Mittwoch, Jänner 08, 2025
Jobmotor Wärmedämmung
Foto: Thinkstock

Spezialisierte Bauaufträge zur Sanierung und energetischen Nachrüstung machen bis zu zwei Drittel der Gesamtbeschäftigung des Bausektors aus. Dafür braucht es Know-how. Universitäten, Bauakademien und die Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme stehen bereit.

Laut einer Ecofys-Studie ist tiefgreifende Gebäudesanierung nicht nur ein geeigneter Weg, die Abhängigkeit der EU von Energie-Importen zu reduzieren, sondern auch ein starker Motor für den wirtschaftlichen Aufschwung. In den letzten Jahren hat auch der Markt für WDVS unter der schwachen Sanierungskonjunktur und den vergleichsweise niedrigen Energiepreisen gelitten, wie bei den Dämmstoffen dürfte auch hier 2016 die Talfahrt gestoppt worden sein. Für die nächsten Jahre wird mit einem leichten Aufschwung gerechnet.

Bild oben: Auch die einzelnen Unternehmen bieten zahlreiche Fortbildungsangebote, Sto etwa gemeinsam mit der TU Wien die Summer School.

Für Andreas Reiter, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energien Wien-NÖ, hat Dämmen höchste Priorität – daran führe kein Weg vorbei. Die Energierichtlinien fordern immer umfassendere Dämmmaßnahmen. »Der Markt wird größer«, erwartet Gerald Prinzhorn, Geschäftsführer von Austrotherm. Um die Qualität der Produkte auf das Bauwerk zu übertragen, braucht es Know-how und fundierte Ausbildung. »Bei modernen Bauweisen, und dazu zählt natürlich auch der gesamte Bereich der hochwertigen Dämmung, ist die Koordination untereinander zwingend erforderlich«, fordert Gerhard Dell, Energiebeauftragter des Landes Oberösterreich und Geschäftsführer des Oberösterreichischen Energiesparverbandes. Das parallele Nebeneinander hat der Energieexperte auch in der Ausbildung festgestellt. »Früher war das Thema Schnittstellen nicht aktuell.« Es sei sehr sinnvoll, dass in der Bau-Ausbildung für alle Berufsgruppen die Themen Bauphysik und Energietechnik gemeinsam vermittelt werden.

Know-how ist gefordert

Wärmedämmverbundsysteme sind komplexe Bausysteme, deren Planung, Ausführung und Instandhaltung erhebliche Sach- und Fachkenntnis erfordert. Laut Baumeister Andreas Hauser, Leiter der BauAkademie Wien, berichten Sachverständige immer wieder von Mängeln. Das bestätigt auch der Österreichische Bauschadensbericht. WDVS werden etwa auf feuchtem Untergrund aufgebracht, Gewebelagen fehlen oder sind falsch eingebaut, es kommt zu einem mangelhaft luftdichten Anschluss an den Baukörper, zu nicht fachgerechtem Anbringen des Oberputzes oder zur falschen Befestigung von Lasten am WDVS. Wärmedämmverbundsysteme sind sehr heikel. Es gibt viele Detailausführungen, z.B. die Anschlüsse beim Fenster und die Übergänge von Sockel zu Wand.

Bild oben: Gerade in Zeiten von Digitalisierung und Automatisierung ist es wichtig, im handwerklichen Bereich bestmöglich ausgebildet zu werden.

Es bedarf daher zertifizierter Facharbeiter. Bauleiter sind nicht ständig vor Ort, womit die permanente Kontrolle fehlt. Mit den steigenden Ansprüchen an die Dämmung befasst sich u.a. die FH Burgenland. Im Rahmen des Masterlehrganges Sanierungsmanagement können Zertifikate in WDVS, aber auch in Putz und Baustellenkoordination erworben werden. Die einzelnen Bauunternehmen setzen natürlich nicht nur auf externes Training, sie forcieren selbst die Schulung ihrer Mitarbeiter.

»Es besteht hoher Bedarf an Fachkräften. Wir müssen daher eigene Leute anlernen«, berichtet Gerald Prinzhorn. Im Bereich Kunststofftechnik sei dies weniger der Fall, da kommen die Fachkräfte meist von der FH. Die TU Wien bietet den Lehrgang Gebäudehülle an. Dabei erhalten Studienteilnehmer ein ausführungsnahes, gewerkübergreifendes Verständnis für die Gebäudehülle. Dadurch wird es Ihnen ermöglicht, die Gebäudehülle als Gesamtes zu betrachten, Schnittstellen und Schnittstellenprobleme zu erkennen und somit Folgeschäden zu vermeiden. Besonderer Wert wird auf den Zusammenhang zwischen den technischfachlichen Anforderungen und der Praxis gelegt.

Bild oben: Andreas Hauser, BauAkademie Wien: »Wir haben heuer sehr viele Anmeldungen für die WDVS-Kurse. Das ist ein Indikator, dass sich da etwas tut.«

Für Josef Muchitsch, Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz ist es in einer Zeit, in der Automatisierung und Digitalisierung Arbeitsprozesse beschleunigen und Arbeitsplätze verdrängen, wichtig, im handwerklichen Bereich bestmöglich ausgebildet zu werden.

Notwendig ist aber auch Weiterbildung, um dauerhaft erfolgreich im Job bleiben zu können. Um das Interesse für die bauphysikalisch hochwertige Technologie weiter zu steigern – Steigerungsraten gibt es vor allem im urbanen Raum, der Zuspruch zur Ausbildung ist laut FH Burgenland schon derzeit enorm, Bauunternehmen wie Strabag und Porr forcieren eigene Lehrgänge – muss laut GBH ein stärkeres gesellschaftliches Bewusstsein für die dringende Notwendigkeit von Klimaschutz, für eine stärkere Eindämmung des Energieverbrauchs sowie für die Tatsache, dass Beschäftigung gerade in diesem Bereich Zukunft hat, geschaffen werden.

Beschäftigungsfaktor Dämmung

WDVS und Dämmung bestimmen nicht nur stärker den Ausbildungsbereich, sondern auch den Arbeitsmarkt. Durch WDVS kann nicht nur der Heizwärmebedarf laut QG WDVS bis zu 95 % reduziert werden, es  werden auch sehr positive Beschäftigungseffekte erzielt. Daher können mit Sanierung mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Erreichung der CO2-Ziele, Senken der Energiekosten und Beitrag zur Vollbeschäftigung. Die Umsetzung der Energiestrategie sichert bis zu 80.000 Arbeitsplätze und schafft in den Bereichen Gebäudesanierung, erneuerbare Energien, Investitionen der E-Wirtschaft, dem Fernwärme- und Fernkälteausbau, energieeffiziente Produktion und Energieberatung zahlreiche neue Posten. Damit sind Investitionen in die Gebäudesanierung gefragter denn je.

Schätzungen der Energy Efficiency Financial Institutions Group gehen davon aus, dass in der EU jährlich 60 bis 100 Milliarden Euro für Gebäudeinvestitionen benötigt werden, um die europäischen Energieeffizienzziele von 2020 zu erreichen. Die laufenden Investitionen betragen dagegen weniger als die Hälfte dieser Anforderungen und sind fünf Mal niedriger, als es zur Einhaltung der Entkarbonisierungsziele für Gebäude bis 2050 nötig wäre.


Sanierungsmanagement

Sanierung ist ein Zukunfts-thema. Die BauAkademie Wien bietet daher mit der FH Burgenland den Masterlehrgang »Sanierungsmanagement«. Das Studienangebot richtet sich an Bauprofis mit mehrjähriger Berufserfahrung, die sich mit tiefgreifendem Fachwissen zum Sanierungsmanagement weiter qualifizieren wollen. Unter anderem werden die Themen Bauphysik, Betontechnologie, Wärmedämmverbundsysteme, Putzfassaden und gebäudetechnische Aspekte im Sanierungsmanagement behandelt.

Wärmezukunft 2050

Heizen ist für mehr als ein Drittel des österreichischen Energieeinsatzes und rund 20 Prozent des heimischen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Nach wie vor werden 60 Prozent der Wärme  aus fossiler Energie erzeugt. Die TU Wien zeigt in der Studie »Wärmezukunft 2050« auf, dass die Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung technisch möglich ist und wirtschaftlich sogar Vorteile bringt. Peter Püspök, Präsident des Dachverbandes Erneuerbare Energie Österreich: »Von den vier großen Energiebereichen Verkehr, Industrie,Strom und Wärme ist der Bereich Raumwärme die härteste Nuss der Energiewende.« Das eröffnet ein großes Potenzial für den Dämmmarkt und fordert verstärkt praxisgerechte Ausbildung.

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