Trotz wachsender Kritik bleibt Fracking weltweit Thema. Die wahren Kosten sind nicht absehbar.
Während ganz Deutschland jüngst gebannt auf das Duell zwischen dem türkischen Präsidenten und einem deutschen Satiriker starrte, wischte der Deutsche Bundestag nebenbei einen Gesetzesantrag vom Tisch, hinter dem laut Umfragen fast zwei Drittel der deutschen Bürger stehen: Ein Verbot des Frackings in Deutschland, wie es von der Opposition und NGOs gefordert wird, soll es nach Willen der deutschen Regierung nicht geben. Und ausgerechnet der europäische Rohstoffgigant Norwegen begann im März damit, US-amerikanisches Gas aus Schiefergasabbau zu importieren; das US-Gas sei billiger als das in Norwegen geförderte Gas, so die Begründung. Für EU-Staaten gab es bislang Hindernisse für diese Importe, doch auch diese sind vor kurzem gefallen: Unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit hat die EU-Kommission im Februar ein diesbezügliches Importverbot aufgehoben.
Diese politische Umarmung der noch jungen und zunehmend umstrittenen Fördermethode steht im krassen Widerspruch zur gesellschaftlichen Stimmung nicht nur in ökofundamentalistischen Kreisen. Und das nicht nur in Europa: Auch in den USA ist nur noch ein Drittel der Bevölkerung von den Vorteilen des Frackings überzeugt – und das, obwohl sowohl durch die Importunabhängigkeit als auch die Preisreaktion der konventionell ölfördernden Staaten global die Rohölpreise auf einen historischen Tiefstand gefallen sind. Eine Anfang April veröffentlichte Gallup-Umfrage ergab, dass mehr als die Hälfte der US-Bürger gegen die hydraulische Frakturierung, also Fracking, als Mittel zur Steigerung der Produktion von Erdgas oder Öl in den USA sind. Der Meinungsumschwung ist auf wissenschaftliche Warnungen vor den Gefahren der Fördermethode zurückzuführen, die seit der massenhaften Anwendung der Technologie immer lauter werden.
Schäden und Folgen
Forscher der Bundesbehörde USGS (US Geological Survey) haben erst Ende März neue Beweise für den Zusammenhang zwischen Fracking und zunehmenden Erdbeben in betroffenen Gebieten vorgelegt; rund sieben Millionen Menschen in den USA sollen ihren Berechnungen zufolge von stärkeren Erdstößen bedroht sein, die direkt auf die Fördermethode zurückzuführen seien. Mittlerweile beschäftigen die Umweltschäden auch die Gerichte. In Pennsylvania wurde ebenfalls erstmals im März ein Erdgasförderunternehmen zu einer Strafe in Höhe von über vier Millionen Dollar verurteilt, weil durch Fracking das Grundwasser verschmutzt worden war.
Eine viel größere, langfristig fatale Gefahr könnte allerdings von einer anderen Nebenwirkung der in den USA massenhaft angewandten Fördermethode ausgehen, die noch kaum thematisiert wurde: Aus zahllosen Fracking-Stätten entströmt während und nach dem Abbau fast ungehindert Methan. Das natürliche Gas trägt 20 bis 30 Mal mehr zum Treibhauseffekt und damit zum Klimawandel bei als Kohlendioxid. Eine aktuelle Studie der NGO Environmental Defense Fund hat kürzlich nachgewiesen, dass bei »hunderten« der überprüften Fracking-Abbaustätten nur unzureichende Sicherungen gegen ungehinderte Methanfreisetzung im Einsatz wären; diese Missstände würden allerdings nicht einmal das gesonderte Problem der oft mangelhaften Sicherung ausgeförderter Bohrstätten mit umfassen.
Risikotechnologie
Dass trotz zunehmender Kritik die Politik diesseits und jenseits des Atlantiks dennoch an der vermeintlichen Energiehoffnung Fracking festhält, widerspricht somit in mehrfacher Hinsicht den erst letztes Jahr in Paris gegebenen Versprechen zur Bekämpfung des Klimawandels. Zu diesem Schluss kommt auch ein aktuelles Sachbuch zum Thema. Der deutsche Energieforscher Werner Zittel hat in »Fracking - Energiewunder oder Umweltsünde?« mit nüchternem Blick Pro und Contra gegeneinander abgewogen. Sein wenig überraschendes Fazit: Fracking sei eine letztlich teure Risikotechnologie, ein »umwelt- und energiepolitisch sinnloses Unterfangen«. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Erkenntnis bis in die Politik durchspricht.