Sonntag, Dezember 22, 2024

Streitvermeidung durch professionellen Umgang mit Störungen im Bauablauf. Jeder Praktiker kennt das Phänomen: Nur wenige Bauvorhaben laufen vollständig ab wie erwartet. Häufig kommt es zu Überraschungen, die sich auf den Bauablauf auswirken. Ein solcherart gestörter Bauablauf ist fast immer mit Produktivitätsverlusten, Terminverzügen und/oder Mehraufwendungen verbunden; die Folge sind Mehrkostenforderungen des Auftragnehmers gegen dem Auftraggeber.

Größere Bauvorhaben führen vermehrt zu immer komplexer werdenden Bauabläufen. Diese zu überwachen und zielgerichtet zu koordinieren, wird immer herausfordernder. Häufig sind die Auftragnehmer ausgelastet mit ihrer Aufgabe, ein umfassendes Gewerk zeitgerecht zu erbringen. Kommt es in einem solchen Umfeld, aus welchen Gründen auch immer, zu bloß geringfügigen Abweichungen vom vertraglich Vereinbarten, kann das gravierende Folgen haben. Sind diese Abweichungen Folge einer Leistungsänderung durch den Auftraggeber oder sind sie seiner Sphäre zuzurechnen, wird der Auftragnehmer Vergütung der ihm daraus erwachsenden Mehrkosten fordern können. Nicht selten entstehen daraus Streitigkeiten, die dann vor Gerichten ausgetragen werden.

Das lässt sich durch professionelles Claim-Management vermeiden. Dieses liegt im Interesse sowohl des Auftraggebers als auch des Auftragnehmers und hat zum Ziel, Abweichungen vom Vertrag während des Bauablaufes rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Während der Auftraggeber danach trachten wird, Mehrkosten dadurch zu minimieren, wird es Ziel des Auftragnehmers sein, solche so rasch wie möglich aufzuzeigen, zu dokumentieren und dem Bauherrn verständlich zu machen.

Eine professionelle Abwicklung eines Bauvorhabens – dazu gehört auch das Claim-Management – ist aus Sicht aller Beteiligten erstrebenswert: Der Auftraggeber wünscht sich einen verlässlichen Auftragnehmer, der eine qualitativ hochwertige Leistung erbringt und allfällige Mängel umgehend und fachgerecht behebt – auch wenn diese erst nach Beendigung des Bauvorhabens zu Tage treten. Dazu braucht er einen Auftragnehmer, der nicht nur zu einer handwerklich einwandfreien Leistung in der Lage ist, sondern auch sein Unternehmen durch wirtschaftlich unsichere Zeiten führen kann. Möglich ist dies nur durch faire Werkverträge und korrekte Leistungsvergütung. Modernes Claim-Management setzt daher nicht erst mit einem Ereignis ein, das den Bauablauf stört, sondern beginnt bereits bei der Erstellung des Anbotes. Es setzt eine sachgerechte und richtige Kalkulation voraus und setzt sich in einer professionellen Abwicklung der Vergabe fort. Eine schlechte interne Dokumentation, schlampig geführter Schriftverkehr oder nur rudimentär festgehaltene Vertragsinhalte führen nahezu zwingend zu Auffassungsunterschieden. Dass mündliche Nebenabreden zu vermeiden sind, versteht sich von selbst und sollte generell keiner Erklärung bedürfen. Tritt eine Änderung des Bauablaufes ein, sollte diese umgehend und ausreichend dokumentiert und entsprechend den Vereinbarungen im Vertrag angemeldet werden. Liegen dem Vertrag allgemeine Bestimmungen wie die ÖNORM B 2110 zu Grunde, sind deren Vorgaben zu beachten.

Es empfiehlt sich, Forderungen aus Bauabweichungen nicht nur verständlich und nachvollziehbar aufzubauen, sondern diese auch vollständig zu dokumentieren. Soll die Forderung Bestand haben, muss sie seriös sein. Ihr Rechtsgrund muss abgesichert, ihre Höhe darf nicht unglaubwürdig sein. Der Sachverhalt, der zu ihr geführt hat, muss vollständig dargetan werden: Es sollte nichts verschwiegen werden – auch wenn sich die Höhe der Forderung dadurch mindert. Werden diese Grundregeln nicht oder nur teilweise eingehalten, können Forderungen häufig kaum oder nur mit enormem Aufwand nachvollzogen werden, eine Einigung mit dem Bauherren ist dann oft kaum möglich, die Entscheidung durch den Richter häufig die unvermeidliche Folge.

Zum Autor:
Dr. Johannes Olischar, MBA, ist selbstständiger Rechtsanwalt und spezialisiert auf die Rechtsbereiche des Bau- und Baunebengewerbes, Immobilien-, Bestand- und Wohnungseigentumsrecht sowie auf den Gebieten Enteignung und Enteignungsentschädigung.

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