Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Gerhard Schenk, Geschäftsführer HSG Zander, über Nischen und Wachstumspotenziale im Facility Management, die Auswirkungen des Megatrends Digitalisierung auf die Branche und seinen Frust über das Thema Lebenszykluskosten.
Report: Welche FM-Dienstleistungen werden im Moment am stärksten nachgefragt? Was verlangt der Markt?
Gerhard Schenk: Es ist nach wie vor das Bündel technische Betriebsführung und Instandhaltung sowie infrastrukturelles FM, das bei uns am stärksten nachgefragt wird. In dieser Schublade als Dienstleister sind wir im Moment drinnen. Dabei wäre viel mehr möglich. Unsere Kollegen aus Deutschland sind etwa im Moment sehr erfolgreich in der Automobilindustrie mit dem Thema Ersatzteilversorgung. Da wurden im Kundengespräch Problemfelder besprochen und man landete plötzlich beim Thema Ersatzteilversorgung.
Report: Hat ein FM-Anbieter wirklich Know-how bei der Beschaffung von Ersatzteilen für die Automobilindustrie?
Schenk: Ja, denn ein Facility Manager ist in Wahrheit immer ein Lösungsmanager. Wir verstehen Prozesse und können in der Regel die richtigen Antworten liefern. Dafür braucht es natürlich auch Kreativität. Die wird in der laufenden Auseinandersetzung mit dem, was im beruflichen Alltag eines Facility Managers passiert, geschult. Die Wünsche, Ideen und Vorstellungen der Nutzer sind ja manches Mal richtig skurril. Da kann man bei der Lösungsfindung jede Menge lernen.
Report: Damit reagiert man auf die Wünsche der Kunden. Wie kreativ sind Sie bei der proaktiven Dienstleistungsentwicklung für Kunden?
Schenk: Diese Kreativität hat ehrlich gesagt etwas nachgelassen. Das liegt daran, dass die Themen, die wir proaktiv angegangen sind, vom Markt nicht entsprechend angenommen wurden. Wir haben uns etwa sehr intensiv mit dem Thema Licht-Contracting beschäftigt. Wir haben bei einem Kunden sogar den Strompreis garantiert. Da reden wir von Amortisationszeiten von weniger als zwei Jahren. Wir hätten sogar die Einsparungen von der ersten Sekunde an geteilt. Dem Kunden hätte das sofort wirksam 1.000 Euro pro Monat gebracht. Dennoch wurden wir nicht beauftragt.
Report: Bleiben Sie trotzdem am Thema dran?
Schenk: Ja, weil wir an das Modell glauben.
Report: Funktioniert das neue Energieeffizienzgesetz als Hebel für neue Geschäftsmodelle? Stichwort: Energieeffizienz als Handelsware?
Schenk: Lassen Sie es mich pointiert formulieren: Wir haben in erster Linie Immobilien und keine Kunden. Die Energiekosten werden vom Mieter getragen. Die Frage ist also, wie man über den Auftraggeber zum Mieter kommt. Da ergeben sich natürlich Zielkonflikte. Warum soll ein ausschüttungsorientierter Fonds Geld in die Hand nehmen, um die Energieeffizienz zu erhöhen? Inwieweit sich daraus jetzt wirklich ein Geschäftsmodell ergibt, muss man noch abwarten. Denn auch der Engineeringaufwand ist sehr hoch.
Report: Sie setzen seit einiger Zeit stark auf das Thema Lebenszykluskosten. Wenn man sieht, wie schnell Büro- und Gewerbeimmobilien gedreht werden: Wie wichtig ist der Lebenszyklusgedanke bei den Errichtern, die nur selten die Immobilie auch nutzen?
Schenk: Ich muss ehrlich sagen, der Frust in Bezug auf dieses Thema ist groß. Ich habe sehr viel Hoffnung in das Thema gesetzt und mich auch aktiv eingebracht. Aber es kommt einfach zu wenig dabei raus. Das ist leider nur dann relevant, wenn der Errichter gleichzeitig auch Betreiber ist und etwas Werterhaltendes schaffen will. In allen anderen Fällen steht man auf verlorenem Posten. Eine rationale Zahlenentscheidung ist nicht möglich. Aus dem einfachen Grund, dass man die Alternative niemals seriös bewerten kann.
Das Problem ist auch hier, dass derjenige, der es jetzt beauftragen und bezahlen müsste, der Projektentwickler, oft nur wenig Interesse hat, weil er den Gedanken noch nicht als Mehrwert transportieren kann. Es gibt in Österreich viel zu wenig Eigennutzer. Positive Beispiele wie die Erste Bank, die sich eine zehnmonatige Start-up-Phase gönnt und diese auch bezahlt, sind die absolute Ausnahme. Neue gesetzliche Rahmenbedingungen haben dazu geführt, dass es gar nicht mehr opportun ist, Assets in den Büchern zu haben. Das ist eine fatale Entwicklung.
Report: Welche Rolle wird BIM für die FM-Branche spielen?
Schenk: Das ist ein spannendes Thema. Der Zugang, eine Kompletthistorie zu einer Immobilie zu haben, ist natürlich absolut richtig. Das erinnert ganz stark an das Thema CAFMS. Mittlerweile hat man erkannt, dass der Betrieb ohne Kenntnis aus der Errichtung nicht wirklich funktioniert. Deshalb wurde CAFMS um das Thema Dokumentation ergänzt. BIM kommt ja hauptsächlich aus dem Bereich der Baukalkulation. Wesentlich ist die Filterung und Verknüpfung der relevanten Daten. Die Frage wird sein, ob BIM für die Betriebsführung geeignet ist und CAFMS ablöst. Das kann ich mir fast nicht vorstellen.
Report: Aber erfüllt BIM nicht andererseits eine Ihrer langjährigen Forderungen der frühzeitigen Einbindung des FM in die Planungsphase?
Schenk: In gewisser Weise schon, aber BIM ist stark material- und nicht prozessbezogen. Aber mit der Simulation, die BIM ermöglicht, ist man auf jeden Fall ein Stück weiter. Ich stelle nur die kritische Frage, ob BIM tatsächlich CAFMS ablösen kann. Dann müsste die Betriebsseite aber noch stärkere Beachtung finden.
Report: Wie wirkt sich der Megatrend Digitalisierung auf den Betrieb von Gebäuden aus? Die Datenflut macht ja auch vor der FM-Branche nicht Halt.
Schenk: Man kann ein Gebäude theoretisch auch ohne aufbereiteten Daten gut managen. Jemand, der das Gebäude in- und auswendig kennt, braucht keine aufbereiteten Daten. Aber diese Menschen gibt es praktisch nicht mehr. Zudem werden heute von den Kunden immer mehr Nachweise eingefordert. Deshalb muss praktisch alles dokumentiert werden.
Report: Welchen Mehrwert bringt dieser zusätzliche Aufwand?
Schenk: Die Dokumentation führt zu einer deutlichen Objektivierung. Die Bagatellisierung einzelner Tätigkeiten ist durch die klare Zuordnung nicht mehr möglich. Das hilft uns als Anbieter und letztendlich auch dem Kunden.
Report: Lassen sich damit auch Erfahrungen von einer Immobilie in die andere transferieren?
Schenk: Ja, aber ganz so weit sind wir noch nicht. Wir bauen das gerade auf. Die alten Systeme waren hochgradig individuell. Mit den neuen, normierten Systemen ist eine viel bessere Vergleichbarkeit möglich. Das geht so weit, dass sich Gesetzmäßigkeiten bezüglich der Langlebigkeit und Haltbarkeit von Produkten ablesen lassen. Diese Form der Daten werden wir in rund zwei Jahren haben. Schlussendlich geht es um den permanenten automatisierten Datenaustausch zwischen FM-Anbieter und Kunden, der richtige Veranlassungen auf beiden Seiten nach sich zieht. Daran führt kein Weg vorbei.
Report: Wo sehen Sie die größten Wachstumspotenziale für die FM-Branche? Gibt es diese Potenziale überhaupt?
Schenk: Das ist eine gute Frage. Für 2016 ist mit der geringsten Neuflächenproduktion der letzten Jahren zu rechnen. Im Verwaltungsbereich ist mit einem reinen Verdrängungswettbewerb zu rechnen, da gibt es kein Wachstum. Ob im Bereich der Einkaufszentren weiteres Outsourcing ein Thema wird, bleibt abzuwarten. Ich bin aber skeptisch. Die größten Potenziale gäbe es im Gesundheitsbereich, aber da müsste es auch rechtliche Änderungen geben. Denn noch ist etwa das ganze Krankenhaussegment geschützt. Da geht es auf Landes- und Gemeindeebene aber auch um beschäftigungspolitische Fragen.
Report: Bei welchen Dienstleistungen gibt es noch Luft nach oben?
Schenk: Das Thema Betreiberverantwortung auf einer gemeinsamen Plattform wird an Bedeutung gewinnen. Da ist das Bewusstsein noch wenig ausgeprägt.
Report: Rechnen Sie mit einer weiteren Marktbereinigung?
Schenk: Ich denke schon, dass ein paar Unternehmen wegfallen werden. Das liegt vor allem an der brutalen Preispolitik. Es wird ja gar nicht nachgefragt, warum ein Anbieter um 30 Prozent billiger sein kann. Ich bin aber überzeugt, dass Plausibilitätsprüfungen von Angeboten künftig auch bei Rechtsstreitigkeiten eine Rolle spielen werden. Deshalb sollten ausschreibende Stellen doppelt prüfen und hinterfragen, wie ein Preis zustande kommt.