Sonntag, Dezember 22, 2024
"Inklusion ist für internationale Unternehmen ein Muss"
Foto: Wipro

Sunita Cherian, Senior Vice President Corporate Human Resources und Leiterin Inclusion & Diversity bei dem IT-Dienstleister Wipro, im Gespräch über die Notwenigkeit und Vorteile von Diversität in Teams und Unternehmen.

Report: Wipro beschäftigt weltweit mehr als 170.000 MitarbeiterInnen. Welche Strategie verfolgt ihr Unternehmen bei den Themen Inklusion und Diversity?

Sunita Cherian:
Wir sind ein internationales Unternehmen, das sowohl mit Mitarbeitern als auch Kunden aus verschiedenen Ländern und Kulturen interagiert. Durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Branchen, Länder, Kulturen und Technologien ist Inklusion und Diversität ein Muss. Wer hier voreingenommen ist, hat keine Chance sich als Unternehmen weiterzuentwickeln und wirtschaftlich zu wachsen. Inklusion gehört nicht nur zu unserer Philosophie und Strategie, sie ist auch Bestandteil unserer Regeln und Prozesse. Dazu haben wir intern ein „3C-Modell” entwickelt. Die Abkürzung steht für „Commitment, Collaboration und Continuous Improvement“.

Report: Jedes Land hat andere Gesetze und Vorschriften was Themen wie Gleichberechtigung, Diskriminierung oder Behinderungen angeht. Wie schaffen sie es, die unterschiedlichen nationalen Vorschriften zu berücksichtigen und dennoch eine globale Strategie zu verfolgen?

Cherian:
Eine gute Grundlage und einen gemeinsamen Rahmen schaffen wir mit unseren Richtlinien. Diese haben wir entwickelt, um den Bedürfnissen eines globalen Teams von Mitarbeitern gerecht zu werden. Manchmal machen es regionale oder länderspezifische Vorschriften zwingend erforderlich, unsere globalen Richtlinien an die lokalen Anforderungen anzupassen. Wir stehen dabei immer im engen Austausch mit unseren regionalen HR-Beauftragten und beziehen auch gerne externe Experten mit ein, wenn wir merken, dass wir alleine nicht weiterkommen.

Uns ist es wichtig, das Bewusstsein für Vorurteile zu schärfen - gerade auch für das Thema LGBT (Anm. Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender). LGBT ist eine der wichtigsten Säulen von Wipro für Inklusion. Durch Programme, Richtlinien und Vorteile für LGBT-Mitarbeiter konzentrieren wir uns darauf, das Bewusstsein für Vorurteile zu schärfen, die Verwendung einer integrativen Sprache zu fördern und einen sicheren und einladenden Arbeitsplatz zu schaffen. Im vergangenen Jahr haben wir in London einen „Pride March” mit einer großen Zahl von Teilnehmern organisiert.

Gleichzeitig erkennen wir aber auch, dass Inklusion und ihre vielen Facetten noch kein vollständig entwickeltes Thema sind. Jeden Tag tauchen neue Gedanken und Ideen auf. Ein wichtiger Schritt war da zum Beispiel unsere HR-Prozesse anzupassen, so dass sie Aspekte wie Gender-Expression, bevorzugtes persönliches Pronomen und die sexuelle Orientierung berücksichtigen.

Report: IT-Unternehmen kämpfen heute um die besten Talente - Stichwort „War for Talent". Ist gelebte Vielfalt im Unternehmen ein Punkt, der für Bewerber und damit auch für Sie entscheidend sein kann?

Cherian:
Definitiv Ja! Unser wichtigstes Einstellungskriterium ist daher die Leistungsbereitschaft. Im Vordergrund steht die Qualifikation und nicht die Identität. Dabei ist es enorm wichtig, dass wir in der Bewerbungsphase über genügend unterschiedliche Profile verfügen. Das ist ein guter Anfang, aber es muss noch mehr getan werden. Es ist sehr wichtig, die Mitarbeiter nach der Einstellung bewusst einzubeziehen, ihre Individualität und Einzigartigkeit zu respektieren und ein allgemeines Zugehörigkeitsgefühl zu fördern. Ihre unterschiedlichen Ideen, Hintergründe, Perspektiven und Erfahrungen sind es, die den Unterschied in den Ergebnissen ausmachen, sowohl für unsere Kunden als auch für unser Unternehmen.

Report: Gerade im IT-Umfeld gibt es viele Arbeitsplätze, die sehr gut von Behinderten ausgefüllt werden können. Wie sieht die Situation da bei Ihrem Unternehmen aus?

Cherian:
Aus unserer Sicht sollten Menschen mit Behinderungen grundsätzlich für jede Rolle in Frage kommen und mit angemessenen Vorkehrungen bei ihrer Arbeit unterstützt werden, um gute Leistungen zu erbringen. Seit etwa zehn Jahren haben wir daher ein formales Framework für Mitarbeiter mit Behinderungen, das wir intern CREATE nennen – für „Careers, Recruitment, Engagement, Accessibility, Training, Enable“. Bei Wipro arbeiten seit vielen Jahrzehnten Mitarbeiter mit Einschränkungen. Die Positionen sind dabei so vielfältig wie unsere Mitarbeiter – Competency Manager, Project Manager, Account Delivery Head, Technical Lead oder Compliance Assurance Auditor.

Report: Wie berücksichtigt Ihr Unternehmen Faktoren wie Alter, Erfahrung oder individuelle Eigenschaften bei der Zusammensetzung von Teams?

Cherian:
Wir fördern „Diversity of Thought" oder auch Ideen wie „Reverse Mentoring”, bei dem die jüngere Generation mit älteren Mitarbeitern zusammenarbeitet. Bei der Zusammensetzung von Teams achten wir immer auf ein gutes Verhältnis von Erfahrung und Alter. Mit zunehmender geografischer Präsenz sehen wir zudem einen vielfältigen kulturellen Mix in unserer Belegschaft.
Die Normalität der gelebten Diversität fördern wir, indem Mitarbeiter langfristig oder sogar zeitgleich mit verschiedenen Teams zusammenarbeiten. Dadurch gewöhnen sie sich immer mehr an die gelebte Diversity. Hinzu kommt, dass wir Mitarbeiter durch Führungsblogs, Kommunikationskampagnen und Online-Zertifizierungsmodule zu einer offenen Gesprächskultur ermutigen.

Report: Unternehmen geht es ja in erster Linie darum, wirtschaftliche Ziele unter Einhaltung der bestehenden Gesetze und Vorschriften zu erreichen. Ist Diversität für Sie daher eher ein Compliance- oder Business-Thema?

Cherian: Insbesondere Technologieunternehmen können nur wachsen, wenn sie immer neue Märkte und Kundengruppen bedienen können. Je vielfältiger unsere Mitarbeiter, desto besser und schneller lernen wir, integrativ zu sein. Fähigkeiten und Ideen, die für jedes vielfältige und integrative Umfeld typisch sind, ergänzen sich und ebnen dadurch den Weg für ein besseres Verständnis des Marktes und der Kundenbedürfnisse.

Ich hatte die Gelegenheit, auf dem Weltwirtschaftsforum 2018 zu sprechen, und in den meisten Sitzungen wurde darüber diskutiert, warum Inklusion zu einer Geschäftspriorität werden sollte. Typische Fragen waren: „Gibt es einen Geschäftsnutzen für Inklusion", „Ist Inklusion für Compliance erforderlich" und „Machen wir es, weil es der Wettbewerb tut?". Für mich gibt es nur eine sinnvolle Antwort: „Inklusion ist richtig". Es ist genau wie Ehrlichkeit: Wir bringen unseren Kindern bei, ehrlich zu sein, weil es das Richtige ist.

Report: Nach wie vor sind nur sehr wenige Frauen in Führungspositionen zu finden. Das gilt auch für die IT-Branche. Wie sind Sie in die IT-Branche eingestiegen und wie ist Ihre Karriere verlaufen?

Cherian:
Ich kam 1996 als frischgebackene Ingenieurin zu Wipro. Zu der Zeit wuchs die IT-Services-Branche in einem rasanten Tempo. Meine ersten Jahre bei Wipro waren von der für ein Start-up typischen Begeisterung geprägt. Wipro ermuntert seine Mitarbeiter, ihre Karriere funktionsübergreifend zu gestalten. Dahinter steht der Gedanke, dass Führungskräfte auf diese Weise eine ganzheitliche Perspektive entwickeln und in höhere Verantwortlichkeiten leichter herein wachsen. Meine Aufgaben umfassten das Spektrum von Sales und Account Management, die Unterstützung beim Aufbau erstklassiger Prozesse und die Gestaltung der Personalstrategie. Aktuell liegen meine Prioritäten bei Talent-Engagement, Entwicklung und Integration. Was mich antreibt ist die Möglichkeit, organisatorische Veränderungen für eine bessere Zukunft umzusetzen.

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