Sonntag, Dezember 22, 2024
»Der Wettbewerb im Markt wird jeden Tag größer«

Thomas Standhartinger, Programm Manager Energy & Utilities bei Atos Österreich, über den technischen Wandel und die neuen Möglichkeiten für Unternehmen in der Energiewirtschaft.

(+) plus: Vor welchen Hausforderungen steht die Energiewirtschaft heute auf technischer Ebene? Was wird sich dazu in den kommenden Jahren noch weiter ändern?

Thomas Standhartinger: Die Energiewirtschaft befindet sich in mehreren ineinandergreifenden Transformationsprozessen. Dies ist zum einen bedingt durch den Umbau auf ein zum Großteil auf erneuerbaren Energien basierendes Gesamtsystem mit einer dezentralen Erzeugungslandschaft. Die Kunden der Energieversorger sind zunehmend nicht nur Verbraucher, sondern auch Erzeuger von Energie. Und zum anderen führt die Liberalisierung des Marktes dazu, dass neue Mitbewerber auf den Plan treten. Kurzum, die Energieversorger müssen sich auf dieses veränderte Geschäftsumfeld einstellen, ihre Strategien entsprechend anpassen und neue Geschäftsmodelle entwickeln.

Digitalisierung ist daher heute das Schlagwort vieler Energieversorger und das zu Recht, denn der Wettbewerb im Markt wird jeden Tag größer. Enge Kundenbindung und moderne Kommunikation über digitale Medien mit den Kunden über etwa Portale, Mail, soziale Netzwerke und Handy-Apps sind ebenso notwendig wie die Automatisierung von Geschäftsprozessen, etwa um rasch am Markt mit neuen Produkten Erfolg haben zu können. Es geht also auch um große Datenmengen, die in Zukunft verarbeitet werden müssen beziehungsweise optimal geschäftlich genutzt werden sollten. Sicherheit spielt dabei eine ganz wesentliche Rolle, nicht nur in Zusammenhang mit Versorgungssicherheit oder Personenschutz, sondern im Besonderen in Hinblick auf Cyber-Security, Datenschutz und Datenintegrität.

Auf Blockchain-Technologien basierende Lösungen sind bereits in Erprobung, um zum Beispiel den Energiehandel zwischen regionalen Verbrauchern und Erzeugern direkt zu managen.

Netze und Speicher spielen in diesem Energiewandel eine wesentliche Rolle, da sie die Möglichkeiten des Austausches und der Speicherung von Energie einerseits ermöglichen, aber andererseits auch begren­zen. Durch eine Integration der Betriebsführung mit Informationstechnologie kann die zentrale und dezentrale Bewirtschaftung der Netze und Speicher optimiert werden.

(+) plus: Sie haben Ende 2018 eine digitale Plattform für Energieanbieter vorgestellt – was versprechen Sie Energieversorgern mit diesem Toolset?

Standhartinger: Time-to-Market, Kundenfokus und hohe Flexibilität sind die Herausforderungen für bestehende und neue Energieanbieter und natürlich ein wettbewerbsfähiger Preis der angebotenen Produkte. Die von Atos entwickelte digitale Plattform DORA unterstützt den Energielieferanten bei der Transformation und Entwicklung einer auf seine Bedürfnisse angepassten Lösung und reduziert erheblich die Entwicklungszeit. Diese hochperformante Plattform beruht auf SAP S/4HANA und enthält bereits eine Bibliothek von 1.500 Anwendungsfällen, um die neuen geschäftlichen, organisatorischen und regulatorischen Anforderungen der Energieanbieter für Strom und Gas rasch umsetzen zu können.

Die zahlreichen Anwendungsbeispiele, die auf der Erfahrung bei einer Vielzahl von Projekten in den letzten Jahrzehnten in diesem Markt beruhen, unterstützen auch das Change-Management im Unternehmen, um die Prozesse und Organisationen im Unternehmen optimal aufeinander abzustimmen. Darüber hinaus gibt es von Atos auch entsprechende Beratung zur optimalen Auslegung der Infrastruktur und Hardware für diese Plattform.

(+) plus: Was sind gute Beispiele für eine Transformation des Geschäfts im Bereich Energie?

Standhartinger: Die meisten Netzbetreiber in Österreich arbeiten derzeit intensiv an der Umsetzung der erforderlichen Infrastruktur für den flächendeckenden Rollout der Smart Meter. Das sind komplexe Programme und sie erfordern unter anderem auch die Adaptierung zahlreicher Prozesse, die in Zukunft wesentlich automatisierter ablaufen können. Smart Metering kann als ein wesentlicher Schritt zur Transformation des Geschäftes gesehen werden. Das hat weitreichende Auswirkungen – auch auf die Organisation der Unternehmen und die Kunden rücken noch viel stärker in den Fokus.

Für die Energieanbieter bietet Smart Metering in Zukunft die Möglichkeit, viel genauer auf Kundenbedürfnisse zugeschnittene Produkte anzubieten. Time-to-Market, automatisierte Prozesse, enge Kundenbindung und moderne Kundenkommunikation, vor allem auch über die verschiedenen digitalen Medien, sind dafür Voraussetzung. Und natürlich braucht man entsprechende Tools und Plattformen, um optimale Produkte für die Kunden entwickeln zu können. Das geht über das Angebot an Energieprodukten weit hinaus und umfasst zum Beispiel den gesamten Bereich Home-Automation, E-Mobility, Photovoltaikanlagen oder andere Dienstleistungen.

(+) plus: Was funktioniert auch international in anderen Ländern sehr gut?

Standhartinger: Eine erfolgreiche Transformation des Geschäftes wurde zum Beispiel beim internationalen Energiekonzern Enel durchgeführt. Dabei wurden auf Basis von S/4HANA und der Atos-Plattform DORA die Geschäftsprozesse von Enel den neuen Anforderungen angepasst, automatisiert und neue Services und Produkte entwickelt.

Ein weiteres gutes Beispiel ist – wie so oft – das digitale Vorzeigeland Estland. Smart Meter sind hier längst überall verbreitet. Basierend darauf wurde auch schon eine Reihe an Geschäftsmodellen entwickelt, die es den Verbrauchern etwa ermöglichen, Zugang zu Strompreisen zu erhalten, die bislang nur Großhändlern vorbehalten waren.

(+) plus: Welche Projekte hat Atos im Bereich Energie bereits in Österreich umgesetzt?

Standhartinger: Neben zahlreichen Projekten im Umfeld SAP, Customer Relationship Management und Mobile
Workforce Management wurden von Atos auch Transformationsprojekte der Infrastruktur durchgeführt, etwa im Umfeld Unified Communication und Digital Workplace, oder die Virtualisierung der SAP-Umgebung für die Verbund AG. Die Ziele dieser Projekte sind klar: Kostenreduktion, mehr Effizienz, Flexibilität und kürzere Realisierungszeiten. Darüber hinaus ist Atos auch Lead-Partner der Salzburg Netz GmbH bei der Einführung von Smart Metering und kann mehr als 15 Jahre Erfahrungen aus Smart-Metering-Projekten in anderen Ländern wie Frankreich oder Italien einbringen, besonders aber auch Erfahrung im Management großer komplexer Projekte und Programme.

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