Andreas Eigenbauer, Vorstand der E-Control, über die neue Struktur der Stromnetztarife, die ab kommenden Jahr schrittweise eingeführt wird.
Report: Die E-Control hat die Struktur der Stromnetztarife überarbeitet. Insbesondere geht es dabei um die Netzebene 7, die die Haushaltskunden betrifft. Was ändert sich diesbezüglich?
Eigenbauer: Schon derzeit bestehen die Tarife auf allen anderen Netzebenen aus einer Leistungs- und einer Mengenkomponente. Die Leistungskomponente bildet ab, wie stark das Netz durch den jeweiligen Anschluss belastet wird. Die Mengenkomponente stellt dar, wie viel Strom zum Kunden transportiert wird. Mit der Einführung der Smart Meter kann künftig auch auf der Ebene 7 die Leistung gemessen werden, die ein Kunde benötigt. Also ist es sinnvoll, auch auf dieser Ebene die Tarifstruktur einzuführen, die für alle anderen Ebenen seit langem gilt.
Report: Auf der Netzebene 7 gibt es derzeit einen Grundpreis, der mit 30 Euro pauschaliert ist. Kann dieser Grundpreis schon als eine Art Leistungskomponente betrachtet werden?
Eigenbauer: Im Prinzip ja. Worum es nun geht, ist, diese Pauschalen mit der Einführung der Smart Meter in die künftige Leistungskomponente zu überführen und in eine Größenordnung zu bringen, wie sie in den anderen Netzebenen auch angewandt wird.
Report: Wie wirkt sich die neue Struktur auf die Rentabilität von Eigenerzeugungsanlagen bei Haushalten aus? Es gibt ja immer mehr „Prosumer“ mit der sprichwörtlichen Photovoltaikanlage auf dem Dach.
Eigenbauer: Wenn jemand Strom in das Netz zurückspeist, ohne auf die Netzbelastung zu achten, wird die Anlage wahrscheinlich weniger rentabel sein als bisher. Anders verhält es sich, wenn der Kunde zusätzlich einen Stromspeicher installiert. In diesem Fall hat er die Möglichkeit, nicht nur die Strommengen zu vermindern, die er über das Netz bezieht, sondern auch die benötigte Anschlussleistung. Damit sinkt zumindest grundsätzlich die Höhe der Mengenkomponente, aber auch die Höhe der Leistungskomponente. Und das ist der Sinn der Sache: Die Netze werden genau dann optimal genutzt und minimal belastet, wenn sämtliche Kunden gleichmäßig Strom beziehen. Die neue Tarifstruktur macht den stetigen Strombezug tendenziell billiger, den unstetigen mit hohen Last- und Verbrauchsspitzen tendenziell teurer.
Report: Wie ist die neue Tarifstruktur mit der Energie- und Klimapolitik Österreichs vereinbar?
Eigenbauer: Gut. Sie zielt darauf ab, dass die Nutzung erneuerbarer Energien und neuer Dienstleistungen wie der Elektromobilität in einer Weise erfolgen kann, die die Netze kaum belastet.
Von der Höhe her gestalten wir die Leistungskomponente so, dass ein durchschnittlicher Haushalt mit wenigen Sonderanwendungen entlastet wird. In den bestehenden Netzverträgen hat ein Haushalt etwa 3 bis 4 Kilowatt (kW) Anschlussleistung. Das genügt auch dann, wenn jemand ein Mittelklasse-Elektroauto über Nacht auflädt. Wenn sich jemand einen Elektro-Sportwagen samt Schnellladestation mit 23 kW Leistung kauft, muss er allerdings mit höheren Netzkosten rechnen. Aber er braucht ja auch das Achtfache der Leistung eines durchschnittlichen Haushalts.
Report: Kritiker der neuen Strukturen behaupten, diese würden den Netzbetreibern höhere Einnahmen bringen.
Eigenbauer: Nein. Ein Netzbetreiber kann gesetzlich nicht mehr verdienen. Nimmt er in einem Jahr mehr als erwartet ein, muss er das Geld an die Kunden über niedrigere Entgelte in der Zukunft zurückzahlen.
Report: Im Positionspapier der E-Control zur neuen Netztarifstruktur heißt es: „Beim Netzbereitstellungsentgelt kann es mit der Einführung von Smart Metern zu vermehrten Nachverrechnungen von Netzbereitstellungsentgelten kommen, wenn die tatsächlich in Anspruch genommene Leistung der Netzbenutzer exakt gemessen wird und diese die im Netzzugangsvertrag vereinbarte Anschlussleistung überschreitet.“ Wie ist das zu verstehen?
Eigenbauer: Etliche Kunden benötigen heute eine elektrische Leistung, die höher ist als die, die seinerzeit bei der Herstellung ihres Netzanschlusses vertraglich vereinbart wurde. Wie hoch diese tatsächlich benötigte Leistung ist, ist aber meistens nicht bekannt. Erhält nun ein Kunde einen Smart Meter, ändert sich das. Das Problem dabei ist: Der Netzbetreiber ist gesetzlich verpflichtet, die tatsächliche Leistung zu verrechnen. Und das kann für den Kunden teuer werden. Nehmen wir die erwähnte 23-kW-Ladestation: Wenn ein Netzbetreiber heute 250 Euro pro kW Anschlussleistung verrechnet, ist eine einmalige Nachzahlung von 5.750 Euro fällig. Allerdings hat auch der Netzbetreiber ein Problem. Denn der Kunde hat natürlich einen Rechtsanspruch auf das, was er bezahlt. Daher muss der Netzbetreiber die bezahlte Leistung jederzeit zur Verfügung stellen. Und damit sind wir unter Umständen beim Netzausbau, der auch nicht immer einfach ist.
Report: Wie lässt sich dieses Problem lösen?
Eigenbauer: Wir empfehlen eine gesetzliche Bereinigung, die solche Nachverrechnungen ausschließt. Die Netzbetreiber hätten damit nach unseren Informationen kein Problem mit einer derartigen Vereinfachung.
Report: Planen Sie die Abschaffung der G-Komponente, die seitens der Kraftwerksbetreiber zu entrichten ist?
Eigenbauer: Nein. Es stimmt, dass in vielen Ländern Europas keine G-Komponente zu entrichten ist. Auf irgendeine Weise müssen die Erzeuger aber fast überall Gebühren bezahlen. Der notwendige Netzausbau wird ja nicht durch die Kunden verursacht. Er ist in Wahrheit angebotsgetrieben. Es wurden und werden Erzeugungsanlagen errichtet, die volatil Strom produzieren, in die Netze einspeisen und diese belasten. Fragen lässt sich, ob die G-Komponente derzeit den Betreibern genau dieser Erzeugungsanlagen verrechnet wird. Ist das nicht der Fall, liegt es am Gesetzgeber, zu entscheiden, ob er das ändern möchte.
Report: Die Betreiber von Pumpspeichern bezahlen derzeit niedrigere Netznutzungsentgelte. Als Grund wird angegeben, dass sie ihre Anlagen für den stabilen Netzbetrieb einsetzen. Im freien Strommarkt ist das aber nicht mehr möglich, weil auch die Pumpspeicher nach kommerziellen Gesichtspunkten gefahren werden. Könnte es notwendig werden, die Netznutzungsentgelte dieser Situation anzupassen?
Eigenbauer: Das ist zu diskutieren. Grundsätzlich ist eine netzdienliche Fahrweise Voraussetzung.
Report: Die neuen Netztarife sollen sozial Schwache nicht benachteiligen. Wie ist das zu gewährleisten?
Eigenbauer: Durch die neue Tarifstruktur an sich. Wer sozial schwach ist, wird kaum leistungsstarke Geräte besitzen, die unstetig Strom benötigen, etwa Saunas oder E-Auto-Schnellladestationen. Daher ist auch die von ihm benötigte Leistung vergleichsweise niedrig. Die Leistungskomponente der neuen Tarife wird so gestaltet, dass ein solcher Kunde eher entlastet wird, es reduziert sich die Mengen-Komponente auf rund die Hälfte
Was Sozialtarife betrifft, liegt die Entscheidung beim Gesetzgeber. Dieser müsste festlegen, dass es solche Tarife gibt, wer für die Administration zuständig ist und woher das Geld kommt.
Report: Wann geht der Verordnungsentwurf für die neue Tarifstruktur in Begutachtung?
Eigenbauer: Die neue Struktur wird nicht mit einer einzigen Verordnung schlagartig in ganz Österreich eingeführt, sondern stufenweise im Zuge der üblichen Tarifverordnungen, die jährlich ergehen. Im Herbst besprechen wir mit der Regulierungskommission die Eckpunkte. Bereits ab kommendem Jahr könnten die ersten Tarifverordnungen gelten, die Elemente der neuen Struktur enthalten.