Austrotherm muss sparen, tut das aber nicht bei der Nachhaltigkeit. Auch betriebsbedingte Kündigungen gibt es nicht. Und die nationalen und internationalen Wachstums- und Expansionspläne bleiben aufrecht. Wie das klappen kann, erklärt CEO Heimo Pascher im Interview.
Sie wurden vor etwas mehr als einem Jahr CEO von Austrotherm. Zum vermutlich schlechtesten denkbaren Zeitpunkt – die Baubranche ging gerade in die Knie. Wie ist es Ihnen damals mit der neuen Aufgabe gegangen?
Heimo Pascher: Ich war seit 2019 technischer Geschäftsführer bei Austrotherm. Ich hatte also das Glück, das Umfeld zu kennen. Die Krise hat auch nicht im Herbst 2023 begonnen, sondern im Jahr davor. Als ich die alleinige Verantwortung in der Geschäftsführung bekam, habe ich unmittelbar Maßnahmen eingeleitet, um der Krise entgegenzuwirken, weil rasch erkennbar war, dass das nichts ist, was schnell vorüber geht.
Welche Maßnahmen waren das?
Pascher: Vor der Krise ging es in erster Linie darum, wie man mehr produzieren kann. Die Kunden wollten immer größere Mengen in kurzer Zeit. Anlagen- oder Logistikkosten waren nicht so wichtig. Aber dann ist der Absatz zwischen 2022 und 2024 um rund 30 Prozent zurückgegangen. Deshalb stand Kostenmanagement an oberster Stelle.
Wo konnten Sie Einsparungen vornehmen?
Pascher: Wir haben beispielsweise die Ausgaben im Marketing, Instandhaltung und für Beratungsleistungen reduziert und wieder mehr selbst gemacht. Weiters haben wir die Flächennutzung im Werk optimiert und dadurch ein angemietetes Lager aufgelassen. Wir haben teilweise Stellen nicht nachbesetzt, aber es gab keine einzige betriebsbedingte Kündigung. Das hat sich positiv auf das Ergebnis ausgewirkt, und der Absatzrückgang und der harte Preiskampf konnten damit zumindest zum Teil abgefedert werden.
Wie werden Sie 2024 abschließen?
Pascher: Austrotherm ist in 13 Ländern tätig. Es gibt Länder, die Verlust machen werden und welche, die Gewinn machen werden. Als Gruppe werden wir positiv abschließen. In Österreich hoffen wir, die schwarze Null zu schaffen.
Trotz der schwierigen Lage wird laufend expandiert, aktuell vor allem in Südosteuropa wie Kroatien oder Griechenland. Ist das die aktuelle Wachstumsstrategie?
Pascher: Viele Unternehmen haben aktuell Schwierigkeiten. Wir bekommen fast jede Woche Angebote für Übernahmen. Das ist nicht von langer Hand geplant, aber wenn alles passt, schlagen wir zu. Die Chancen ergeben sich jetzt, da muss man schnell sein und agieren. Kroatien etwa ist ein sehr spannender Markt mit viel Potenzial. An der Küste wird viel gebaut, auch in den Städten gibt es nach wie vor viel Bedarf. Früher haben wir Kroatien von Bosnien aus beliefert, jetzt sind wir mit einem eigenen Werk vor Ort. Auch der griechische Markt läuft sehr gut, da gibt es viel Aufholbedarf in der thermischen Sanierung. Bei unseren Expansionen geht es auch um Synergieeffekte. Wir werden nicht in China oder den USA investieren, sondern in angrenzenden Ländern. Kroatien war eine Lücke am Balkan, Griechenland war ein komplett weißer Fleck.
Wir werden auch noch weiter wachsen. Es gibt noch regionale Potenziale in Ländern, in denen wir bereits sind, aber auch in Ländern, in denen wir heute noch nicht sind. Wir haben eine Strategie, aber keinen Druck. Wir machen keine verrückten Sachen, aber wenn sich eine Möglichkeit ergibt, prüfen wir sie.
Austrotherm-Eigentümer Robert Schmid hat kürzlich gemeint, dass die Klimaneutralität bis 2040 für die Branche nicht machbar ist. Wie sehen Sie das?
Pascher: Was ich an Robert Schmid sehr schätze, sind seine klaren Worte. Für mich zählt weniger, wann die Branche die Klimaneutralität erreicht, sondern dass wir als Austrotherm Schritt für Schritt Maßnahmen setzen, um bis 2030 30 Prozent CO2 pro produzierter Einheit einzusparen. Wir haben also ein klares Ziel und das wollen wir erreichen.
Werden diese Ziele auch in der Krise weiterverfolgt oder stehen auch Nachhaltigkeitsinvestitionen auf dem Prüfstand?
Pascher: Natürlich werden alle Ausgaben und Investitionen geprüft. Da kann es auch bei Nachhaltigkeitsinvestitionen zu Verzögerungen kommen. Aber gerade die Themen Recycling und Kreislaufwirtschaft sind für uns enorm wichtig. Wir haben unseren CO2-Fußabdruck schon 2020 analysiert. In den Bereichen Energie und Logistik bzw. Transport ist die Klimaneutralität nur eine Frage der Zeit. Die große Herausforderung liegt in den Rohstoffen, die wir einkaufen. Da sind wir zum einen auf unsere Lieferanten angewiesen, können aber auch selbst über die Kreislaufwirtschaft einen wesentlichen Teil beitragen. Wir sind da sicher Vorreiter in unserer Industrie. Wir haben schon vor zwei Jahren den XPS-Recyclingservice ins Leben gerufen. Dieses Jahr haben wir gemeinsam mit der gesamten österreichischen EPS-Industrie mit dem Projekt EPSolutely einen EPS-Recyclingservice für die Baustelle gestartet.
Die Branche steckt viel Zeit, Geld und Know-how in das Thema Nachhaltigkeit. Trotzdem ist kaum eine andere Branche so stark mit dem Vorwurf des Greenwashings konfrontiert, gerade auch in Ihrem Bereich. Stichwort: Erdöl an die Wand klatschen. Wie gehen Sie mit diesem Vorwurf um?
Pascher: Ich bin sehr froh, dass Sie dieses Thema ansprechen. Das Image von EPS ist viel schlechter als die Faktenlage. Wir brauchen echte Lösungen und kein Hochglanzprospekt mit Bildern von schönen Wäldern. Mit den Recyclingservices haben wir diese Lösungen entwickelt, die auch auf der Baustelle ankommen. Außerdem sorgen wir schon dafür, dass es in der Produktion keinen Abfall gibt. Die Königsdisziplin ist der Abbruch, aber auch da arbeiten wir dran und werden in Kürze Lösungen vorweisen können. Dann wird sich ähnlich wie bei der PET-Flasche zeigen, dass sich EPS hervorragend für Recycling eignet. Da EPS kein Verbundmaterial ist, ist das Recycling deutlich einfacher als bei den meisten anderen Dämmstoffen. Wir werden demnächst auch über eine neue Recyclinganlage berichten, die wir aktuell für den Standort Purbach konzipieren. Damit können wir auch stark verunreinigtes EPS und XPS aufbereiten.
Weil Sie die PET-Flasche erwähnt haben. Die hat auch lange Zeit einen sehr schlechten Ruf gehabt. Wie wollen Sie in den Köpfen der Menschen verankern, dass EPS besser ist als sein Ruf?
Pascher: Das ist tatsächlich eine Herausforderung, aber ich habe mich schon in meiner Doktorarbeit mit der ökologischen Bewertung von Systemen beschäftigt. Und da schneidet EPS hervorragend ab. EPS besteht zu 98 Prozent aus Luft und nur zu zwei Prozent aus Erdöl, aber das wissen viele Leute nicht. Damit wir damit zum Endverbraucher durchkommen, müssen wir das Thema Kreislaufwirtschaft lösen. Das ist wie beim Papier und eben auch bei der PET-Flasche. Das wird zum Gamechanger. Der beste Einsatzzweck für Erdöl ist, Dämmstoffe herzustellen und damit das hundertfache an Öl, Energie und Emissionen einzusparen.
Was fordern Sie von der zukünftigen Bundesregierung?
Pascher: Wir brauchen auf jeden Fall ein Programm, das Wachstum fördert. Wenn wir das nicht haben, werden wir das dritte Rezessionsjahr erleben. Nur wenn wir Wachstum haben, werden die Einnahmen für den Staat steigen.
Wie sollen diese Maßnahmen aussehen?
Pascher: Es muss auf jeden Fall Förderungen für den Neubau geben. Und dafür braucht es leistbare Kredite. Denn das hat die Krise im Wohnbau ja erst richtig befeuert. Eine neue Regierung muss hier Lösungen finden. In Polen etwa gab es ein Programm, durch das jeder, der seinen ersten Wohnraum erwerben wollte, einen Kredit mit 1,5 oder zwei Prozent bekommen hat. Das hat die Bauwirtschaft enorm angekurbelt. Das gilt auch für die Sanierung. Dazu kommt, dass durch die hohen Lohnabschlüsse der letzten Jahre die Lohnstückkosten enorm gestiegen sind. Ein Weg, um im Wettbewerb mit den Nachbarländern bestehen zu können, wäre, die Lohnnebenkosten zu senken. Österreich war noch nie ein Billiglohnland. Aber jetzt ist die Schere noch mehr aufgegangen.
Wordrap
Wie würden Sie sich selbst als Führungskraft beschreiben?
Ich bin ein sehr überlegter, strukturierter Mensch, dem auch das Miteinander sehr wichtig ist und der für einen Spaß immer zu haben ist.
Meine Devise oder Lebensmotto lautet:
Da fallen mir zwei ein. Das eine ist: »Geht nicht, gibt’s nicht«. Und das andere beschreibt mich als Mensch glaube ich sehr gut: »In der Ruhe liegt die Kraft«.
Dinge, ohne die ich nicht leben möchte?
Ich hänge zwar nicht sehr an materiellen Dingen, aber Sportequipment kommt dem wohl am Nächsten, weil ich überzeugt bin, dass Sport mein lebenslanger Begleiter sein muss.
Zur Zeit lese ich?
Beruflich muss ich sehr viel lesen. Aber am Abend lese ich derzeit jeden Tag ein anderes Pixi-Buch mit meinen Töchtern.