»War for talents« in der IT: Christine Sumper-Billinger verantwortet als Geschäftsführerin des Bundesrechenzentrums die Personalagenden des Dienstleisters des Bundes und setzt auf offene Arbeitsumgebungen.
(+) plus: Spüren Sie einen Fachkräftemangel in der IT? Wie ist die Situation am IT-Markt in Österreich und insbesondere beim BRZ?
Christine Sumper-Billinger: Durch das Thema Digitalisierung ist die IT wieder eine Wachstumsbranche und braucht dringend Arbeitskräfte – dies wird sich in den nächsten Jahren sogar noch verstärken und betrifft auch den Bereich der öffentlichen Verwaltung, wo auf Basis von Digitalisierungsprojekten die Verwaltung vereinfacht und Geschäftsprozesse optimiert werden. Das BRZ befindet sich hier genauso mit IT-Anbietern aus der Wirtschaft in einem »war for talents«. Es gibt einen massiven Fachkräftemangel – allein das BRZ hat derzeit 70 offene Stellen.
Für uns als potenzieller Arbeitgeber bedeutet das, dass wir konsequent unsere Stärken hervorkehren müssen – ein Arbeitsumfeld, in dem man die IT eines ganzen Staates gestaltet. Finden wir in bestimmten Bereichen nicht die richtigen Leute am Arbeitsmarkt, setzen wir selbst Trainee-Programme auf. Als Unternehmen muss man einfach Zeit und Geld investieren. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Return-on-Investment hier sehr gut ist.
Neue MitarbeiterInnen werden im Rahmen ihrer Ausbildung auch Seite an Seite mit erfahrenen Kollegen eingesetzt. Die Mitarbeiter sind motiviert, sie entwickeln von Anfang an ein Verständnis für die Themenstellung und auch die Bindung ist sehr hoch. Wir hatten zum Beispiel ein SAP-Trainee-Programm, aus dem fast alle Teilnehmer heute immer noch beim BRZ beschäftigt sind. Ein Grund dafür sind sicherlich auch die vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen, da wir verschiedenste Technologien im Einsatz haben und in unterschiedlichen Bereichen tätig sind.
(+) plus: Was sollten Unternehmen aus Ihrer Sicht tun, um am Arbeitsmarkt attraktiv zu wirken?
Sumper-Billinger: Ich denke, Unternehmen sollten schon während der Ausbildungszeit bei den Studierenden präsent sein. Man sollte auch noch früher, bereits in den Schulen, SchülerInnen für die MINT-Fächer – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – begeistern und diese Disziplinen greifbarer machen. In den Köpfen der Kinder und Jugendlichen gibt es – anders als bei Arzt, Rechtsanwalt und Manager – kaum Berufsbilder dazu. Warum also nicht in den Volksschulen mit kleinen Programmiertätigkeiten beginnen, um dieses Feld spannend zu gestalten und Kinder und Jugendliche dorthin zu führen? Um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, muss man entsprechend früh die Weichen im Bildungssystem stellen und speziell auch Mädchen animieren, sich diese Themen zuzutrauen. Ich hoffe, dass man hier auch Schwerpunkte im Regierungsprogramm setzen wird.
(+) plus: Was unternimmt das BRZ dazu im Bildungsbereich?
Sumper-Billinger: Wir gehen direkt in HTLs und Fachhochschulen, unterstützen Diplomarbeiten an Universitäten, wir beteiligen uns am Wiener Töchtertag, stehen aber auch Exkursionen von Schulklassen offen. So ist im November eine vierte Klasse aus einer Volksschule zu Gast in unserem Haus. Wir zeigen, wie Computer zusammengebaut werden, es gibt einfache Programmieraufgaben und wir schauen uns vor Ort die Druckstraße in unserem Rechenzentrum an, in der wichtige Dokumente wie etwa Bescheide ausgefertigt werden. Ziel ist, den jungen Leuten zu vermitteln, dass die Arbeit in einem IT-Unternehmen sehr spannend ist.
Beim BRZ sitzt man direkt am größten Schatz der Republik, ihrem Datenschatz. Wenn bei uns die IT nicht funktioniert, werden zum Beispiel die Gefangenen zum falschen Zeitpunkt aus dem Gefängnis entlassen. Oder: Wenn unsere IT steht, kann der Frachtverkehr am Flughafen mangels Zollverfahren kaum abgefertigt werden. Die IT ist mittlerweile die Lebensader jedes Unternehmens und Staates geworden. Es gilt also, greifbar zu machen, was man eigentlich alles bewegen und auch gestalten kann.
(+) plus: Inwieweit spielt die Entlohnung beim Fachkräftemangel eine Rolle? Haben jene, die ausreichend hohe Gehälter bieten, genauso Probleme, Mitarbeiter zu finden?
Sumper-Billinger: Ich kann bestätigen, dass dies so ist – wir zahlen marktübliche Gehälter. In Gesprächen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beobachten wir aber, dass letztlich nicht das Gehalt, sondern auch die Aufgabe im Unternehmen ein Riesenrolle spielt. Die Menschen wollen etwas gestalten und bewegen. Wenn man das als Arbeitgeber bieten kann, dann passt es.
(+) plus: Ändern sich die Erwartungen von ArbeitnehmerInnen an den Arbeitgeber? Was ist jüngeren und was ist älteren MitarbeiterInnen wichtig?
Sumper-Billinger: Bei den Jüngeren sieht man sicherlich mehr den Wunsch nach Mobilität und auch flexiblen Arbeitszeitmodellen, die wir in unterschiedlicher Form bieten. Sie sind sehr an den persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten interessiert, sie wollen mitgestalten und suchen auch Führungsverantwortung. Die Älteren haben wiederum den Vorteil ihres großen Erfahrungsschatzes, den sie weitergeben können. Prinzipiell sehe ich zwischen diesen beiden Gruppe aber eher wenige Unterschiede. Jeder wünscht sich eine sinnvolle Aufgabe, ein zufriedenstellendes Betriebsklima und ein innovationsfreundliches Umfeld.
Als Unternehmen setzen wird dazu auch auf neue Formen der Arbeitsplatzgestaltung. Derzeit schaffen wir in einem Projekt namens freiRAUM mit einem offenen Raumkonzept ein innovatives Arbeitsumfeld. Dazu adaptieren wir gerade einen Trakt für innovations- und kommunikationsfördernde Flächen für rund 60 Arbeitsplätze. Diese werden in drei Zonen geteilt: Es wird einen absoluten Ruhebereich für konzentriertes Arbeiten, einen klassischen Arbeitsbereich und eine Begegnungszone mit Besprechungsräumen, Telefonzellen und einem modernen Belegungssystem der Arbeitsplätze geben.
Begleitet wird dieses Konzept von einem Berater, der auf neue Arbeitswelten und neue Arbeitsformen spezialisiert ist. Denn es geht nicht nur um neu gestaltete Arbeitsbereiche, sondern auch um neue Organisationsformen der Zusammenarbeit. Wir werden über den Zeitraum von einem halben Jahr mit verschiedenen Teams diese Arbeitsweisen ausprobieren.
(+) plus: Was erwarten Sie sich von diesem Projekt konkret?
Sumper-Billinger: Die Erwartung ist die Möglichkeit und Unterstützung eines schnellen, flexiblen und innovativen Reagierens unserer Mitarbeiter auf die Anforderungen im Geschäft. Ein offenerer, barrierefreier Arbeitsraum ist sicherlich nicht für jeden das Richtige, aber – so nehmen wir an – förderlich für Teams, die sich stark mit Innovation beschäftigen.
Hier geht es vornehmlich um Kommunikation. Man soll mehr voneinander mitbekommen und lernen können – auch außerhalb des klassischen Bereichs der Kaffeemaschine, wo sich Kolleginnen und Kollegen auch bisher schon informell getroffen haben. Wenn man Arbeitsumgebungen richtig gestaltet, kann auch das Gefühl des Miteinanders, des Arbeitens an gemeinsamen Zielen, unterstützt werden.
Letztlich entspricht dieser Wandel auch den Veränderungen des BRZ als IT-Dienstleister für die Verwaltung. Wir wollen nicht nur Services ausführen, sondern auch Innovationspartner im Dialog mit unseren Kunden sein und uns bereits in den Konzeptionsphasen von Projekten einbringen. Dafür braucht es Freiräume – nicht nur baulich, sondern auch organisatorisch und gedanklich.