Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Arbeiterkammer-Präsident Rudi Kaske über vergebene Chancen im neuen Koalitionspakt, kritisiert die Neustrukturierung der Wohnbauförderung, verteidigt das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz, präsentiert Maßnahmen gegen ungerechtfertigte Teilzeitbeschäftigung und Schwarzarbeit sowie die Voraussetzungen für eine Arbeitszeitflexibilisierung.
Report: Sie haben den Koalitionspakt in Sachen leistbares Wohnen als »zu kurz gegriffen« kritisiert. Was vermissen Sie?
Rudi Kaske: Im aktuellen Arbeitsprogramm der Regierung findet sich kein einziger Satz zur Mietrechtsreform und zu den Maklerprovisionen. Leistbares Wohnen steht aber bei den Menschen und auch bei uns ganz oben auf der Liste. Für uns heißt leistbares Wohnen: klare Regeln, um die Mieten zu begrenzen, Befristungen abschaffen – außer bei Eigenbedarf, weg mit den Maklergebühren für Mieter, klare Erhaltungsregeln für die Wohnungsausstattung und runter mit den Betriebskosten.
Report: Bei der Mietpreisdeckelung argumentieren Kritiker, dass sich damit Neubau und Sanierungen nicht mehr rechnen würden, was das Angebot verknappen und Wohnen erst recht wieder teurer machen würde. Was entgegnen Sie?
Kaske: Das Argument des Sich-nicht- Rechnens halte ich für aus der Luft gegriffen. Das lasse ich weder für Neubau noch für Sanierung gelten. Niemand fordert einen Mietpreisdeckel für frei finanzierte Neubauten, jedenfalls so lange nicht, bis die Errichtungskosten refinanziert wurden. Ein Deckel bei refinanzierten Altbauten ist sinnvoll, unbedingt notwendig und würde noch zusätzliche Investitionen in den Neubau lenken.
Report: Wie bewerten Sie die Neuregelung der Wohnbauförderung?
Kaske: Leider wurde die Chance auf eine Wiedereinführung der Zweckbindung vertan. Die Länder müssen lediglich ihre Wohnbauprogramme für zwei Jahre mit einer »verbindlichen Wohnbauleistung« erstellen und dafür »ausreichend Mittel« aus der Förderung verwenden. Das ist mehr als unbestimmt. Die zentrale Frage ist, ob die sogenannte verbindliche Bauleistung mit dem tatsächlichen Bedarf etwas zu tun hat und was die Konsequenz wäre, wenn verbindliche Ziele nicht erreicht werden. Das alles bleibt im Unklaren.
Report: Das neue Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz wurde von den Sozialpartnern freudig begrüßt. Jetzt droht Slowenien bereits mit einer Klage wegen »Diskriminierung« und »unverhältnismäßigen Maßnahmen, die den freien Verkehr von Dienstleistungen einschränken und zusätzliche Hürden auf dem Binnenmarkt schaffen«. Ist das Gesetz unausgegoren?
Kaske: Das Gesetz ist nicht unausgegoren, es ist sogar beispielgebend. Wir brauchen nur bessere Möglichkeiten der Um- und Durchsetzung gegenüber den Unternehmen. Der bloße Umstand, dass Slowenien meint, wir würden mit dem Gesetz gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßen, macht das Gesetz nicht europarechtswidrig. Manche Unternehmen in anderen Mitgliedsstaaten fühlen sich diskriminiert, weil sie in Österreich zu unseren Kollektivverträgen arbeiten müssen. Aber gerade das ist in der Entsenderichtlinie vorgesehen, um Sozialdumping zu verhindern und um unsere heimischen Betriebe vor unlauterem Wettbewerb zu schützen.
Report: Mittlerweile gibt es mehr als 9.000 Teilzeitbeschäftigte in der Bauwirtschaft, Tendenz steigend. Kritiker wie die Gewerkschaft Bau-Holz sehen darin ein Instrument für einen unfairen Wettbewerb. Welche Maßnahmen braucht es, um diese Entwicklung zu stoppen?
Kaske: Teilzeitarbeit ist ein Faktum und, wenn gewünscht, auch nicht unfair oder wettbewerbsverzerrend. Wenn die Beschäftigten nur Teilzeit angemeldet werden, tatsächlich aber Vollzeit arbeiten, dann ist das aber sehr wohl ein Problem. Damit schädigen diese Firmen nicht nur die Beschäftigten, die die negativen Folgen dieser Falschanmeldung spätestens bei Arbeitslosigkeit oder bei der Pension merken, sondern unser ganzes Sozialsystem, weil sie damit konsequent Abgaben verkürzen oder hinterziehen. Ich bin dafür, dass Unternehmen, die auffällig viele Bauarbeiter Teilzeit anmelden, genau unter die Lupe genommen werden. Wenn es zu Unregelmäßigkeiten kommen sollte, muss gestraft werden. Wenn sich das in der Branche herumspricht, wird diese Vorgangsweise bald wieder stark abnehmen.
Report: Der Bau leidet wie kaum eine andere Branche unter der Schattenwirtschaft. Was kann und muss man aus Ihrer Sicht dagegen tun?
Kaske: Der Bau ist seit jeher eine Branche, in der Schwarzarbeit, Sozialbetrug und Lohndumping weit verbreitet sind. Das merken wir auch Tag für Tag in unserer Rechtsberatung. Das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz ist da sehr wichtig. Nötig ist, dass dieses Gesetz auch flächendeckend vollzogen wird. Dafür braucht es mehr und effiziente Kontrollen und mehr Personal bei den kontrollierenden Behörden. Daher lautet eine unserer zentralen Forderungen: Verdopplung des Personals bei der Finanzpolizei auf 1.000 Kontrolleure.
Report: Die Arbeitszeitflexibilisierung ist auch in der Bauwirtschaft, die stark vom Projektgeschäft geprägt ist, ein großes Thema. Ist es zielführend, sich dagegen zu wehren, dass dann gearbeitet wird, wenn es die Auftragslage erfordert und die Witterung zulässt?
Kaske: Gerade im Baubereich wird schon jetzt sehr flexibel gearbeitet. Flexibilität ist aber keine Einbahnstraße, auf der nur die Interessen der Wirtschaft Vorfahrt haben, auch die Interessen der ArbeitnehmerInnen müssen berücksichtigt werden. Für uns sind das insbesondere: eine faire Bezahlung, der Erhalt der Gesundheit, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und eine abgesicherte Mitbestimmung bei der Ausgestaltung der Arbeitszeit.
Wir von der Arbeiterkammer sehen die Menschen im Zentrum. Es muss möglich sein, bis zum Regelpensionsalter arbeiten zu können, ohne vorher schon ausgebrannt zu sein. Es darf bei all der Diskussion über neue Arbeitszeitmodelle nicht vergessen werden: Überlange tägliche Arbeitszeiten über längerer Zeit sind ungesund, das kann auch durch Freizeitblöcke nicht ausgeglichen werden. Bestimmte Bedürfnisse wie ausreichender Schlaf oder Zeit für die Familie und Freunde müssten eigentlich eine tägliche Selbstverständlichkeit sein.