Sonntag, Dezember 22, 2024

Im ersten großen Interview als Präsident des Verbandes der Österreichischen Beton- und Fertigteilwerke VÖB spricht Franz Josef Eder über die konkreten Ziele seiner Präsidentschaft, Fesseln, die sich die Politik selbst anlegt, und wie er die Branche gegenüber dem Mitbewerb positionieren will.

Report: Sie sind seit knapp einem Jahr VÖB-Präsident. Wie fällt ein erstes Fazit aus? Wie geht es der Branche?

Franz Josef Eder: 2016 war zweifellos ein Lichtblick mit vielen guten Ergebnissen und hohen Auslastungsgraden. 2017 dürfte sogar noch eine Spur besser werden. Wer im Wohnbau tätig ist, hat sicher den stärksten Rückenwind. Im Industriebau ist es etwas durchwachsener. Am besten sind die Zukunftsaussichten für jene Unternehmen, die in mehreren Geschäftsfeldern tätig sind.

Report: Was muss aus Ihrer Sicht passieren, um den Infrastrukturbau anzukurbeln?

Eder: Der Infrastrukturbau ist auf einige wenige Großprojekte konzentriert. Dort sind etliche Betriebe der Branche vertreten und das wird auch noch viele Jahre Arbeit bringen. Der konventionelle Straßenbau ist behindert durch die Dauer der Verfahren. Das sieht man etwa am Linzer Westring sehr gut, der durch Einsprüche seit Jahren verzögert wird. Es wäre dringend nötig, die UVP-Verfahren und Einspruchmöglichkeiten zu reformieren. Wenn man schon bereit ist, Geld auszugeben, dann sollte es auch möglich sein. Die Politik muss erkennen, dass sie selbst Gesetze geschaffen hat, die ihr eigenes Handeln massiv einschränkt. Der politische Wille wird nicht mehr umgesetzt.

Report: Auch der Industrie- und Gewerbebau läuft noch nicht richtig auf Touren. Fehlt den Unternehmen das Vertrauen in die Zukunft?

Eder: Ich denke, dass wir nie wieder in Europa einen Sicherheitsgrad erreichen werden, wie wir ihn in den 70er- und 80er-Jahren hatten. Der rasche Wandel und auch politisch instabile Verhältnisse in Europa bringen einfach ein gewisses Maß an Unsicherheit mit sich. Der rasche Wandel hat aber auch seine positiven Seiten. Denn er führt dazu, dass innovative Firmen investieren müssen. Das hilft der Bauwirtschaft und damit auch der Fertigteilbranche, weil es dann sehr rasch gehen muss.

Report: Wo sehen Sie die Stärken der Fertigteilbranche? Wo gibt es aus Ihrer Sicht Aufholbedarf?

Eder: Die größten Stärken sind sicher die hohe, garantierte Präzision und Qualität sowie der rasche Output, um das Bauen zu beschleunigen. Aber natürlich gibt es auch hier noch Luft nach oben, vor allem im Bereich der Digitalisierung. Wir haben immer noch unheimlich schwierige Abläufe, bis wir Freigaben und verlässliche Liefertermine seitens unserer Auftraggeber erhalten. Die ganze Branche leidet darunter, dass von den Auftraggebern Termin- und Mengenanforderungen kommen, die dann auf Wochen nicht stimmen. Das hat verheerende Auswirkungen auf unsere Kapazitätsplanungen. Wir müssen mit Überbuchungen arbeiten, weil die Wahrscheinlichkeit für Verschiebungen und Ausfälle enorm hoch ist.

Report: Welche Rolle kann in diesem Zusammenhang BIM spielen?

Eder: Wir reden schon so lange von BIM. Aber erst jetzt spüre ich so etwas wie Aufbruchsstimmung, weil die großen Player auf diesen Zug aufspringen. Und wenn die Betreiber von großen Bauwerken es endlich einfordern, dann wird sich BIM auch hierzulande durchsetzen. Die Fertigteilbranche ist hier schon enorm weit. Für uns ist der Schritt zum echten BIM der kleinste von allen Marktteilnehmern. Denn die Produktion ist ja schon jetzt in CAD gezeichnet und damit vollelektronisch vorhanden.

Report: Warum sehen die Betreiber diese Vorteile noch nicht in dem gewünschten Ausmaß?

Eder: Weil die angestammten Bauabläufe anscheinend sehr schwer zu durchbrechen sind. Entscheidungen werden leider viel zu oft nach hinten verschoben. Nicht selten gibt es schon vor dem Baustart einen Übergabetermin. Dann wird alles so knapp, dass man vermeintlich keine Zeit für eine exakte Planung hat. Und dann sind wir bei der baubegleitenden Planung, weil es eben üblich ist. Nur durch den Druck großer professioneller Betreiber kann es zu dieser nötigen Änderung der Grundphilosophie kommen. 

Report: Ihre Mitgliedsunternehmen blicken laut Konjunkturbarometer auch aufgrund »internationaler Marktführerschaft mit innovativen Lösungen« optimis­tisch in die Zukunft. In welche Richtung gehen diese Lösungen?

Eder: Aus Deutschland kommt ein starker Trend, weg vom Styropor und erdölhaltigen Dämmstoffen, hin zu mineralischen Dämmstoffen. Hier hat der Betonfertigteilbau ein enormes Potenzial, weil es möglich ist, ganz ohne organische Dämmstoffe zu arbeiten und stattdessen auf Mineralwolle oder noch besser Mineralschaum zu setzen. Hier kann sich die Branche ganz klar positionieren: kein Kunststoff, besseres Recycling, Langlebigkeit oder Schadensfreiheit. Ebenfalls im Kommen ist der verstärkte Einsatz von Textilbeton. In Kombination mit ultrahochfestem Beton werden sehr dünnwandige Bauteile für all denkbaren Anwendungen möglich sein.

Report: 2016 ist nach einer Talsohle 2015 wieder deutlich besser verlaufen. Ein noch deutlicheres Umsatzplus hat ein laut Branchenexperten »ruinöser Preiskampf« verhindert. Wie bewerten Sie die aktuelle Preisentwicklung? Wie kann man dem entgegenwirken?

Eder: Ich unterstelle jetzt mal, dass durch eine sehr hohe Auslastung auch mit relativ niedrigen Preisen ausreichende Renditen erzielt werden. Früher wäre bei steigender Nachfrage der Preis nach oben gegangen, das lässt der Markt heute nicht mehr zu, weil unsere Partner eine gewisse Preistreue erwarten. Sollten wir tatsächlich eine Preiserhöhung andenken, würde das sofort durch den Import korrigiert werden. 

Report: Welche Rolle spielt der Export für Ihre Unternehmen?

Eder: Es gibt einige Beispiele von Know-how-Export etwa im Tunnelbau. Da wurde in Sachen Tübbingen in Österreich ein enormes Know-how aufgebaut, das heute in mobilen Fabriken von London bis Doha umgesetzt wird. Es gibt aber auch einige Hidden Champions, die neben dem Know-how auch ihre Produkte erfolgreich international vermarkten, etwa im Bereich Bahnschwellen oder Lärmschutzwände.

Report: Welche konkreten kurz-, mittel- und langfristigen Ziele haben Sie sich für Ihre Präsidentschaft gesetzt?

Eder: Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, einige der Nichtmitglieder von den Vorteilen einer Mitgliedschaft zu überzeugen und damit die Leistungsfähigkeit des VÖB langfristig sicherzustellen.

Ein ganz wichtiger Punkt ist das Thema Ausbildung. Da gibt es noch viel zu tun. Unser härtester Mitbewerb, die Holz­industrie, ist uns hier Jahre voraus, was die Ausstattung der Schulen und die Motivation der Lehrer anbelangt. Wir haben dafür eine einschlägige Broschüre herausgegeben, die wir jetzt in den Berufschulen, HTLs, Fachhochschulen und Universitäten in Umlauf bringen müssen. 

Report: Sie haben den Holzbau als Mitbewerber angesprochen. Aber natürlich ist auch der Ziegel ein Mitbewerber für Ihre Mitglieder. Da schlagen vermutlich zwei Herzen in Ihrer Brust.

Eder: Natürlich sind Ziegel und Beton auch Wettbewerber. Aber da ist BauMassiv ein sehr gutes Vehikel und eine gute Klammer für die gemeinsamen Interessen. Ich kämpfe persönlich immer wieder darum, Ziegel und Beton nicht gegeneinander auszuspielen. Das bringt gar nichts. Wichtig ist, dass massiv gebaut wird. Genauso wie es zwischen dem VÖB und dem Güteverband Transportbeton einen Wettbewerb gibt. Aber auch da müssen wir die Kunden zuerst überzeugen, in Beton zu planen und zu bauen, bevor es eine Konkurrenzsituation gibt. Genauso ist es auch eine Ebene darüber.

Report: Mit welchen Themen wollen Sie sich gegenüber dem Holzbau positionieren?

Eder: Natürlich immer noch mit dem Thema Brandschutz. Da hat Holz einfach Nachteile, die es aufzuzeigen gilt. Aber auch mit der Frage der Nachhaltigkeit. Beton, insbesondere Betonfertigteile sind auch deshalb so nachhaltig, weil sie eine sehr lange, schadensfreie Lebensdauer haben. Man muss sich fragen, wie ein Bauwerk nach 20, 50 oder 100 Jahren dasteht – und dort hat Beton Vorteile. Auch die Speichermasse, der Lebenszyklus, die Verfügbarkeit der Ressourcen oder das Recycling sind wichtige Themen. Da geht es durchaus auch um die Relativierung der Argumente der Gegenseite. Dabei helfen auch Studien wie von der ACR, die eindeutig gezeigt haben, dass es keine ökologischen Unterschiede zwischen den einzelnen Bauweisen gibt.

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