Die Zukunft rückt mit Hochgeschwindigkeit an. Permanente Vorläufigkeit wird zur Normalität. Überleben werden in diesem Kontext nur Unternehmen, die sich adaptiv und agil auf unsichere Zeiten einstellen können. Hie und da etwas Change? Das reicht nicht. An einer organisationalen Neuausrichtung kommt niemand vorbei.
Rasante technologische, ökonomische und gesellschaftliche Veränderungen zwingen die Unternehmen zum raschen Handeln. Jede technologische Verbesserung führt zudem dazu, dass die nächste Verbesserung schneller erreicht werden kann. In allen Branchen wird es nun Pioniere geben, die die Digitalisierung für völlig neue, noch nie dagewesene Anwendungen nutzen. Wir wissen nicht, ob sie kommen oder wann sie kommen, doch wenn, dann kommen sie schnell.
Bei solchen Gegebenheiten ist nichts mehr auf Jahre hinaus planbar. Fortan wird man sich aufmachen müssen, ohne den genauen Weg schon zu kennen. »Dem Gehenden legt sich der Weg unter die Füße«, heißt es so schön. Entscheidend ist dabei nicht die Digitalisierung per se, vielmehr geht es um die bahnbrechend neuen Geschäftsideen, die durch sie möglich werden. Und dazu braucht es eine passende organisationale Struktur.
Der wahre Bremsklotz: die pyramidale Unternehmensstruktur
Natürlich wissen die Manager, dass sie vieles auf den Kopf stellen müssen, um fit für die Zukunft zu werden. Doch gar zu oft spürt man förmlich den fehlenden Handlungswillen. Vorne wird besänftigt, vertröstet und eingelullt. Hinten herum aber wird gemauert, weil man persönlich mehr zu verlieren als zu gewinnen hat, zumindest gefühlt. Klar fällt der Abschied von Routinen, die früher mal funktionierten, nicht immer leicht. Er ist aber unumgänglich. Abwarten ist keine Option. Und Hoffen kein Plan. Denn »später« heißt heute nicht selten »zu spät«. In der Digitalökonomie wird Zögerlichkeit knallhart bestraft. Warum es dann trotzdem dauert und dauert und dauert? Weil man den wahren Grund für das Zaudern beim Aufbruch ins Neuland nicht anpacken will. Es ist das ganz große Ding, die heilige Kuh: das organisationale System, der Bremsklotz Unternehmensstruktur.
Die gleichen Manager, die sich regelmäßig das neueste Smartphone nebst neuem Dienstwagen leisten, bleiben einem Organisationsmodell verhaftet, das aus dem tiefsten letzten Jahrhundert stammt. So machen sich klassische Unternehmen zu Gefangenen ihrer eigenen Managementtools. So wird das Verteidigen überholter Strukturen zum Haupthindernis auf dem Weg in die Zukunft.
Das bessere Organisationsmodell wird den Wettlauf gewinnen
Ohne einen organisationalen Umbau ist digitale Transformation gar nicht möglich. Denn neue Businesszeiten können nicht auf traditionelle Weise gemanagt werden. In einer Umgebung von gestern kann man nicht auf Gedanken für morgen kommen. Hohe Dynamik kann nicht durch starre Prozesse entstehen. Und zentrale Steuerung funktioniert nicht in komplexen Systemen. Solange sich an den Grundstrukturen nichts ändert, ist alles andere nur Puder und Schminke.
Es reicht einfach hinten und vorne nicht mehr, immer nur weiter an Wandel-Wehwehchen herumzudoktern und im Trippelschritt-Modus ein paar kleine Spielwiesen freizugeben, um etwas agiler zu werden. Die neuen Methoden sind alle da. Doch bei einem alten »Betriebssystem« bringt das wenig. Damit kuriert man höchstens Symptome. Besser, man geht an die Wurzel des Übels und kümmert sich um die Gesamtkonstitution.
Gegen die quirligen Netzwerkorganisationen der Jungunternehmen haben Topdown-Formationen nicht den Hauch einer Chance. Im Kern ist das Wettrennen zwischen herkömmlichen Firmen und den neuen Top-Playern der Wirtschaft also keins um die bessere Idee, sondern eins um das bessere Organisationsmodell. Für die »Next Economy«, in der sich menschliche und künstliche Intelligenzen miteinander verbinden, wird dringend eine »Next Organisation« gebraucht. Sie sorgt für Tempo und macht kreative, antizipative, neuartige Vorgehensweisen überhaupt erst möglich.
»Next Organisation« bedeutet: Aufbruch in die Erneuerung
Ein Company Redesign ist unumgänglich, um mit der Hochgeschwindigkeitszukunft Schritt halten zu können. Was es dazu braucht? Den konsequenten Übergang von einer aus der Zeit gefallenen pyramidalen zu einer zirkulären Unternehmensorganisation. Das Ziel? Ein Unternehmen, das nicht länger hierarchisch, also kraft formell verliehener Macht, von oben nach unten und von innen nach außen agiert, sondern eines, das sich dezentralisiert und tatsächlich auf das Kundenwohl fokussiert.
Gibt es Patentrezepte dafür? Nein, gibt es nicht. Business-Situationen sind verschieden, also müssen es auch die Methoden sein. Jede Firma muss ihren eigenen Weg finden, experimentieren und ausprobieren. Wenn es Blaupausen gäbe, dann würde jeder einfach der Blaupause folgen – und alle hätten ein identisches Resultat. Standardrezepte sind sogar höchst gefährlich. Denn keine zwei Unternehmen sind gleich. Branchen und Märkte sind genauso individuell wie Geschäftsmodelle und Kundenstrukturen.
Die gebrauchsanweisungssüchtigen Manager von früher sind obsolet. Damit Akzeptanz gepaart mit hohem Engagement entstehen, muss in einem geschützten Raum von Versuch und Irrtum ein ureigenes Vorgehen entwickelt werden. Natürlich macht es Sinn, sich von externen Profis inspirieren zu lassen. Außerdem können Pioniere wertvolle Denkanstöße liefern. Doch gedankenlos nacheifern darf man ihnen nicht. Was bei dem einen großartig funktioniert, kann anderswo grandios scheitern.
Eins braucht es allerdings in jedem Fall: Das ist der Grundsatzentscheid, der von der Geschäftsleitung ausgehen muss, den Umbau als solchen loszutreten. Denn ohne einen ausdrücklich bekundeten Willen der Führungsspitze wird jede organisationale Metamorphose zum Rohrkrepierer. Zudem hat sie die strikte Obliegenheit, das Umbauprojekt zu schützen, zu unterstützen und wohlwollend zu begleiten.
Eine Organisationsinnovation wird dringend gebraucht
Kann die organisationale Erneuerung in einem Ruck passieren? In Einzelfällen ist das sicher möglich. Doch normalerweise, das sagen alle, die Transformationsprozesse hinter sich haben, sollte das Pendel nicht zu überhastet oder zu hart in Richtung Hierarchiefreiheit und Selbstorganisation schwingen. Wer alle Wände gleichzeitig einreißt, dem fällt das Dach auf den Kopf. Eine entscheidende Frage ist damit diese: Was ist die minimal notwendige Machthierarchie, die minimal notwendige Ordnungsstruktur und die maximal mögliche Form der Selbstorganisation?
Dazu werden zentrale Instanzen zwar aufgebrochen, Führung ist aber noch vorhanden, vor allem da, wo es um strategische Entscheidungen geht. Wer versucht, Hierarchien mit Gewalt einzuebnen, sorgt für ein Vakuum, in dem sogleich wieder Machthierarchien entstehen. Unternehmen brauchen, so wie jede Gemeinschaft, ein Ordnungssystem – und zwar eines, das sie fit für die Zukunft macht. Hierfür schlage ich das Orbit-Modell vor. In »Die Orbit-Organisation« wird es ausführlich beschrieben.
Buchtipp: Anne M. Schüller, Alex T. Steffen:Die Orbit-Organisation. In 9 Schritten zum Unternehmensmodell für die digitale Zukunft Gabal Verlag 2019
ISBN: 978-3869368993
Über die Autorin:
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Rednern im deutschsprachigen Raum. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Vom Business-Netzwerk LinkedIn wurde sie zur Top-Voice 2017/2018 und vom Business-Netzwerk XING zum XING-Spitzenwriter 2018 gekürt. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager aus.
Kontakt: www.anneschueller.de