Sonntag, Dezember 22, 2024
Wärmedämmung aus umwelt- medizinischer Sicht

Für ein optimales Raumklima und eine gesunde Raumluft braucht es ein perfektes Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Wärmedämmung. Weit verbreitete Mythen und Schauergeschichten sind aus umweltmedizinischer Sicht nicht zu halten. Ein Gastkommentar von Hans-Peter Hutter.  

Seit langem dominiert das Spannungsfeld Energieeffizienz/Ressourcenschonung vs. gesunde(s) Innenraumklima/Luftqualität fachliche Diskussionen rund um wohnmedizinische Fragen von heute. So ist manchmal zu lesen, dass man sich in seiner Wohnung »nicht wie in ein Plastiksackerl einwickeln lassen möchte, um darin dann langsam zu ersticken«. So schlimm ist es zwar nicht, es zeigt aber, wie Dämmung in der Öffentlichkeit manchmal wahrgenommen wird. Und es steht außer Streit, dass Wärmedämmung als Einzelmaßnahme zu wenig ist.
Aus medizinischer Sicht geht es immer um ein Faktorenbündel, welches für die Wohnbehaglichkeit maßgeblich ist. Was macht denn gesundes Wohnen aus? Neben der Wärmedämmung und der Speichermasse der Mauern sind Lüftungsmaßnahmen sowie der Einsatz emissionsarmer Baumaterialien und Ausstattungsgegenstände die wesentlichen Prädiktoren für ein optimales Raumklima bzw. eine gute Raumluft. Wichtig ist jedenfalls deren Zusammenspiel.

Schimmel und Hitzewellen

Oft wird vergessen, bei welch dringlichen medizinischen Problembereichen professionelle Wärmedämmung Abhilfe schaffen kann.

Beispiel 1: Schimmelbildung. Dass es bei Vorkommen von Feuchte und Schimmel in Innenräumen u.a. zu Reizungen der Atemwege und vermehrtem Auftreten von Atemwegserkrankungen kommen kann, ist ausreichend beforscht. Daher ist es wesentlich, jene Faktoren, die das Wachstum von Schimmel begünstigen (z.B. erhöhte Materialfeuchte), möglichst an der Wurzel zu packen und auszuschalten. Feuchtigkeit an Wänden entsteht oft – bauseitig – durch Kondensation der Luftfeuchtigkeit aufgrund meist mangelnder oder falsch angebrachter Wärmedämmung sowie aufgrund nicht ausreichender Lüftung bzw. mangelndem Lüftungsverhalten der NutzerInnen. Ausreichende Wärmedämmung beugt bekanntlich Wärmebrücken vor und reduziert damit auch das mit Schimmel einhergehende Gesundheitsrisiko. In einer umfassenden eigenen Analyse von mehr als 4000 Datensätzen des Wiener Online-Schimmel-Fragebogens zeigte sich, dass die thermische Sanierung – neben Stoßlüften – als protektiver Faktor das Schimmelrisiko verringert.

Beispiel 2: Hitzewellen. Wie unangenehm zu niedrige oder zu hohe Temperaturen sein können, wissen wir wohl alle. Vor allem die klimawandelbedingten heißeren Sommer mit mehr Hitzetagen und tropischen Nächten werden immer mehr zum Problem. Waren es in Wien zwischen 1961 bis 1990 durchschnittlich knapp unter zehn Hitzetage pro Jahr, so wurden im Zeitraum 1981 bis 2010 bereits etwas mehr als 15 Hitzetage registriert. Tendenz steigend – und zwar auch für andere große Städte in Österreich.

Vor allem in dicht verbauten Stadtteilen ohne Grün (»heat islands«) kommt es teils zu starken sogenannten »sommerlichen Überwärmungen« in Innenräumen. Diese massiven Hitzebelastungen setzten speziell älteren Menschen sehr zu. Wissenschaftliche Analysen von Hitzewellen zeigten, dass Personen in solchen Wohnungen (speziell im Dachgeschoß oder darunter liegenden Wohnräumen) vermehrt an Hitzeerschöpfung versterben. Gebäude mit ausreichender Dämmung und Speichermasse bleiben deutlich länger kühl bzw. schützen vor Hitzestau. Das kann dazu beitragen, dass nicht nur das Wohlbefinden gesteigert werden kann, sondern auch hitzebedingte Erkrankungen wie z.B. Hitzekollaps, Hitzeerschöpfung oder Hitzekrämpfe und Sterblichkeit verringert werden können.

Folgen unterschätzt

Letztlich ist es wenig überraschend, dass Bauweisen einen signifikanten Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden ihrer BewohnerInnen haben. Nur leider wird dieser Erkenntnis oft zu wenig Beachtung geschenkt oder die negativen Folgen von Bauweisen, etc. werden unterschätzt.

PD DI Dr. med. Hans-Peter Hutter ist Professor am Department für Umwelthygiene und Umweltmedizin der Medizinischen Universität Wien und Vorstand des Vereins »ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt«.

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