle stecken eigentlich schon tief in diesem Thema – die Vernetzung ist allerorts gegeben. Eine Vernetzung eines Gebäudes bringt vielfältigen Nutzen. Alleine wenn es um das Zählen und Messen von Energieverbrauch und anderen Werten in einem Gebäude geht, bringt eine Digitalisierung und Automatisierung dieser Prozesse eine wesentliche Erleichterung. Das Ende des manuellen Zählens und Übermittelns von Daten ist aber nur der erste Schritt. Durch die Verknüpfung von eigentlich unintelligenten Dingen entstehen plötzlich intelligente Anwendungen, beispielsweise eine bessere Verteilung von Energie, in dem abgestimmt auf die An- und Abwesenheit der Bewohner automatisch Beleuchtung und Heizung geregelt werden. So ist es auch effizient, wenn Strom aus Photovoltaik-Modulen am eigenen Dach oder aus der Nachbarschaft zeitnah genutzt wird, und nicht über komplizierte Speichermechanismen einen aufwändigeren Weg gehen muss. Hier kann die Technik direktere und einfachere Lösungen finden. Dann betrifft eine Vernetzung auch den Bereich Sicherheit. Ich behaupte, dass die Zeit der Einbrüche bald vorbei sein wird. Aus einem einfachen Grund: Durch Sensoren und automatisierte Prozesse wird man augenblicklich feststellen können, wenn sich Unbefugte Zutritt in eine Wohnung verschaffen. Auch gibt es natürlich einen großen Nutzen für ältere und gebrechliche Bewohner. Gebäudevernetzung heißt, dass pflege- und hilfbedürftige Menschen länger in den eigenen vier Wänden wohnen. Sie können jederzeit Kontakt zu ihrem Arzt aufnehmen oder erhalten in Problemsituationen durch automatisch ausgelösten Alarm Hilfe von Dritten.
Der Fokus bei Trivadis liegt auf der Information selbst, wie Daten sicher von A nach B gebracht werden und in Anwendungsfällen verarbeitet werden. Dies betrifft auch den Umgang mit diesen neuen Datenmengen. Die Trennung des Nützlichen vom Unnützen ist eine große Herausforderung.
Report: Ist es übertrieben oder ist es legitim, sich auch im Bereich der Gebäudevernetzung um Datensicherheit und Datenschutz zu sorgen?
Liebhart: Grundsätzlich ist Sicherheit ein sehr subjektives Bedürfnis. Wenn wir diesem mit informationstechnischen Mitteln entsprechen können, dann ist es das Recht jedes Einzelnen, das in Anspruch zu nehmen – unabhängig davon, ob ich selbst das im Einzelfall übertrieben finde oder nicht. Wenn sich jemand nur dann sicher fühlt, wenn auch seine Gebäudedaten verschlüsselt sind, dann ist das eben so. An uns liegt es nun, so einfache Lösungen wie nur möglich für diesen Bedarf zu finden. Wir arbeiten jedenfalls daran, starke Verschlüsselungen relativ einfach auch in vernetzten Systemen zu integrieren. So wie es heute Alarmanlagen im Gebäudeschutz gibt, wird es ebenso Alarmanlagen für die Gebäudevernetzung geben müssen. Ich bin überzeugt davon, dass es bald Alarmanlagen auch für Energienetze und unterschiedlichste Dateninfrastrukturen auf Stange zu kaufen gibt, mit unterschiedlichen Sicherheitsstufen.
Report: Wie kann man noch verhindern, dass sich unsere Gesellschaft zunehmend von IT und Technik abhängig macht?
Liebhart: Als »ITler« finde ich diese Abhängigkeit per se nicht so schlimm, wir versuchen ja durch Technik das Leben einfacher, besser und nachhaltiger zu gestalten. Etwas neutraler gesehen sind wir aber auch abhängig von Strom und Erdöl. Bei der IT haben wir nun das Glück, dass sie nicht so zentral gesteuert ist, wie unsere Strom- und Erdöl-Infrastrukturen. Ein einzelnes IT-System mag vielleicht nicht so robust wie ein Energienetz sein, doch war beispielsweise ein Anbieterwechsel von Anfang an kein Problem. Der Wechsel des Stromanbieters ist dagenen erst seit kurzem möglich. Fix ist natürlich, dass Fortschritt stets mit neuen Abhängigkeiten einhergeht. Das lässt sich gar nicht vermeiden.
Report: Wenn wir vom Gebäude in die Fabrik wechseln – worin besteht für Sie der Kern des Trends Industrie 4.0?
Liebhart: Die industrielle Fertigung erfährt durch eine intelligente und flexible Steuerung und Vernetzung vor allem eines: Nachhaltigkeit. Möglichst gute Produkte mit möglichst geringem Aufwand und wenig Ausschuss und Abfall zu produzieren, und auch die Transportwege gering zu halten, das ist ein Anliegen unserer Gesellschaft. In diesem Sinne bringt die Feinsteuerung der industriellen Massenproduktion endlich mehr Nachhaltigkeit in die Wirtschaft.
Es gibt ein interessantes Video über die automatisierten Prozesse des Industrieunternehmens Stiwa in Gampern. Die Abwärme der Maschinen wird für die Heizung des Gebäudes und für Trocknung genutzt. Modellfabriken wie jene, die auch bei der Hannover Messe präsentiert worden sind, zeigen: Man kann tatsächlich auch kleinere Stückzahlen hochflexibel automatisiert produzieren. In diese Richtung geht es. Für die Sicherung des Wirtschaftstandortes in Ländern mit hohen Lohnkosten ist dies sehr vernünftig, gerade im Wettbewerb mit Asien. Die durchgängige Automatisierung bis zur Losgröße eins – davon ist man aber noch ein Stück entfernt. Auch funktionieren Industrie-4.0-Konzepte heute eher auf Ebene des Fabrikationsgebäudes. Sobald es über die Gebäudegrenzen hinaus geht, ist damit Schluss.
Video: Nachhaltig und automatisiert
Intelligente Maschinen, vernetzte Fabriken, Industrie 4.0 – die vierte industrielle Revolution wird mit klingenden Schlagworten beschrieben. Was sich tatsächlich dahinter verbirgt, zeigt der Automobilzulieferer Stiwa in Gampern, Oberösterreich. Die Produktionskosten in der hochgradig automatisierten Fabrik sind so niedrig und die Produktionsgeschwindigkeit so hoch, dass sogar Kunden in den USA und China beliefert werden können. www.stiwa.com
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