Samstag, Dezember 21, 2024
Neubauboom versus Mangel an günstigem Wohnraum

Derzeit können wir eine paradoxe Situation im Wohnungsgeschehen beobachten: Die Einwohnerzahlen steigen weiterhin in fast allen Bundesländern und der Wohnungsneubau ist mit 60.000 Fertigstellungen im Jahr 2017 auf einem absoluten Hoch. Dennoch finden offenbar viele, vor allem jüngere Menschen keinen passenden Wohnraum. Eine Analyse von Karl Wurm, Obmann gemeinnütziger Bauvereinigungen GBV.

Bemerkbar macht sich der fehlende Wohnraum durch die deutliche Zunahme an allen Formen von Wohngemeinschaften von jüngeren Personen. Rund 13 % der 20- bis 30-Jährigen leben in einer solchen. Das sind etwa doppelt so viele wie um das Jahr 2000, in dem die Lage auf den Wohnungsmärkten deutlich entspannter war als heute. ­Dies kann als Indiz dafür genommen werden, dass diese Lebensform nicht die erste Wahl ist. Ein weiteres Indiz für die Wohnungsnot junger Menschen zeigt sich beim längeren Verbleib im Elternhaus. Parallel dazu hat sich seit dem Jahr 2008 in der Gruppe der 20- bis 30-Jährigen der Anteil derjenigen, deren Wohnkosten mehr als 40 % des Einkommens betragen fast verdoppelt (von 7,7 auf 13,3 %). Das alles korrespondiert mit der Beobachtung des Verbandes der Gemeinnützigen, dass es zu wenige günstige Wohnungen gibt. Eine vorsichtige Schätzung der fehlenden Zahl an Wohnungen für die unter 30-Jährigen ergibt ein Minimum von rd. 20.000 – und diese Menge nimmt weiter zu.

Und das, obwohl so viel gebaut wird. Denn der aktuelle Wohnbauboom ergibt sich derzeit  großteils aus der gestiegenen Nachfrage von Investoren nach Eigentum. Zur eigenen Wohnversorgung verliert Eigentum im Gegensatz zu früheren Jahren hingegen an Gewicht – v.a. beim eigenen Haus ist ein Rückgang des Interesses zu beobachten. Aber auch das selbstgenutzte Wohnungseigentum nimmt bei weitem nicht in dem Maße zu, wie es die Neubauziffern nahelegen. Ein Teil der von privaten Anlegern angeschafften Eigentumswohnungen kommt zur Vermietung, ein weiterer Teil dürfte ungenutzt bleiben.

Im letzten Jahr sind rd. 200.000 Wohnungen neu vermietet worden, davon waren rd. 180.000 Wiedervermietungen, der Rest entfiel auf Neuvermietungen. Die Hälfte davon hatte Mieten von über neun Euro pro Quadratmeter, ein Viertel sogar über elf Euro. Mehr als die Hälfte der günstigeren Wohnungen werden von den Gemeinnützigen und Gemeinden angeboten. In Wien ist die Situation um einiges dramatischer, da liegen die Mieten im privaten Segment bei Neu- bzw. Wiedervermietung um 10 bis 30 % über dem Bundesschnitt bzw. um 50 % über dem Niveau der Gemeinnützigen. Leistbare und ausreichend große Wohnungen scheint es überhaupt nur bei den Gemeinnützigen zu geben: Während die Neubauwohnungen gewerblicher und privater Anbieter im Schnitt 67 m2 groß sind, sind es bei den Gemeinnützigen 74 m2 (Wien 62 m2 bzw. 75 m2).

Weitere Maßnahmen nötig

Eine Ankurbelung der Produktion von leistbaren Wohnungen ist daher das Gebot der Stunde. Die Forderungen nach Lockerung des Mietrechts oder nach Erleichterungen bei der Schaffung von Eigentum können den aktuell bestehenden Engpass im Mietensegment nicht beseitigen. Weitere Mietenerhöhungen würden im Gegenteil den Druck auf die gemeinnützigen Bestände bzw. den Neubau weiter erhöhen. Das vorläufige Aus der Wohnbaubank war in Richtung erhöhtem Output an leistbarem Wohnraum leider auch nicht zweckdienlich. Was jetzt noch tatsächlich Abhilfe schaffen könnte, wären Maßnahmen zur Senkung der Grundstückskosten sowie in manchen Regionen eine Ausweitung bzw. auch Intensivierung der Wohnbauförderung.

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