Im Interview mit Report(+)PLUS spricht der oberste CFO des Landes, Finanzminister Hans Jörg Schelling, über das Finanzressort als Ausgangspunkt großer Reformen und langfristiger Strategien und was die Politik von Unternehmen lernen kann.
(+) plus: Was macht aus Sicht des Finanzministers einen guten CFO aus?
Hans Jörg Schelling: Die Rolle des CFOs hat sich in den vergangenen Jahren sicherlich stark verändert. War er früher eher Verwalter mit reinem Zahlenfokus, entwickelt sich seine Position immer mehr hin zu der eines Gestalters und Strategen. Ich sehe Finanzchefs immer häufiger als Partner des CEOs, die eine zentrale Rolle bei Veränderungsprozessen einnehmen. Agieren und reagieren ist gefragt: In globalen Märkten müssen Unternehmen sofort auf Änderungen reagieren, Risiken frühzeitig erkennen, Marktlücken identifizieren sowie Chancen konsequent nutzen.
Der CFO wird deshalb in Zukunft mehr denn je Aufgaben wahrnehmen, die nicht in seinen traditionellen Arbeitsbereich fallen. Moderne CFOs müssen Allrounder sein, sprich gleichzeitig Finanzexperten, strategische Vordenker und Repräsentanten ihres Unternehmens.
(+) plus: Trifft dies auch auf den Finanzminister als »CFO des Bundes« zu?
Schelling: Das Amt des Finanzministers ist sicher eine besondere Herausforderung. Mehr denn je ist das Finanzressort Ausgangspunkt großer Reformen und langfris-tiger Strategien. Gerade in Zeiten wie diesen, wo sich Rahmenbedingungen laufend verändern, muss man ein großes Maß an Flexibilität an den Tag legen. Auch der Finanzminister entwickelt sich – ähnlich wie der CFO – immer stärker zum Allrounder. Er muss nicht nur ein Experte für Zahlen und Finanzen sein, sondern auch Chancen und Risiken frühzeitig erkennen und Maßnahmen entsprechend ableiten. Diese sind nicht immer übertrieben attraktiv und daher in der Öffentlichkeit oftmals schwer darstellbar. Fingerspitzengefühl, Gestaltungswille und Durchsetzungskraft sind daher gefragter denn je.
(+) plus: Was unterscheidet den Finanzminister von einem klassischen CFO in einem ATX-Unternehmen?
Schelling: Der Finanzminister braucht wahrscheinlich noch mehr Geduld als ein CFO. Der Unterschied besteht vor allem in den Abläufen: In der Wirtschaft erkennst du ein Problem, suchst die Ursache, findest die Lösung und gehst zur Umsetzung. In der Politik sind die ersten drei Schritte ident; bevor es zur Umsetzung geht, beginnt allerdings ein langer, schwerfälliger Prozess, um alle mitzunehmen, damit sie der Lösung zustimmen. Dazu kommt, dass bereits getroffene Entscheidungen oft hinterfragt werden. Das passiert im Management selten. Ziel muss auch in der Politik sein, bei schwierigen Entscheidungen zu sauberen Abläufen zu kommen.
Weiters würde es der Politik gut tun, wenn sie – wie in Unternehmen üblich – Vorschläge ernst nimmt, analysiert, bewertet und dann zu einem Ergebnis kommt. Leider wird oft sofort mit dem klassischen gelernten Reflex reagiert: »Das kommt nicht von mir und ist daher schlecht.« Wenn sich dieses Denken in der Politik ändern würde, könnte wesentlich konstruktiver zusammengearbeitet werden.
(+) plus: Welche Chancen ergeben sich durch Digitalisierung und Automatisierung für die Wirtschaft?
Schelling: Noch nie war die Welt so stark vernetzt wie heute. Der digitale Wandel durchdringt alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche. Es besteht kein Zweifel, dass die Digitalisierung die Informations- und Kommunikationstechnologie von Grund auf verändert hat. Denn Wissen bzw. Inhalte werden heute rasch und unkompliziert weltweit für alle verfügbar gemacht. Die Digitalisierung der Arbeitswelt ist ein Motor für Wachstum und Produktivität. Sie ist ohne Frage eine große Chance, die wir ergreifen und proaktiv nutzen müssen. Digitalisierung ermöglicht neue Wertschöpfungsketten und die vollständige Vernetzung unserer Wirtschaft – vom Kleinstunternehmen bis hin zum Industriebetrieb – mit globalen Wirtschaftsräumen.
(+) plus: Haben die österreichischen Unternehmen den digitalen Wandel verschlafen?
Schelling: Digitalisierung ist eine Jahrhundertchance für die europäische Wirtschaft und unsere Gesellschaft, durch die sich auch das Wettbewerbsumfeld rasant ändern wird. Klar ist, jene Unternehmen, die sich auf die Chancen der Digitalisierung fokussieren, erwarten bessere Marktchancen. Es ergeben sich neue Geschäftsfelder und eine bessere Vernetzung zu Vertragspartnern. Darüber hinaus werden digital-orientierte Firmen auch als Arbeitgeber immer attraktiver.
In vielen Unternehmen findet der notwendige Wandel allerdings deutlich langsamer statt, als es aus Sicht mancher notwendig wäre. Klar ist aber auch, dass die erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierung in der heimischen Wirtschaft und Gesellschaft große Kraftanstrengungen erfordert und nur bei Vorhandensein der dafür notwendigen Rahmenbedingungen gelingen kann. Wir werden daher auch in Zukunft die digitale Infrastruktur ausbauen, uns verstärkt auf die Zukunftsbereiche Forschung und Entwicklung sowie Innovation konzentrieren und ein unternehmensfreundliches Umfeld fördern.
(+) plus: Viele Unternehmer klagen über bürokratische Hürden und hohe Abgaben. Sehen Sie den Standort Österreich langfristig in Gefahr?
Schelling: An optimalen Rahmenbedingungen muss ständig gearbeitet werden. Aktive Unternehmen sind schließlich das Fundament der wirtschaftlichen Leistung und der Beschäftigung. Stillstand bedeutet, von anderen überholt zu werden. Um den Standort Österreich fit für die Zukunft zu machen sind neben einem reformierten Steuersystem Forschung & Entwicklung, Bildung und Ressourceneffizienz die Schlüsselbereiche. Voraussetzung für eine zukunftsorientierte Standortpolitik sind außerdem gesunde öffentliche Finanzen und eine effiziente Verwaltung. Daran werden wir auch in Zukunft mit ganzer Kraft arbeiten.
(+) plus: Wie kann Österreich als Wirtschaftsstandort attraktiver werden?
Schelling: Gerade in dieser wirtschaftlich turbulenten Phase ist es wichtiger denn je, die heimische Wirtschaft zu stützen, Innovations- und Investitionsgeist zu fördern sowie jungen, motivierten Unternehmerinnen und Unternehmern den Rücken zu stärken.
Im Rahmen der Steuerreform 2015/2016 wurden bewusst mehrere Schritte mit dem Ziel der Entlastung der Unternehmen gesetzt. So profitieren Gewerbetreibende von einer spürbaren Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer. Um die heimische Wirtschaft wieder anzukurbeln, wird innerhalb der kommenden Jahre darüber hinaus vor allem der Faktor Arbeit entlastet werden. Ziel ist, die Lohnnebenkosten um eine Milliarde Euro pro Jahr zu senken.
Im Zuge der Steuerreform haben wir außerdem bereits zahlreiche Verwaltungsvereinfachungen erzielt sowie Maßnahmen für mehr Gerechtigkeit und Fairness in Österreich gesetzt. Selbstverständlich kann das nur ein erster Schritt gewesen sein, dem viele weitere folgen müssen und werden.
(+) plus: Was könnte sich die Politik in puncto Führung und Steuerung von den Unternehmen abschauen?
Schelling: Es braucht in der Politik mehr Offenheit, mehr Effizienz, mehr Modernität und den Mut, jüngere und anders denkende Menschen zu fördern. Klar ist, Inhalte müssen an oberster Stelle stehen. Man darf sich nicht hinter festgefahrenen Mustern verstecken, sondern braucht Weitblick, Strategie und klare Entscheidungen.