Samstag, Dezember 21, 2024

Martin Madlo, Managing Director von Interxion Österreich, über weltweite Trends im Rechenzentrumsbereich, Infrastruktur als Service und den wachsenden Energiehunger der IT.

Report: Herr Madlo, wie ist Interxion in Österreich aufgestellt? Wen adressieren Sie?

Martin Madlo: Interxion konzentriert sich mit seinen Services traditionell auf den Betrieb von Rechenzentrumsinfrastruktur. Wir stellen die physikalische Sicherheit, die Energieversorgung und Kühlung zu Verfügung und haben unsere Rechenzentrumsflächen als Netzwerkknotenpunkte für unsere Kunden und Partner ausgebaut. Unser Standort in Wien ist für über 120 Netzwerk- und Internetserviceprovider eine der größten und wichtigsten Drehscheiben für IT-Services in Zentraleu­ropa. Dabei sehen wir unsere Carrier- und auch Cloud-Neutralität als wesentlichen Vorteil. Unternehmen können aus einer Vielzahl lokaler und internationaler IT-Service- und Cloud-Service-Anbieter jene Produktbündel zusammenstellen, die für sie passen. Während Interxion in Frankfurt mit 150 bis 160 Netzwerkanbietern den größten strategischen Knotenpunkt Mitteleuropas mit einer Ausrichtung auch in den baltischen und russischen Raum bietet, bilden wir in Wien gemeinsam mit dem Vienna Internet Exchange das Tor nach Osteuropa, Südosteuropa, bis hinunter in die Türkei.

Report: Warum sollte nun ein Unternehmen seine IT-Services bei Dritten betreiben? Welche Trends sehen Sie hier?

Madlo: Ein Schwerpunkt, der in den letzten Monaten hinzugekommen ist, ist colocated hybrid IT. Unternehmen können hier ihre bestehende IT in ein professionelles Rechenzentrum auslagern und ihre unter Umständen verteilten Betriebsstandorte moderner und kos­tengünstiger, als es bei MPLS (Anm. Multiprotocol Label Switching) der Fall ist, anbinden. Sie können über unsere 14 Datacenter in Europa entweder Services von Cloudanbietern nutzen oder direkt unsere Infrastruktur als Service nutzen. Die Diskussion, ob man auf die Cloud setzen soll oder nicht, muss auch nicht schwarz-weiß ablaufen. Wir sagen: Nicht die Cloud verdammen – es wird letztlich ein Mix aller Systeme sein. Unternehmen sollten einfach prüfen, in welchen Fachbereichen und bei welchen Applikationen Cloudservices vielleicht besser und moderner sind.

Report: Was ist kostengünstiger? IT mit der eigenen Infrastruktur zu betreiben, oder sie in ein Rechenzentrum auszulagern?

Madlo: Man muss hier zwei Dinge voneinander unterscheiden. Die physikalische Infrastruktur kann in einem professionellen Datacenter wesentlicher effizienter betrieben werden. Hier wirken einfach Skaleneffekte: Wir sind ja als großer Anbieter darauf spezialisiert, Rechenzentren so energieeffizient wie möglich zu betreiben. Da tue ich mir in einem kleinen Datacenter mit 20 bis 25 m² Größe schon deutlich schwerer. Wenn es um die IT-Infrastruktur geht, ist die Sache aber komplexer.

Unternehmen, die einen kontinuierlichen Bedarf an IT-Leistung haben, können das unter Umständen mit eigener Hardware und eigener Infrastruktur effizienter betreiben. Bei volatileren Anforderungen, wo es vielleicht zu gewissen Zeiten im Monat oder im Jahr hyperskalierte Leistungsspitzen gibt, sind wiederum Services aus einem Managed-Cloud- oder Managed-Services-Bereich wahrscheinlich effizienter. In diesem Fall kann ein Servicebetreiber seine IT-Leis­tung über mehrere Kunden verteilen und Spitzen günstiger abdecken. Es kommt wirklich auf die Anwendungen an.

Report: Haben Sie auch große Cloud-Anbieter unter Ihren Kunden?

Madlo: Ja, die ganz Großen darf ich aber leider nicht nennen. Wir haben auch viele lokale Unternehmen, die ihren Kunden Clouddienste anbieten. Es werden praktisch täglich mehr – wir sehen europaweit derzeit den größten Bedarf an Rechenzentrumsdienstleistungen im Bereich der Cloudservices.

Report: Wie groß ist ein typisches Rechenzentrum eigentlich?

Madlo: Es gibt hier mehrere Datacenter-Kategorien. Die erste Kategorie sind Hyperscale-Datacenter, die mit einer elektrischen Leistung von 50 MW und mehr betrieben werden – es sind Standorte von Google, Facebook und Amazon, die dort betrieben werden, wo es möglichst kostengünstig auch im Energieeinkauf ist. Eine Zeitlang gab es die Strategie, auf möglichst wenige, große Datacenter zu setzen. Mittlerweile ist man daraufgekommen, dass dies nicht optimal skaliert. Diese Unternehmen sind wieder dazu übergegangen, auf geografisch verteilte Knotenpunkte in der Rechenleistung mit einer Größenordung von vielleicht 10 bis 50 MW zu bauen.

Weiter herunter gebrochen gibt es dann noch – für österreichische Verhältnisse – kleinere Access-Nodes mit 2 bis 10 MW. Grund für diese Verteilung ist, die Rechenleistung nahe bei den Nutzern zu bekommen, um für gewisse Applikationen Latenz- und Response-Zeiten klein zu halten. Je kürzer die Antwortzeiten sind, desto eher werden IT-Services von den Anwendern akzeptiert.

Report: Wie groß ist die Leistung des Interxion-Standortes in Wien?

Madlo: Wir haben derzeit eine Rechenzentrumsfläche von zirka 7.500 m² und eine verfügbare Leistung von 24 MW.

Report: Wie groß sollte nun die Dis­tanz zum Rechenzentrum sein, um bestimmte Anwendungen auszuführen?

Madlo: Bei hochperformanten Applikationen etwa im Onlinetrading oder sogenannten Proximity Trading sollten Sie quasi neben dem Switch der Börse stehen, um keinen Wettbewerbsnachteil zu haben. Interxion ist dazu in London sehr erfolgreich, wo sich regelrecht ein Proximity Business an den Handelsplätzen etabliert hat. Immobilienpreise spielen da keine Rolle. Dort geht es tatsächlich um die Länge der Kabel zwischen den Servern.

In anderen Fällen ist dies jeweils von den Applikationen abhängig – ob diese aus mehreren Rechenzentren in Europa betrieben werden können, oder ob es aus rechtlichen Gründen etwa auch die Notwendigkeit einer Speicherung von Daten innerhalb der Landesgrenzen gibt. Services wie Exchange oder Office 365 werde ich nicht aus Norwegen bedienen können. Hier braucht es schon geringere Distanzen zu den Usern.

Viele Unternehmen setzen auch parallel zu einem eigenen Datacenter auf unsere Dienstleistungen –  etwa aufgrund der Kosten oder der nötigen höheren Performance bei bestimmten Applikationen. Andere Services werden trotzdem weiterhin auf der eigenen Infrastruktur betrieben, die in vielen Fällen ja ausreichend ist.

Report: In welchem Maßstab ändert sich der Energieverbrauch in Rechenzentren?

Madlo: Wenn man wie wir bereits viele Jahre im Geschäft ist, sieht man, dass sich hier enorm viel getan hat. Um das Jahr 2000 herum wurden die Rechenzentren noch auf 18 Grad Celsius heruntergekühlt – es konnte gar nicht kalt genug sein. Das war energetisch ein Horror. Man hat sich kaum Gedanken über die Energieeffizienz gemacht.

Mit dem Thema Green IT begann dann ein  Energiebewusstsein, nicht nur im Betrieb eines Rechenzentrums, sondern auch im Betrachten der Hardware. Weltweite Standards, etwa von ASHRAE, einer amerikanischen Vereinigung von Heizungs-, Kühl- und Klimatechnikern, behandeln mittlerweile Faktoren wie Temperatur und Luftfeuchte im Rechenzentren. Heute werden Temperaturen bis zu 27 Grad als zulässig gesehen, die Abwärme in den Datacentern geht bis auf 40 Grad hinauf. Dadurch können wir Kühlanlagen effizienter betreiben, auch mit einem wesentlich stärkeren Einsatz von Free Cooling. Das ist eines der Themen, mit denen wir uns ständig beschäftigen – natürlich geht es hier auch um Betriebskosten.

Wir arbeiten auch eng mit der weltweit tätigen Initiative Green Grid zusammen, um eine Veränderung im Bewusstsein für energieeffiziente Rechenzentren zu erwirken. Wir glauben auch, dass der Druck auf die IT-Industrie dazu in den kommenden Jahren größer wird und Energieeffizienz neben Verfügbarkeit und physikalischer Sicherheit eines der wesentlichen Bewertungskriterien wird.

Der Bedarf für Infrastrukturservices wird weiter steigen und damit wächst auch der Energiehunger. Als Interxion die ersten Rechenzentrumsflächen in Wien errichtet hat, hat man mit rund 500 Watt Energiebedarf pro Quadratmeter Rechenzentrumsfläche kalkuliert. Mittlerweile werden Datacenter mit 3 kW/m² ausgelegt. 10 bis 15 kW pro Cabinet sind für viele Kunden mittlerweile fast schon Standard. Und das Ende der Fahnenstange ist noch nicht abzusehen.

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