Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl ist bekannt für klare Worte und spart auch nicht mit Kritik an der Regierung. Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report attestiert er der Regierung zumindest den Versuch, vieles richtig zu machen. Außerdem spricht er über unerklärliche Preisunterschiede in der Bauwirtschaft, die Gewerbeordnung und falsch verstandene Liberalisierung und bereits sichtbare, positive Auswirkungen des Bestbieterprinzips.
Report: Zahlreiche Expertenbefragungen zeigen, dass 2017 mit einem guten Jahr für die heimische Wirtschaft gerechnet wird. Teilen Sie diese Einschätzung?
Christoph Leitl: Es ist erfreulich, dass die Prognosen für heuer und 2018 nach oben revidiert wurden. Das ist ein wichtiges Signal. Gleichzeitig haben wir es aber auch weiterhin mit einer Reihe von Unsicherheitsfaktoren, wie den Brexit, zu tun. Einer dieser Faktoren, der für Österreich besonders wichtig ist, ist der Export. Auch hier soll die Entwicklung positiver ausfallen als erwartet. Das ist wichtig, denn der Export ist unsere Konjunkturlokomotive. Ich hoffe, dass die steigenden Wachstumszahlen rasch auch unsere Mittelbetriebe durchschlagen.
Report: Was sind aus Ihrer Sicht die drei dringlichsten Maßnahmen, die die Regierung umsetzen müsste, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken?
Leitl: Die Bundesregierung versucht in den letzten Monaten, vieles richtig zu machen: Das sind die Startup-Förderung, Lohnnebenkostenentlastung für die ersten drei Mitarbeiter, eine Digitalisierungsoffensive und eine Investitionsförderung. Hier ist vieles dabei, das die Wirtschaft unterstützt. Grosso modo klettert aber die Steuer- und Abgabenbelastung weiter in die Höhe, eine Bürokratie- und Staatsreform gelangt nahezu in Vergessen. Dabei ist das der Schlüssel dafür, dass wir uns viele Maßnahmen in der Zukunft leisten können.
Report: Einerseits wird eine Liberalisierung und stärkere Flexibilisierung der Wirtschaft verlangt, andererseits kommt aus der Wirtschaftskammer Kritik, wenn ein Gewerbe zum Freien Gewerbe wird. Wie passt das zusammen?
Leitl: Wer Liberalisierungen einfordert, sollte sich auch mit den Details beschäftigen.Wenn etwa das Teilgewerbe der Autoverglasung künftig frei wird, sollte man bedenken, dass von der richtig eingesetzte Autoscheibe ein Menschenleben abhängen kann. Und dass sich in Zeiten der E-Mobilität und des autonomen Fahrens in diesen Autoscheiben wichtige Assistenzsysteme eines Autos befinden. Und auch am Bau ist ja die Freigabe des Betonbohren und -schneidens strittig. Die Wirtschaft hat hier immer gefordert, mit Augenmaß vorzugehen. Wir wollen Qualität für die Konsumenten und Qualifikation – etwa bei der dualen Ausbildung der Jungen – sichern.
Report: Bis zum Sommer sollen sich die Sozialpartner auf ein Modell zur Arbeitszeitflexibilisierung einigen. Wie ist der aktuelle Stand der Verhandlungen?
Leitl: Wir haben hier einen ganz klaren Auftrag, Lösungen in Fragen des Mindestlohns und der Arbeitszeitflexibilisierung zu finden. Diese Aufträge möchte ich nicht trennen und dazu müssen sich auch beide Verhandlungspartner bekennen. Wir verhandeln intensiv und es gibt Branchen, in denen das Ziel, die 1.500 Euro rasch zu erreichen, ohne Hilfestellung kaum möglich sein wird.
Report: Welche Inhalte sind für Sie eine conditio sine qua non? Wo kann es Zugeständnisse geben?
Leitl: Als Verhandlungspartner müssen wir uns hier keine Ultimaten setzen. Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit bedeutet ja nicht, zum Schaden der MitarbeiterInnen zu agieren. Vielmehr gehen hier Interessen der Betriebe und der MitarbeiterInnen Hand in Hand. Eine Flexibilisierung kommt allen Betrieben zugute, großen wie kleinen, gerade Mittelbetriebe werden profitieren, die keine Schichtdienste fahren können und mit ihrer Mannschaft in temporären Spitzenzeiten ihre Aufträge abarbeiten müssen, gerade etwa was Montagearbeiten betrifft.
Report: Mittlerweile gibt es mehr als 9.000 Teilzeitbeschäftigte in der Bauwirtschaft, Tendenz steigend. Kritiker sehen darin ein Instrument für einen unfairen Wettbewerb. Welche Maßnahmen braucht es, um diese Entwicklung zu stoppen?
Leitl: Unsere Betriebe sind attraktive Arbeitgeber. Viele ihrer Mitarbeiter kommen aus osteuropäischen Staaten. Da wo unfairer Wettbewerb passiert, gilt es, auf verbindliche Regeln zu pochen, die auch sanktionierbar sind.
Report: Das neue Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz wurde von den Sozialpartnern begrüßt. Jetzt droht Slowenien bereits mit einer Klage wegen »Diskriminierung« und »unverhältnismäßigen Maßnahmen, die den freien Verkehr von Dienstleistungen einschränken und zusätzliche Hürden auf dem Binnenmarkt schaffen«. Ist das Gesetz unausgegoren?
Leitl: Wir befinden uns mit unseren Mittelbetrieben in einer herausfordernden Situation. Preisunterschiede von 20 bis 30 Prozent bei Anboten ausländischer Anbieter im Baugewerbe sind – zumindest legal – nicht erklärbar. Genau zu diesem Schluss kommt aber eine Studie der TU Graz im Auftrag der steirischen Wirtschaftskammer. Das Lohn- und Sozialdumpinggesetz soll nun eine Grundlage schaffen, dass diesseits und jenseits der Grenze faire Arbeitsbedingungen herrschen. Das ist nachvollziehbar und muss auch praktisch umsetzbar sein.
Report: Das neue Vergaberecht inklusive Bestbieterprinzip war ebenfalls ein wichtiges Anliegen der Sozialpartner. Sind bereits Auswirkungen spürbar?
Leitl: Ich erhoffe mir noch mehr Impulse für unsere mittelständische Wirtschaft, wobei das Fazit bisher positiv ausfällt. Wir wissen, dass durch das Bestbieterprinzip die Qualität der Angebote generell gestiegen ist und es freut mich, dass auch die heimischen Gemeinden das Bestbieterprinzip vollinhaltlich unterstützen. Das ist enorm wichtig, denn die Gemeinden sind unsere Partner in den Regionen.