Montag, Dezember 23, 2024

Auch wenn Mitarbeiter künftig nur noch gefunden werden wollen – vorerst müssen sie sich noch bewerben. Die Digitalisierung der Personalsuche ist voll im Gange. Social Media spielen eine nicht unwichtige Nebenrolle: bei der Überprüfung der Kandidaten.

Viel wurde über die Generation Y bereits geschrieben: Lauter junge, gut ausgebildete, vielseitig interessierte, aber nicht ganz pflegeleichte Menschen sollen es sein. Trotzdem – wer möchte die nicht im Unternehmen haben? Um die Besten unter ihnen tobt der »War of Talents«. Sie brauchen gar nicht erst mühevolle Assessmentcenter absolvieren, sondern werden direkt von der Uni abgeworben. Jenen, die sich wegen weniger anspruchsvoller Qualifikationen oder fortgeschrittenen Alters nicht zu den so heiß Umworbenen zählen können, bleibt – Fachkräftemangel hin oder her – nach wie vor die traditionelle Tour de Force durch die Bewerbungsinstanzen.

Obwohl: So traditionell läuft das Suchen und Finden längst nicht mehr ab. Nicht nur Online-Karriereportale, auch viele Unternehmen haben ihre Personalsuche digitalisiert. Ausbildungswege, Karriereverläufe, Zeugnisse und Foto werden online in das standardisierte Formular geladen. Wortgewandte Anschreiben sind unerwünscht, allenfalls ein kurzes Motivationsschreiben wird akzeptiert. Auf dicke Bewerbungsmappen, für deren Erstellung früher ganze AMS-Kurse abhalten wurden, legt niemand mehr Wert. Auf eine individuelle Note allerdings auch nicht. Die kann man erst im persönlichen Bewerbungsgespräch einbringen – so man überhaupt eingeladen wird.

Partyfotos überbewertet

Davor gilt es eine wichtige, neue Hürde zu umschiffen: Social Media. Zwar spielen soziale Netzwerke wie Facebook, Xing oder LinkedIn als Suchkanäle noch eine untergeordnete Rolle, fast jeder zweite Personalist bezieht jedoch die persönlichen Profile der Bewerber in die Entscheidung ein. Das ergab eine Studie des deutschen Bundesverbandes der ITK-Branche Bitkom, für die 408 Personalverantwortliche in Unternehmen ab 50 Mitarbeitern befragt wurden. Die beruflichen Profile auf Xing und LinkedIn stehen im Fokus. 89 % der Entscheider achten hier zunächst auf fachliche Qualifikationen und Kommentare zu fachspezifischen Themen. 56 % legen zudem ihr Augenmerk auf öffentliche Äußerungen zum Unternehmen und Mitbewerbern. »Profile in sozialen Netzwerken sind oft aussagekräftiger als eine kurze Bewerbung. Deshalb werden Personalabteilungen künftig noch häufiger darauf zurückgreifen, um sich ein Bild von Kandidaten zu machen«, sagt Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder.

Ralf Tometschek

»Lassen Sie die Mitarbeiter wirklich zu Wort kommen - ohne Spickzettel aus der Kommunikationsabteilung.«

Ralf Tometschek, Identitäter

Nur für 24 % der Unternehmen sind auch die eher privat genutzten Netzwerke Facebook und Twitter von Interesse. 34 % klicken sich durch Fotos. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen: 15 % der Personalchefs haben bereits Bewerber aufgrund ihres Social-Media-Auftritts ausgesiebt. Fast zwei Drittel checken die Profile, bevor sie Kandidaten zum Vorstellungsgespräch bitten. Ein Drittel stieß dabei auf inkompetente fachliche Postings, 6 % auf beleidigende Äußerungen. Überraschend gelassen bewerten die Personalverantwortlichen ausschweifende Partyfotos und Kommentare, die auf die politische Weltanschauung der Bewerber schließen lassen.

Wilde Feste am Wochenende bedeuten nicht, dass ein Mitarbeiter am Montag desavouiert zur Arbeit erscheint oder Aufgaben weniger gewissenhaft erledigt – das wissen auch Personalchefs. Ein negativer Beigeschmack bleibt dennoch: Schließlich könnten Bewerber ihr Social-Media-Profil ja auf ebenso professionelle Weise managen, indem sie mit ein paar einfachen Klicks im Einstellungsmodus ihre Privatsphäre schützen. Alles Private zu eliminieren ist aber gar nicht notwendig. Einige Aktivitäten, etwa ehrenamtliche Tätigkeit bei der örtlichen Feuerwehr, die Teilnahme bei einem Laufevent oder bei einer Aufführung der Theatergruppe, kommen in den Personalabteilungen sogar gut an, zeigen sie doch viel anschaulicher, welche Persönlichkeiten und Interessen sich hinter den Bewerbungsbögen verbergen.

Als Bittsteller behandelt

Dass allzu sorgloser Umgang mit der Online-Reputation nicht unbedingt karrieredienlich ist, hat sich bei den meisten Arbeitnehmer bereits herumgesprochen. Die Unternehmen dagegen könnten sich diesbezüglich einiges abschauen. Schlecht gewartete Websites, auf denen nicht einmal die aktuellen Stellenangebote gelistet sind, und fehlende Kontaktmöglichkeiten zeugen von einem Kommunikationsverständnis, das in der Steinzeit steckengeblieben ist.

Dazu kommt die weit verbreitete Unsitte, auf Bewerbungen keine Rückmeldung zu geben. Kandidaten werden in vielen Betrieben noch immer als Bittsteller abgekanzelt. Die herausfordernde Frage »Warum sollten wir gerade Sie einstellen?« grenzt geradezu an Realitätsverweigerung. High Potentials und qualifizierte Fachleute lassen sich auf diese Weise jedenfalls nicht gewinnen. Wer es sich aussuchen kann, geht zu Unternehmen, die mit ihren Mitarbeitern auf Augenhöhe und wertschätzend kommunizieren.

»Social Recruiting ist keine Modeerscheinung. Was Unternehmen fehlt, sind aber einfache Lösungen.«

Barbara Riedl-Wiesinger, Monster Worldwide

Die Annahme, aufwendige Recruiting-Prozesse durch eine Schaltung auf Online- oder Social-Media-Plattformen vereinfachen zu können, ist jedenfalls ein Irrglaube. Die direkte Kontaktaufnahme mit einer Vielzahl potenzieller Kandidaten ohne kostspielige Inserate in Printmedien klingt wahrlich verlockend. Ein Profil ist rasch aufgesetzt, dessen Pflege kann aber nicht nebenbei erledigt werden, wie sich bald herausstellt. Viele Unternehmen unterschätzen zudem den personellen und zeitlichen Aufwand des aktiven Dialogs, der von den Bewerbern eingefordert wird. »Gerade viele kleine und mittelständische Unternehmen verfügen oftmals nicht über ausreichend personelle Ressourcen, um einerseits die große Anzahl an Bewerbungen zu bewältigen und gleichzeitig auf den sozialen Kanälen mit Bewerbern zu interagieren«, erklärt Sven Hennige, Senior Managing Director Central Europe beim Personaldienstleister Robert Half.

Der professionelle Einsatz von Social Media ist jedoch meist eine Kostenfrage. 69 % der österreichischen Unternehmen steht dafür kein eigenes Budget zur Verfügung, wie die Beraterin Eva Zils 2014 in einer Studie für die DACH-Region erhob: »Im Ländervergleich fällt jedoch auf, dass die Österreicher mit dem nicht vorhandenen Budget die besten Ergebnisse im Social Recruiting erzielen.« Überwiegend wird Social Media jedoch für Employer Branding und Personalmarketing eingesetzt.

Innovative Ideen

Unternehmen auch beim »Active Sourcing« zu unterstützen, hat sich das Online-Karriereportal Monster mit einem erweiterten Produktportfolio zum Ziel gesetzt. »Social Recruiting ist schon lange keine zeitlich begrenzte Modeerscheinung mehr, sondern sinnvoller und notwendiger Teil einer zukunftsorientierten Personalplanung. Was Unternehmen jedoch häufig fehlt, sind einfache Lösungen«, sagt Barbara Riedl-Wiesinger, Country Managerin von Monster Worldwide Austria.
Mit den Monster Twitter Cards können Personalabteilungen beispielsweise ihre Stellenangebote interaktiv verbreiten. Diese Job-Tweets enthalten alle wichtigen Informationen und sind mit der Unternehmensseite verlinkt. Über das Kandidaten-Management-Tool Monster Talent CRM können komplette Kampagnen mit Jobangeboten erstellt und gezielt an potenzielle Bewerber aus der Monster-Datenbank versandt werden. Anhand von Suchkriterien legen die Recruiter selbst den gewünschten Kandidatenkreis fest und sprechen Interessenten direkt an.  Die individuell gestaltbare Monster-Karriereseite lässt sich in den bestehenden Webauftritt des Unternehmens integrieren oder als eigenständige Landingpage nutzen. Optional übernimmt Monster auch das Hosting. »Ob die Talente aktiv oder passiv Job suchend oder ob sie international, bundesweit oder regional zu finden sind – wir ermöglichen es unseren Kunden, diese Talente zu identifizieren und anzusprechen«, erklärt Riedl-Wiesinger.

Noch einen Schritt weiter geht der deutsche Automobilkonzern Daimler. In einem Pilotprojekt nutzte das Unternehmen den Nachrichtendienst WhatsApp als Recruiting-Tool. Daimler-Trainee Edith postete einen Tag lang über ihren Berufsalltag – Fotos vom Pastabuffet in der Kantine inklusive. Parallel beantwortete sie Fragen über ihren Job und die bisherigen Erfahrungen als Mitarbeiterin. Kollegen aus dem Daimler Career-Team unterstützten mit Hintergrundinformationen zu Jobeinstieg und Karrieremöglichkeiten.

Via Facebook konnten sich 100 Interessierte vorab für den Gruppenchat registrieren und die Mitarbeiterin durch den Betrieb begleiten. Nach Angaben des Unternehmens gingen weit mehr Anmeldungen ein. »Die Aktion war ein voller Erfolg«, bestätigt Katrin Adt, Vice President HR Development der Daimler AG. »Damit gehen wir als Unternehmen auf potenzielle Bewerber zu und orientieren uns an den Trends und Erwartungen der Digital Natives.« Die innovative Idee wurde mit dem »Employer Branding Award 2015« ausgezeichnet. Die Jury hob das Projekt als »besonders kreativ und auf die Bedürfnisse und Kommunikationsgewohnheiten der Bewerber zugeschnitten« hervor. Was als Testballon startete, soll sich als dauerhafter Kommunikationskanal etablieren. Mindestens einmal pro Monat geben Mitarbeiter Einblicke in ihren Arbeitsalltag.

Ungewollt lächerlich

Auch wenn im modernen Personalwesen künftig an Social Media kein Weg vorbeiführt, die Patentlösung für alle sind sie keinesfalls. Momentan fah­ren viele Betriebe mit klassischem Recruiting noch recht gut – hinsichtlich der Kostenfrage, aber auch, was die geforderte Transparenz betrifft. Die neue Offenheit hat meist ihre Grenzen, wenn es für das Unternehmen unangenehm wird. Schwächen und Probleme verbreiten sich in sozialen Netzwerken rasant. Selbst ein gut gemeinter, jedoch ungewollt lächerlich wirkender Imagefilm, in dem dilettantische Akteure eingelernte Floskeln aufsagen, ungelenkig tanzen oder singen, kann einen Strom von Spott und Häme oder auch kreative Persiflagen im Netz nach sich ziehen – allerdings auch Bewerber abschrecken.

Zu mehr Authentizität rät Ralf Tometschek von der Wiener Agentur Identitäter: »Umschreiben Sie Ihren Fokus auf Menschen mit glaubhaften Worten und lassen Sie die Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen wirklich zu Wort kommen – ohne Spickzettel aus der Kommunikationsabteilung.« Er hält die Kombination aus der Floskel »Mensch im Mittelpunkt« und »seelenlosen Stockfotos« für besonders entlarvend: »Vertrauen Sie lieber auf die Individualität Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und inves-tieren Sie in ein professionelles Foto-Shooting.« Die Zürcher Verkehrsbetriebe setzten beispielsweise ihre »unsichtbaren Talente« wirkungsvoll in Szene.

Der Grat zwischen sympathischer Darstellung und peinlicher Selbstbeweihräucherung ist allerdings schmal, wie BMW schmerzhaft feststellen musste. Der »Steh auf«-Rap mit schiefen Reimen à la »Siehst du nicht den Sinn, mit ’nem Praktikum bei BMW kannst du nur gewinn’« wurde 2012 zum schlechtesten Web-Video des Jahres gewählt und ist bis heute ein vielgeklickter Youtube-Hit. Für beide Seiten, Bewerber wie Unternehmen, gilt somit: Der Blick in Social Media kann einen ersten Eindruck bestätigen oder ins Gegenteil umkehren, aber keinesfalls das persönliche Gespräch ersetzen. Ob ein Kandidat ins Team passt, wie sein Auftreten ist und wie er in Stresssituationen reagiert, zeigt sich erst beim »analogen« Händedruck.


 

Tipps für Unternehmen

Präsenz: Unternehmen, die nicht in sozialen Netzwerken oder überhaupt im Internet vertreten sind, »gibt es nicht«, d.h. sie werden in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen. Stichwort Employer Branding: Die virtuelle »Visitenkarte« ist beim Werben um junge, qualifizierte Mitarbeiter der erste Angelpunkt. Die Website muss für mobile Endgeräte optimiert sein.

Frequenz: Verwaiste Kanäle, auf denen seit Monaten kein Beitrag erschienen ist, und Websites, auf denen nicht einmal die eigenen Stellenangebote aktualisiert und verlinkt sind, wirken nicht sehr einladend und zeigend deutlich, dass das moderne, kommunikative Image nur aufgesetzt ist.

Wahl der Plattform: Je nach gewünschter Zielgruppe sollte ein geeigneter Kanal gewählt werden – für ein breites Kandidatenspektrum große Internet-Jobbörsen, für bestimmte Branchen Spezialbörsen, für Absolventen und Berufseinsteiger Uni-Plattformen und soziale Netzwerke.

Formulierung: Die Stellenanzeige muss ansprechend und angepasst an den Kommunikationsstil des Corporate Blogs formuliert sein. Hohle, austauschbare Textbausteine schrecken ab und sagen meist nichts Konkretes über den Job aus. Idealerweise verfassen Recruiter und Kommunikatoren die Ausschreibung gemeinsam.

Gestaltung: Optisch und sprachlich sollte die Stellenanzeige so hervorstechen, dass Interessenten sie gerne teilen. Kurze Videoclips oder Fotos können die Aufmerksamkeit zusätzlich erhöhen und einen ersten Einblick ins Unternehmen geben.

Verlinkung: Stellenangebote sollten direkt mit der Unternehmenswebsite und dem Corporate Blog verknüpft sein. Potenzielle Bewerber erhalten auf diesem Weg vertiefende Informationen über die ausgeschriebene Stelle.

Kontakt: Transparente Kommunikation ist in den sozialen Netzwerken das A und O. Die Stellenanzeige muss alle notwendigen Kontaktdaten enthalten. Bewerber rechnen mit einer zeitnahen Antwort auf den angeführten Kanälen. Konkrete Ansprechpartner müssen auch tatsächlich für Anfragen zur Verfügung stehen.

 

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