Peter Nussbaumer ist Gründer und Geschäftsführer eines Mattersburger Unternehmens, das die Telco-Branche weltweit auf den Kopf stellt. I-New Unified Mobile Solutions hat Kunden wie Virgin, Coca-Cola und Media Markt – und einen Schwerpunkt in Lateinamerika.
(+) plus: Herr Nussbaumer, Sie bieten einen Werkzeugkasten für Mobilfunkservices für den Auftritt von Unternehmen. Was kann man sich darunter vorstellen?
Peter Nussbaumer: Wir sind ein Partner für »Mobile Virtual Network Operators (MVNOs)«, für die wir unsere Produktpalette rund um Mobilfunkservices bereitstellen. Da geht es etwa um Loyalitätsprogramme in Markenauftritten, um mit den Endkunden besser zu kommunizieren – personalisierte Werbung am Handy –, um den Aufbau von Geschäftsbeziehungen und das Angebot von zusätzlichen Diensten.
Einer unserer Kunden ist der Einzelhandelskonzern Media Markt/Saturn, der seine Kunden auch über mobile Dienste erreichen will. Media Markt/Saturn selbst möchte aber nicht groß in Mobilfunktechnologie investieren. Telekommunikation bedeutet normalerweise, langläufige, komplexere Projekte zu haben. Man muss über unterschiedliche Technologien Bescheid wissen, sollte sich mit Routing-Gebühren auskennen und vieles mehr. Da kommen wir ins Spiel, indem wir versuchen, die Komplexität dahinter zu verbergen. Die Unternehmenskunden bekommen Schnittstellen zur Verfügung gestellt, mit denen sie sich auskennen und die sie leicht bedienen können.
(+) plus: Sie haben im Vorjahr einen »Global Telecom Award 2016« aus London ins Burgenland geholt. Ist dies das Erfolgsrezept im Vertrieb komplexer Services – es so einfach wie nur möglich zu machen?
Nussbaumer: Ich bin der Meinung: ja. In unserem »MVNO Shop« bieten wir modulare Features rund um die Erfassung von Kundendaten, Marketing- und Vertriebsaktivitäten inklusive Abrechnungs- und Administrationsfunktionen. Der Shop soll vor allem Unternehmen ansprechen, die selbst nicht aus der Telco-Branche kommen.
Wir bieten dazu auch Beratung, um bei Fragen der Marktpositionierung und Geschäftsmöglichkeiten zu helfen – bis hin zur Planung eines kompletten, gewinnbringenden Geschäftsmodells und wie dieses richtig aufgesetzt werden sollte – inklusive Mietverträgen mit Mobilfunkern, die ihr Netz zur Verfügung stellen.
(+) plus: Welche Mobilfunknetze nutzen Sie dafür in Österreich?
Nussbaumer: So etwas wie Exklusivität gibt es in unserer Branche kaum. In Österreich ist unsere Plattform so eng im Netz von Hutchison integriert, dass wir Unternehmenskunden White-Label-Produkte anbieten können – man kann einfach darauf mit seinem Markenauftritt aufsetzen. Eine weitere Integration gibt es mit der Telekom Austria, die derzeit allerdings nur von einem Kunden genutzt wird, der seinen MVNO-Vertrag direkt mit A1 abgeschlossen hat.
(+) plus: Was ist das Geschäftsmodell hinter einem Mobilfunkangebot eines Retailers? Kann man im heiß umkämpften Mobilfunkmarkt überhaupt als neuer Anbieter noch Geld verdienen?
Nussbaumer: Nicht die Marke hilft den Mobilfunkdiensten zum Erfolg, sondern umgekehrt: Das Mobilfunkangebot soll die Marke in ihrem Kerngeschäft stärken. Die Intention eines Retailers ist keineswegs, viel Geld über die Telefonie zu verdienen, sondern die Unterstützung des »Core Business«, die Stärkung der Kundenbeziehung. Bei Media Markt/Saturn erhalten im Webshop Konsumenten mit der SIM-Karte des Anbieters 1 GB Datenvolumen monatlich extra. Weiter gedacht könnte ein Händler über diese Schiene einen Service für Technikenthusiasten anbieten, die ein neues Produkt früher als andere erhalten. Eine weitere Zielgruppe sind dann auch die Mitarbeiter des Kunden, die Mobilfunkguthaben erhalten.
In Mexico haben wir mit Coca-Cola einen Telco 2.0 geschaffen, bei dem es überhaupt nicht mehr um Minuten- oder Megabyte-Abrechnungen geht. Das Unternehmen bucht Services, die zum Markenauftritt passen, und bezahlt dafür. Trotzdem gibt es natürlich auch reine Reseller, die gute Distributionskanäle haben und am Vertrieb ihres Mobilfunkprodukts verdienen.
(+) plus: Wie groß ist I-New? In welcher Region haben Sie die größten Umsätze?
Nussbaumer: Weltweit haben wir knapp mehr als 200 Mitarbeiter und schreiben rund 25 Mio. Euro Umsatz. Aufgrund eines frühen Einstiegs in den lateinamerikanischen Markt sind wir dort besonders stark vertreten. Mit 58 % aller MVNO-Subscribers, die auch unsere I-New-Plattform nutzen, haben wir in Lateinamerika die Marktführerschaft inne.
Ich werde immer gefragt, warum wir nicht größer in Österreich auftreten. Wenn ich in einem Land wie Mexiko aus 120 Mio. möglichen Endkunden schöpfen kann und der MVNO-Markt sich dort erst in den Anfängen befindet, dann sprechen wir von einem ganz anderen Potenzial als im heißumkämpften Österreich. I-New hat mittlerweile Büros in Mexiko, Kolumbien, Peru, Brasilien und Chile.
(+) plus: Mit 25 Millionen Umsatz haben Sie eine – für ein österreichisches Unternehmen – signifikante Größe am Telco-Markt erreicht.
Nussbaumer: Wir denken, das Wachstum könnte noch größer sein und wir werden alles dafür tun, die momentanen Zahlen schon sehr bald zu verdoppeln. Unsere Mitarbeiter und wir sind jedoch auf das Erreichte sehr stolz.
(+) plus: Welche Zukunft geben Sie dem MVNO-Geschäft in Europa? Gibt es noch Wachstumsmöglichkeiten?
Nussbaumer: Wir sind sehr zuversichtlich, dass der große Hype noch bevorsteht. Ende 1999, Anfang 2000 gab es einen ersten Schwung mit Resellern wie Virgin Mobile in UK. In den Jahren darauf ist dieser Hype wieder abgeflacht. Inzwischen formiert sich die Nachfrage wieder, nachdem die Mobilnetze nicht nur für die Verrechnung von Gesprächsminuten, SMS und Datenverkehr genutzt werden, sondern »Mobile« zum wichtigsten Kommunikationskanal und zum Tor zu Onlinediensten weltweit geworden ist. Heute geht es um die Nutzung vielfältiger Services und auch Unternehmen wie Apple oder Google sind zu Größen in der Mobilfunkbranche geworden.
Mit der technischen Entwicklung der eSIM, die es möglich machen wird, WhatsApp-Nachrichten über T-Mobile zu laden, E-Mails von A1 und ein Telefongespräch über das Drei-Netz zu führen, wird das Managen von Mobilfunkverträgen komplexer werden. Wir sehen hier eine Reseller-Schicht zur Kundenansprache einziehen. Damit sind wir nach heutiger Definition bereits auf der Ebene eines MVNO.
Plattformen wie Facebook oder Google haben wesentlich mehr Power als ein nationaler Mobilfunkbetreiber und es gibt heute alle Möglichkeiten, um mit diesen Marken direkt am Mobilfunkmarkt aufzutreten. Wir glauben, dass sich die Netzbetreiber künftig eher in den Hintergrund auf die Serviceschicht zurückziehen werden. Der Markt wird auf jeden Fall vielfältiger werden.
Unternehmen und Geschäftsmodell
Die I-New Unified Mobile Solutions AG mit Sitz in Mattersburg zählt zu den weltweit größten Anbietern virtueller Mobilfunksysteme. Der Technologieanbieter mit einer mehrfach prämierten Palette für »Mobile Virtual Network Operators« stellt die Infrastruktur zur Erfassung von Kundendaten, Verwaltung von Gesprächs- und Datenguthaben bei Prepaid-Modellen, Erstellung von Rechnungen, Inkassodurchführung sowie für Marketing- und Vertriebsaktivitäten zur Verfügung. I-New wurde 2004 von Peter Nussbaumer und Michael Mramor gegründet und arbeitete in den ersten Jahren als klassischer Systemintegrator für Telekommunikationstechnik. Im Laufe der Jahre entwickelten die Österreicher ihre eigene Technikplattform, mit der sie erfolgreich an Mobilnetzservices weltweit andocken. 2012 stieg der ehemalige TA-Boss Boris Nemsic ein, der bis heute Vorsitzender des Aufsichtsrats ist. Seit 2013 ist der Glückspielkonzern Novomatic als Mehrheitseigentümer an Bord.