Samstag, Dezember 21, 2024

Im Gespräch über den IT-Service-Markt und strategische Zukäufe: ­Michael Jeske, Chief Operations Officer, und Richard Neuwirth, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der S&T AG.

Report: Wie hat sich die Positionierung von S&T durch den Zukauf des Raiffeisen-Informatik-Bereichs »IT-Markt« verändert? Wie waren Sie davor aufgestellt?

Michael Jeske: S&T war in Österreich bisher vor allem als Systemhaus im Workplace-Management tätig. Wir betreuen Kunden in Oberösterreich mit mehr als 12.000 Arbeitsplätzen. Seit vielen Jahren ist auch POS-Management ein Teil unseres Portfolios, mit rund 10.000 Kassensystemen unter unserer Wartung.

Ein weiteres Standbein sind Managed-Print-Services, beginnend beim Arbeitsplatzdrucker am Schreibtisch bis zu Produktionsmaschinen für Inhouse-Druckereien. Auch die Lieferung und Implementierung von Hard- und Software gehören nach wie vor zu unserem Serviceangebot. Diese Procurement-Prozesse – wie wir es nennen – sind je nach individuellen Anforderungen und Bedürfnissen des Kunden auch mit Serviceleistungen verknüpft.
Durch den Zukauf haben wir stark unsere Fähigkeiten im Rechenzentrumsbetrieb und bei SAP-Dienstleistungen rund um Betrieb und Consulting ausgebaut.

Report: Ihr Geschäft ist weitaus weniger hardwarelastig als früher.

Jeske: Die Ausrichtung ist ganz klar auf Servicegeschäft. Natürlich brauchen die Unternehmen weiterhin Hardware, die man sehr wohl über S&T beziehen kann. Das klassische Kistenschieben ist aber nicht mehr in unserem Fokus. Man hat sich hier ja bereits vor Jahren vom Consumerbereich mit seinen Eigenmarken verabschiedet.

Report: Wie sieht nun Ihr Rechenzentrumsstandort Wien aus? Was davon ist vom vormaligen Eigentümer noch vorhanden – und wie geht es den Kunden damit?

Jeske: Wir sind bei Raiffeisen Informatik im 2. Bezirk eingemietet, quasi ab der Betonplatte. S&T bezieht dort Strom und Klima, die Internetleitungen aber gehören bereits uns. Teil des Deals sind auch die Assets eines zweiten, größeren Rechenzentrums in Wien, das uns zu einem Tier-3-plus-Anbieter mit georedundanten Standorten macht. Wir haben knapp 100 Mitarbeiter übernommen, es gab durch den Kauf keine Arbeitsplatzreduzierung.

Richard Neuwirth: Wir haben bislang durchwegs sehr positives Feedback bekommen. Zum einen hat eine IT-Tochter einer Bank eine sicherlich andere Flexibilität, bedingt durch Regularien und eine eingeschränktere Ausrichtung. Die betroffenen Unternehmen sind nun Kunden eines Systemhauses geworden, das eine attraktive Wachstumsstrategie hat. Wir können mit unserer IT-Service-Palette mehr anbieten.

Report: Welche Wachstumsfelder sehen Sie nun in Österreich und in der Region, in der S&T tätig ist?

Jeske: Zum einen sind es die klassischen Managed-Services rund um IT und Cloudintegration. Wir ermöglichen unseren Kunden, Leistungen aus der Cloud zu beziehen. Mitunter wird behauptet, bei Cloud-Services würden keine Systemhäuser mehr benötigt werden. Das Gegenteil ist der Fall. Dann ist natürlich auch ein wichtiger Bereich IT-Security, um die Leistungen unserer Kunden nach außen zu sichern und zu schützen.
Stark wachsen wir auch in der Softwareentwicklung. S&T hat in Österreich derzeit ein Entwicklungsteam von 80 Beschäftigten, das wir nochmals um diese Größe aufstocken wollen.

Report: Finden Sie denn genügend Fachleute für den Ausbau der Softwareentwicklung?

Jeske: Das ist ein schwieriges Thema, es ist für uns eigentlich ein Nummer-eins-Problem sowohl in Österreich als auch in der gesamten Region. Trotz unser Präsenz bei Fachhochschulen und ein frühes Einbinden von Fachkräften bei Diplomarbeiten finden wir nicht genügend Leute.

Neuwirth: Wir befinden uns hier mittlerweile in einem Verdrängungsmarkt und müssen zum Teil über Headhunter agieren. Unseren Mitbewerbern ergeht es da ganz ähnlich.

Report: Nachdem S&T in einigen zentraleuropäischen Ländern Standorte hat, verfügen Sie auch über große Nearshoring-Möglichkeiten?

Jeske: Die Betonung liegt auf »auch«. Wir erkennen, dass die Kunden gerne mit deutschsprachigen Entwicklern oder Projektleitern zusammenarbeiten wollen. Wir können auch Nearshoring anbieten, aber den Kontakt halten dann Deutschsprachige.

Neuwirth: Um das zu differenzieren: Kundenspezifische Softwareentwicklung wird ganz klar vor Ort durchgeführt. Geht es dagegen um unsere eigenen Produktentwicklungen etwa für den Energiebereich oder für die Industrie, greifen wir auf Nearshoring zu. Wir belassen dies­ aber innerhalb unserer eigenen Gruppe, bei unserer Gesellschaft in Osteuropa oder in Russland. Wir sehen es als wichtig an, das Know-how in Europa zu halten, und nicht in Indien oder anderswo.

Report: Welche Chancen sehen Sie für IT-Dienstleister bei der Vernetzung von Maschinen – Stichwort Industrie 4.0? Werden Lösungen nachgefragt oder ist dies­ noch eher ein Zukunftsthema bei Ihren Kunden?

Jeske: Für unsere Kunden ist das bereits sehr aktuell. Wir bieten dazu eine kombinierte Hard- und Software-Lösung unserer Tochter Kontron an, welche direkt in den Systemen der Industrie eingesetzt wird.
Dazu kommen Consulting-Leistungen, um Projekte in der Fertigung zu realisieren, für Lösungen zur Datengewinnung und Vernetzung von Anlagen.

Neuwirth: Der Erwerb von 29,9 % an der börsennotierten Kontron AG im Vorjahr war die größte Akquisition in unserer Unternehmensgeschichte. Das Unternehmen ist hauptsächlich im Bereich Embedded Systems tätig, es hat einen Jahresumsatz von rund 370 Millionen Euro.

Report: Sind Sie überzeugt davon, dass es weiterhin Bedarf für lokale Dienstleis­ter auch im Cloud-Geschäft geben wird? Warum braucht es weiterhin den Service vor Ort?

Jeske: Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Für einen wichtigen Kunden, den Aluminiumhersteller AMAG in Ranshofen, haben wir 1.000 Arbeitsplätze in die Cloud gebracht. Auf dem Weg dahin wurden viele Dienstleistungen erbracht, es war Fachwissen nötig – etwa, um E-Mails im Bedarfsfall auch wieder einfach dearchivieren zu können. Es ist einfach ein Unterschied, ob nur ich mein privates Postfach in der Cloud habe, oder 1.000 Mitarbeiter einen professionellen Dienst benötigen.Wenn dann einmal etwas versehentlich gelöscht wird, muss das auch wiederhergestellt werden können. Hier ist der Supportaufwand ähnlich hoch, wenn die Server vor Ort stehen würden. Und dann bleibt es ja meistens nicht bei E-Mail.

Neuwirth: Wir bieten Kunden das Bes­te aus beiden Welten – sowohl den IT-Betrieb bei Cloudanbietern von Amazon oder Google als auch ein Serviceangebot aus unseren Rechenzentren. Dies beinhaltet auch das Management über alle Services, indem für die nötige Verfügbarkeit ein Service-Level-Agreement über alle IT-Infrastrukturen hinweg gilt.

Report: Was ist Ihr Umsatzziel für ­heuer?

Neuwirth: Mit dem Erwerb von Kontron, aber auch mit dem Wachstum im IT-Service-Bereich wird S&T einen Umsatz von 860 bis 890 Millionen Euro erwirtschaften.

Jeske: Ziel ist, mit unserem Produktportfolio – Systemhaus, Consulting und Hardware über die Kontron-Akquisition – von Österreich aus ein führender Anbieter im Bereich Internet-of-Things zu werden.
Wir werden mit der Investition in unser Linzer Softwareentwicklungszentrum weitere Projekte am Markt umsetzen und im Rechenzentrumsbereich SAP-Hana- und Embedded-Cloud-Lösungen anbieten, mit denen verteilte Maschinendaten aus beliebigen Punkten in der Welt gesammelt und übermittelt werden können.


Über das Unternehmen

S&T AG mit Hauptsitz in Linz beschäftigt rund 3.700 Mitarbeiter in mehr als 25 Ländern. 2016 wurde ein Umsatz von 504 Millionen Euro erzielt. Hauptaktionär ist seit 2016 die Foxconn-Tochter Ennoconn. Zu den Kunden zählen Konzerne sowie kleine und mittelständische Unternehmen in Zentral- und Osteuropa. 2017 wurde der Geschäftsbereich »IT-Markt« von Raiffeisen Informatik zugekauft, mit 30 Millionen Euro Dienstleistungs-Umsatz, rund 100 Mitarbeitern und knapp 90 Kunden.

Info: www.snt.at

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