Samstag, Dezember 21, 2024
»Ingenieurskunst  liefert oft nicht das, was der Markt verlangt«
Foto: Beko

Johannes Baumgartner-Foisner, Geschäftsführer des Technologiedienstleisters BEKO Engineering & Informatik, unterstützt die Industrie bei der Digitalisierung ihres Geschäfts.

(+) plus: Was verstehen Sie unter dem Begriff Digitalisierung?

Johannes Baumgartner-Foisner: Es gibt hier viele unterschiedliche Definitionen: von der Digitalisierung und Automatisierung eines Prozesses – beispielsweise ein Formular – bis zum Kreieren von völlig neuem Geschäft. Letzteres ist sicherlich die schwierigste Übung. Alle Unternehmen sollten in Zeiten der rasanten Veränderung ihre Geschäftsmodelle hinterfragen. Wir haben das auch an uns selbst ausprobiert und in Digitalisierungs-Workshops unser Geschäft auf Zukunftstauglichkeit geprüft.

Sind wir mit dem, was wir heute machen, auch in ein paar Jahren noch kompetitiv? Welche Erwartungen haben die Kunden an uns? Wie sind unsere Mitbewerber aufgestellt – auch international und vielleicht auch völlig neue Anbieter aus branchenfremden Bereichen? Hier braucht es einen tiefen Blick ins Unternehmen für einen neuen, frischen Zugang zu einer Vereinfachung und auch einer Veränderung von Geschäftsprozessen.

Früher hatten wir Konstruktionszeichnungen für bestimmte Bereiche geliefert. Heute überlegen wir, wie das komplette Projekt dahinter ausschaut. Wie können die Lösungen mittels IT automatisiert werden? Es geht um Flexibilität und Reaktionsschnelligkeit – etwa wie rasch eine Information vom Vertriebsmitarbeiter, der gerade beim Kunden ist, in die Produktionsprozesse fließt.

(+) plus: Wie sollten Unternehmen in eher traditionellen Branchen mit Veränderungen umgehen?

Baumgartner-Foisner: Sich auf Dingen auszuruhen, die bisher gegolten hatten, wird auch für Firmen im Handwerk auf Dauer zu wenig sein. Ein Metallverarbeiter sollte sich überlegen, ob die Kunden den Besten in der Schmiedetechnik nachfragen oder ob sie eine Lösung für eines ihrer Produkte brauchen. Das könnte etwa eine auf Knopfdruck erhältliche Dokumentation der Herstellungsbedingungen einer Komponente sein. Solch ein Qualitätszertifikat ist ein typisches Beispiel, wie der Mehrwert eines produzierenden Unternehmens vom Produkt zu Services übergeht.

(+) plus: Sie legen Unternehmen nahe, sich Hilfe von Dritten zu holen?

Baumgartner-Foisner: Die Unternehmen kennen ihr Geschäft schon selbst am besten. Doch Ingenieurskunst alleine liefert oft nicht das, was der Markt verlangt. Gerade technikgetriebene Firmen sollten sich auf die Erwartung ihrer Kunden rückbesinnen. Was mitunter fehlt – und da nehme ich auch uns nicht aus –, ist, Projekte radikal aus Kundensicht zu betrachten. Meist gibt es dazu auch übergeordnete Anforderungen, mitunter aus einem erweiterten Partner- und Lieferantennetzwerk kommend.

Wir können auf Basis unser Erfahrung Kunden aus der Industrie bei der Digitalisierung ihres Geschäfts unterstützen – beginnend bei Workshops bis hin zur Transformation von Geschäftsprozessen. Die SAP-Plattform Leonardo etwa eignet sich bereits sehr gut für Industrie-4.0-Umsetzungen. Die meisten Industrieunternehmen verfügen über eine breite SAP-Basis, daher ergibt sich hier eine Verknüpfung mit der IoT-Plattform von SAP. Wir beschränken uns aber nicht auf einen Hersteller, um beispielsweise auch Microsofts Azure IoT Suite zu nennen.

(+) plus: Wieviel Ressourcen sollte ein Unternehmen aufwenden, um neben dem Bestandsgeschäft Neues zu schaffen?

Baumgartner-Foisner: Genau das ist ein sensibler Punkt und muss für jeden gesondert betrachtet werden. Gerade kleinere und mittelständische Unternehmen tun sich schwer, aus dem Alltagsgeschäft auch nur eine Person herauszunehmen, um diese auf Zukunftsthemen anzusetzen. Die Kos­tenrechnung dazu ist einfach schwierig und auch die Themenstellungen – Begriffe wie Cloud, Big Data, Sensorik und Data Analytics – haben mit dem für viele eher fremden Bereich IT zu tun. Trotzdem muss man sich – egal in welcher Konstellation – die Zeit nehmen und sein Geschäft hinterfragen.

Ob ich es mache oder nicht – diese Frage stellt sich gar nicht mehr. Sie ist zu einem Überlebensthema geworden. Wenn ein Zulieferer die Vorgaben von Airbus für Ursprungszeugnisse nicht erfüllt, dann hilft der ganze Qualitätsanspruch, den man über Jahrzehnte gelebt hat, nichts. Das hat sich dann ganz schnell erledigt.

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