Österreichs Familienunternehmen mangelt es an Nachfolgern: Studenten aus familiengeführten Unternehmen wollen lieber woanders Karriere machen oder selbst gründen, nur jeder hundertste potentielle Nachfolger will nach seinem Hochschulabschluss in den Familienbetrieb eintreten - damit gehört Österreich weltweit zu den Schlusslichtern.
Österreich ist ein Land der Familienunternehmen: Insgesamt sind rund 80 Prozent der heimischen Betriebe in Familienbesitz, die etwa 70 Prozent aller Arbeitnehmer beschäftigen. Für viele Familienunternehmen wird die Suche nach Nachfolgern jedoch zunehmend schwieriger: Die Mehrheit der Studenten aus Unternehmerfamilien will lieber Karriere außerhalb des eigenen Betriebs machen.
Nicht einmal jeder hundertste potenzielle Nachfolger (0,9 %) will direkt nach dem Abschluss in den Familienbetrieb eintreten. Damit gehört Österreich zu den weltweiten Schlusslichtern. Selbst nach einer fünfjährigen Pause können sich hierzulande nur 3,4 Prozent vorstellen, im Familienunternehmen mitzuarbeiten. Der weltweite Durchschnitt liegt bei 4,9 Prozent, nur in Schottland, Dänemark, Israel und den USA ist die Lust auf eine Karriere im Familienbetrieb geringer. Grundsätzlich kann sich ein Fünftel (19,7 %) der potenziellen Nachfolger weltweit vorstellen, im Familienbetrieb zu arbeiten.
Das sind die Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY in Zusammenarbeit mit dem „Center for Family Business“ der Universität St. Gallen, bei der über 34.000 Studenten an 750 Universitäten in 34 Ländern zu ihren Berufsplänen befragt wurden. In Österreich nahmen 1.500 Studenten – davon ein Drittel aus Familienunternehmen – an 34 Universitäten an der Umfrage teil.
Johannes Volpini, zuständiger Partner für den Bereich „Family Business“ bei EY Österreich: „Familienunternehmen kämpfen momentan mit der Herausforderung, ihren Nachwuchs davon zu überzeugen, im familieneigenen Unternehmen zu arbeiten und dieses irgendwann auch zu übernehmen. Das liegt einerseits an den speziell in Ländern mit guter Konjunkturentwicklung immer vielfältigeren Karrieremöglichkeiten. Andererseits wollen sich immer mehr potenzielle Nachfolger nicht einfach ins gemachte Nest setzen, sondern sich zuerst außerhalb des eigenen Familienbetriebs beweisen.“
Aus Sicht von Johannes Volpini birgt diese Entwicklung Risiken und Chancen: „Es kann für einen Familienbetrieb nur von Vorteil sein, wenn die Nachfolger zuerst Erfahrungen auf fremdem Terrain gesammelt haben. Wenn sie dann nach ein paar Jahren in das Unternehmen der Familie einsteigen, können sie neue wertvolle Impulse einbringen. Allerdings müssen sich Familienunternehmen auch der Gefahr bewusst sein, dass ihre Nachfolger generell eine Laufbahn außerhalb des eigenen Betriebs anstreben und die nächste Generation für eine Übergabe einfach wegfällt. Auch innerhalb der eigenen Familie braucht es Überzeugungsarbeit und eine frühzeitige Weichenstellung, damit die nächste Generation das Unternehmen marktfähig weiterführen kann.“
Anstellung in Konzern und Unternehmensgründung attraktiver als Familienbetrieb
Nur die wenigsten Studenten aus Unternehmerfamilien wollen nach ihrem Hochschulabschluss sofort im Familienbetrieb mitarbeiten. Im Anschluss an das Studium möchte der Großteil (22,7 %) in einem großen Unternehmen bzw. Konzern tätig sein. Insgesamt streben fast 60 Prozent ein Angestelltenverhältnis in der Privatwirtschaft an, nur 3,5 Prozent wollen direkt von der Hochschulbank in den Familienbetrieb wechseln. Anders sieht das Bild hingegen aus, wenn Studenten nach ihren Berufsplänen fünf Jahre nach dem Abschluss gefragt werden: Die Mehrheit (34,7 %) gibt dabei an, selbst ein Unternehmen gründen zu wollen.
Dazu EY-Partner Johannes Volpini: „Offensichtlich färbt der unternehmerische Spirit der Eltern auch auf die jüngere Generation ab – allerdings anders, als es für Familienunternehmen wünschenswert ist. Sicher auch inspiriert durch die Erfahrungen der eigenen Familie, will mehr als ein Drittel der Studenten fünf Jahre nach dem Hochschulabschluss selbst ein Unternehmen gründen, während nur knapp fünf Prozent im eigenen Familienunternehmen mitarbeiten wollen. Um den durchaus ausgeprägten Drive der jungen Generation in Richtung Entrepreneurship auf den familieneigenen Betrieb zu kanalisieren, müssen die Eigentümer potenziellen Nachfolgern Gestaltungsmöglichkeiten einräumen und die richtige Balance zwischen Entfaltung und Fortführung des Kerngeschäfts finden.“
Auffällig: Je größer das Familienunternehmen, desto eher ist die Nachfolgegeneration bereit, schon in jungen Jahren mitzuarbeiten. Bei Unternehmen mit zwei bis fünf Mitarbeitern wollen nur 5,2 Prozent spätestens fünf Jahre nach dem Hochschulabschluss einsteigen, bei jenen mit mehr als 100 Mitarbeitern immerhin 16,3 Prozent. Auch eine gute finanzielle Performance wirkt sich positiv auf die Bereitschaft, im Familienunternehmen mitzuarbeiten, aus.
Wie stark ausgeprägt der Wunsch nach einer Beschäftigung im Unternehmen der eigenen Familie ist, hängt auch von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen am Standort ab. Johannes Volpini: „Je höher die Wirtschaftsleistung eines Landes ist, desto geringer ist das Interesse an einer Mitarbeit im Familienunternehmen. In wirtschaftlich schwächeren Ländern ist der Einstieg in den familieneigenen Betrieb oft die einzige Karrieremöglichkeit. In prosperierenden Volkswirtschaften haben Studenten aber deutlich mehr Alternativen. Speziell in diesen Ländern macht es keinen Sinn, die Nachfolgegeneration durch Druck in den Familienbetrieb zu zwängen – viel wichtiger ist es, Karriereperspektiven aufzuzeigen.“
Männer wollen eher in den Familienbetrieb einsteigen
Wie eine weitere kürzlich veröffentlichte EY-Studie zeigt, setzen sich Familienunternehmen überdurchschnittlich stark für Frauen in Führungspositionen ein – 70 Prozent der weltgrößten Familienunternehmen können sich vorstellen, eine Frau zum nächsten CEO zu machen. Trotzdem suchen potenzielle Nachfolgerinnen eher nach Karrieremöglichkeiten außerhalb des Familienbetriebs: Unabhängig von der Studienrichtung ist der Anteil von Frauen, die sich einen Einstieg vorstellen können, um ein Viertel geringer als jener der Männer. Johannes Volpini: „Frauen sehen ihre berufliche Zukunft deutlich seltener im familieneigenen Betrieb als Männer. Das lässt sich einerseits dadurch erklären, dass es in vielen Fällen immer noch Usus ist, die Nachfolge gemäß dem Erstgeburtsrecht zu regeln – der älteste Sohn übernimmt automatisch den Betrieb. Dazu kommt, dass männliche Studenten deutlich selbstbewusster bei der Einschätzung ihrer unternehmerischen Fähigkeiten sind und Entrepreneurship als weniger riskant einstufen.“ Auch das Geschlecht des Familienmitglieds, das momentan am Ruder des Unternehmens ist, beeinflusst die Nachfolge: Sowohl männliche als auch weibliche Nachfolger sind eher bereit, in das Unternehmen einzusteigen, wenn es vom Vater geleitet wird. Am größten ist die Bereitschaft aber, unabhängig vom Geschlecht, wenn sich beide Elternteile im Unternehmen engagieren.