Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Mike Bucher über seine Pläne als neuer Geschäftsführer der Wienerberger Ziegelindustrie. Er verrät, welche Produkte neu auf den Markt kommen, räumt ein, dass BIM in Österreich noch in den Kinderschuhen steckt und erklärt, was sich hinter den aktuellen Veränderungen bei Wienerberger verbirgt. Sein oberstes Ziel: Mehrwert für den Kunden.
Report: In letzter Zeit ist bei Wienerberger viel los. Tondach wurde ebenso integriert wie das Ziegelwerk Brenner, gleichzeitig werden die Wienerberger-Werke in Fürstenfeld und im burgenländischen Rotenturm geschlossen. Wie geht’s der Wienerberger Ziegelindustrie?
Mike Bucher: Der Wienerberger Ziegelindustrie geht es gut. Die erwähnten Punkte folgen einem Plan. Die Integration von Brenner und die Schließungen in Fürstenfeld und Rotenturm hängen direkt zusammen. Beide Standorte gibt es schon sehr lange. An einem geht schlicht und einfach der Rohstoff aus, damit ist die Zukunft besiegelt. Denn ein Rohstofftransport über lange Distanzen rechnet sich einfach nicht. Und am anderen Standort entsprechen die Produkte schlicht und einfach nicht mehr dem Geschmack des österreichischen Marktes.
Also ja, es ist viel los. Aber wir wollen jetzt unsere Hausaufgaben richtig machen, damit wir in Zukunft eine Wienerberger mit den starken Marken Porotherm und Tondach haben.
Report: Wie schwierig ist es für die Wienerberger Ziegelindustrie, Schließungen, die ja auch einen starken emotionalen Aspekt haben, nach innen und außen zu kommunizieren, wenn der Konzern fast gleichzeitig Rekordumsatz und Sonderdividende verkündet?
Bucher: Es ist richtig, Schließungen sind immer etwas Emotionales. Jeder Mitarbeiter, der das Unternehmen verlassen muss, schmerzt. Aber man muss das differenziert sehen. Die Zahlen des Konzerns sind das große Ganze. Dennoch muss jedes Land, jede Einheit für sich Ergebnisse erreichen.
Österreich ist hier insofern ein besonderer Fall, weil die AG und die operative Einheit oft in einen Topf geschmissen werden. Das ist in England oder Frankreich nicht der Fall. Da ist dann auch die Wahrnehmung eine andere. Außerdem dürfte es uns gelingen, knapp die Hälfte der betroffenen 22 Mitarbeiter in anderen Werken zu übernehmen. Es gibt auch ein mit dem Betriebsrat sehr gut ausgearbeitetes Sozialpaket, um Härtefälle zu vermeiden.
Report: Dass sich bei Wienerberger aktuell viel tut, zeigt sich auch an Ihrer Person. Wienerberger will sich laut CEO Heimo Scheuch verstärkt in Richtung neue, digitale Technologien öffnen.
Ihre Bestellung zum Geschäftsführer wurde als Signal in diese Richtung gesehen. Was prädestiniert Sie für diese Aufgabe?
Bucher: Auch die personellen Änderungen in dieser Phase sind bei genauerer Betrachtung logisch. Als von außen Kommender kann ich unvoreingenommen an die anstehenden Aufgaben herangehen und es fällt mir vielleicht leichter, das Ziel, Wienerberger auf das nächste Level zu heben, zu erreichen.
Report: Sie sprechen die neutrale Perspektive des Außenstehenden an. Welches Unternehmen haben Sie vorgefunden? Wie hat sich die Wienerberger Ziegelindustrie bei Ihrem Amtsantritt präsentiert?
Bucher: Der erste Eindruck war sehr spannend. Wienerberger hat eine Tradition von 199 Jahren. Unser Ziegel ist mittlerweile ein Hightech-Produkt und es gibt sehr innovative Ansätze. Ich muss also nicht bei Null beginnen, sondern kann auf einem guten Fundament aufbauen. Im Produktbereich sind wir auf jeden Fall Vorreiter und wollen das auch bleiben. Nach innen wollen wir ein modernes Unternehmen für die Mitarbeiter sein und im Bereich der Digitalisierung möchten wir die Themenführerschaft übernehmen.
Report: Wo werden Sie Ihre Schwerpunkte setzen? Womit darf man kurz-, mittel- und langfristig rechnen?
Bucher: Es ist noch zu früh, um konkrete Maßnahmen zu nennen. Wir werden aber auf jeden Fall unsere Strukturen kundennäher gestalten. Es ist unser großes Ziel, in allen Bereichen Mehrwert für den Kunden zu bieten. Dabei spielt natürlich die Digitalisierung eine große Rolle. Es gibt keine Maßnahme mehr, die davon losgelöst ist. Bei jedem Schritt, die wir zukünftig machen, wird mitüberlegt, wie man sie digitalisieren kann. Nicht weil das gerade modern ist, sondern weil wir so effizient wie möglich sein wollen.
Report: Wenn man über Digitalisierung spricht, landet man schnell bei BIM. Wie stark werden BIM-Lösungen bei Wienerberger in Österreich heute schon nachgefragt?
Bucher: Kaum. Es gibt aber erste Architekturbüros, die sich intensiv damit beschäftigen. Die Büros, die international arbeiten, kommen an BIM ohnehin nicht vorbei. Es stellt sich nur die Frage, wie lange es dauert, bis BIM tatsächlich nach Österreich schwappt. Ich glaube, das wird schneller gehen, als viele im Moment denken.
Report: Ist Wienerberger bereit? Haben Sie fertige BIM-Lösungen in der Schublade?
Bucher: Für einzelne Produkte könnten wir morgen BIM-Lösungen liefern. Aber so weit, dass wir wie in Großbritannien das Gesamtsystem komplett liefern können, sind wir mit dem österreichischen Produktportfolio noch nicht. Das wird sich aber im Laufe des Jahres ändern. Da hilft uns das Know-how aus anderen Ländern enorm. Das ist ein sehr spannender Prozess. Bislang reden wir immer vom Ziegel, wenn wir aber über BIM reden, dann reden wir von der Wand. Da wird die Sichtweise eine andere.
Report: Vor einem Jahr hat Wienerberger Vertriebs-Geschäftsführer Franz Kolnerberger im Interview gemeint, dass man den Bereich eCommerce nicht Amazon und Co überlassen dürfe. Wie weit ist man bei Wienerberger in diesem Bereich?
Bucher: Aktuell liegen die Schwerpunkte derzeit woanders. Das erste große interne Projekt betrifft den Einkauf, der wird künftig komplett papierlos ablaufen. Extern liegt der Fokus auf digitalen Tools und Services.
Am Beispiel Virtual Reality sieht man, wie wir von den Schwesterunternehmen in anderen Ländern profitieren können. In Polen etwa sind wir schon so weit, dass wir das Ziegelhaus komplett animieren und mit der Brille begehbar machen. Wichtig bei all diesen Lösungen ist das richtige Tempo. Es ist bei der Digitalisierung nicht gut, hinterherzulaufen. Es ist aber nicht ideal, viel zu früh zu sein. Es geht um den richtigen Zeitpunkt, um den Trend zu setzen und die Themenführerschaft zu übernehmen.
Report: Oft ist zu hören, dass sich Unternehmen vom Produktlieferanten zum Systemanbieter wandeln müssen, um die kargen Margen zu erhöhen ...
Bucher: Das ist genau der Schritt, der sich hinter den Veränderungen bei Wienerberger verbirgt. Es geht um Mehrwert für den Kunden, wir wollen mit qualitativ hochwertigen Produkten zum Komplett- und Systemanbieter werden.
Report: Ein Ziel ist es, den Marktanteil von Ziegel im mehrgeschoßigen Wohnbau zu erhöhen. Wie soll das gelingen?
Bucher: Wir versuchen, sehr früh an den Projekten dran zu sein. Wir haben jetzt unseren Vertrieb so sortiert, dass wir ein Team von sieben Mitarbeitern haben, das sich voll auf das Objektgeschäft konzentriert und ausschließlich in Richtung ausschreibende Stellen und Generalunternehmen agiert. Möglich ist mit Ziegel viel, das zeigt auch die neue, zehngeschossige Unternehmenszentrale der Wienerberger AG, die sich »The Brick« nennt« und Ende 2019 fertiggestellt sein wird. Das überrascht viele. Da zeigt sich, dass Aufklärung notwendig ist.
Report: Vor lauter Digitalisierung treten die eigentlichen Produkte oft schon ein wenig in den Hintergrund. Mit welchen Innovationen aus dem Haus Wienerberger ist zu rechnen?
Bucher: Im Mauerbereich wollen wir das Zubehör zu den Highend-Produkten wie den Porotherm W.i. weiter ausbauen. Ende des Jahres werden wir zudem einen neuen Fassadenziegel auf den Markt bringen. Im Bereich Dachziegel geht es auch in die Richtung Zubehör und neue Farben. Und ganz aktuell haben wir mit Klinkerriemchen ein Produkt im Portfolio, um den Sichtziegel auf die Fassade zu bringen.
Report: Wie muss 2018 laufen, damit Sie am Ende des Jahres sagen, es war ein erfolgreiches ersten Jahr?
Bucher: Erfolgreich war es dann, wenn wir die Marke Wienerberger klar positioniert haben, mit einer klaren Strategie nach außen, was die Markenlandschaft und die Digitalisierung betrifft. Und ganz wichtig ist mir, dass wir Anfang 2019 die Integration von Tondach und Brenner nicht nur formal abgeschlossen haben, sondern auch die unterschiedlichen Unternehmenskulturen zusammengeführt haben.