Der geförderte Breitbandausbau in Österreich steht vor der Tür und trotzdem fühlen sich lokale Internetanbieter im Stich gelassen. Betriebe in den Regionen leiden nach wie vor unter einer mangelnden Infrastruktur.
Die Informations- und Kommunikationstechnologien nehmen heute eine volkswirtschaftlich überlebenswichtige Rolle ein und sind Treiber für Wachstum und Standortsicherheit – kaum eine Branche, die nicht auch Breitband benötigt. Privat ist der Bedarf nach den dicken Leitungen nicht anders. Laut Statistik Austria hatten 2014 knapp 80 % der Haushalte Zugang zum Internet, davon neun von zehn auf Breitbandbasis. Doch die Anforderungen an die Leitungsinfrastruktur wachsen laufend. Die steigende Bildqualität auf Websites, Videoportale, Streaming, der Datenhunger vieler Anwendungen und auch eine zunehmend vernetzte Industrie fordern ihren Tribut.
Unternehmen abseits der urbanen, infrastrukturell meist gut ausgestatteten Ballungsräume leiden seit Jahren in ihrer Agilität in der Datenwelt ebenso wie in der Attraktivität am Arbeitsmarkt. Abhilfe soll nun ein lang ersehntes Förderprogramm der Regierung schaffen. In den kommenden Jahren wird eine Milliarde Euro für den IKT-Infrastrukturausbau in Österreich ausgeschüttet – querfinanziert durch eine Frequenzauktion 2013, in der die Mobilfunker zur Ader gelassen worden waren. Rund die Hälfte dieses Erlöses wird nun in mehreren Tranchen an den Markt zurückgegeben, letztlich um auch Vorgaben auf EU-Ebene zu erfüllen.
Für Mai ist der Start des ersten Teils des Breitbandausbaus mit der Vergabe der Förderung für Leerverrohrungen geplant (Update der Redaktion: https://www.bmvit.gv.at/presse/aktuell/nvm/2015/20150528OTS0119.html). Als Förderwerber kommen Gemeinden, Kommunalgesellschaften und private Infrastrukturerrichter in Frage. Vor allem Gemeinden sollen ermutigt werden bei Bauprojekten gleich die Leerverrohrung mitzuverlegen. Möglich wird damit das »Einblasen« von Datenkabeln zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Bruchteil der Kosten, die neuerliche Grabungsarbeiten verursachen würden. Nach einer Notifizierung durch die Europäische Union sollen im Herbst dann die beiden weiteren Schwerpunkte des Ausbauprogramm beginnen: »Access« und »Backhaul«. Im Fokus hier ist der Ausbau bestehender Infrastruktur in Gebieten, in denen auf Basis einer Bedarfs-erhebung, die derzeit durchgeführt wird, keine oder zu geringe Versorgung besteht. Insgesamt werden 300 Millionen Euro aus der Breitbandmilliarde heuer ausgeschrieben. Bis 2018 sollen 70 % der Haushalte mindestens »ultraschnelle Breitband-Hochleistungszugänge« erhalten – »ultraschnell« bedeutet in Österreich 100 Mbps (Megabits per second). 2020 soll eine nahezu flächendeckende Versorgung erreicht sein.
Uneinig sind sich im Vorfeld freilich Bund, Bundesländer, Kommunen und Unternehmen, wie die Milliarde bestmöglich und fair verteilt werden sollte. Die Befürchtungen könnten unterschiedlicher nicht sein. Kleinere Provider sehen sich den großen Unternehmen gegenüber benachteiligt. Die Bundesländer wollen die Suppe selbst aus dem Topf löffeln, und der Bund wiederum ein konzertiertes Vorgehen zentral sicherstellen. Einig sind sich aber alle: Der Ausbau ist dringend notwendig.
Bedarf wächst schnell
»Die fehlenden Breitbandangebote heute tun allen weh, vor allem den größeren Arbeitgebern in den Regionen. Um an Trends wie Industrie 4.0 teilhaben zu können, brauchen sie die Infrastruktur«, erklärt Martin Zandonella, Berufsgruppensprecher IT der Wirtschaftskammer Österreich. »Dies betrifft auch den Tourismus. Betriebe schneiden bei den Bewertungen der Gäste schlechter ab, wenn sie keine entsprechende Bandbreiten bieten können.« Jene Betriebe, die bereits vor zehn Jahren über fehlende Bandbreiten geklagt hätten, tun dies heute noch. Zwar haben sich die Leitungen seit damals verbessert, doch ist der Bedarf noch schneller gewachsen, die Schere damit weiter auseinander gegangen. Zandonella weiß, wovon er spricht: Er ist in seinem Brotberuf Geschäftsführer des IT-Providers Net4You und kennt das rasante Wachstum des Datenverkehrs aus erster Hand. Der Experte bezweifelt, dass 100 Mbps über das Jahr 2020 hinaus ausreichend sind. »Wir haben 1995 mit 14.400 kbps begonnen und waren froh, wenn wir das erreichen konnten. Heute haben wir bereits Anforderungen von 100 Mbps symmetrisch bei einzelnen Kunden. Es ist nur logisch, dass in den kommenden Jahren Bandbreiten im Gigabit-Bereich gefragt sein werden.«
Freilich: Mit Glasfaserleitungen zugepflastert muss Österreich dennoch nicht von heute auf morgen werden. Gerade für den ländlichen Raum eignen sich komplementäre Technologien in Ergänzung zu kräftigen Backbone-Leitungen als Überbrückung. »Wir müssen jede Möglichkeit nutzen, dort wo aufgegraben wird, Leerverrohrungen mit zu verlegen.«
Infrastrukturanbieter im Gespräch:
»Neutrale Infrastruktur wäre besser gewesen«
Manuel Urbanek, Geschäftsführer www.funknetz.at mit Sitz in Wien
(+) plus: Seit wann bieten Sie Internetzugangsservices an und in welchem Gebiet?
Manuel Urbanek: Wir tun dies seit 1999 in Wien und Umgebung sowie in Teilen Niederösterreichs und an vielen Stationen entlang der österreichischen Autobahnen in fast allen Bundesländern. Derzeit betreuen wir rund 500 Geschäftskunden sowie den Wholesales-Markt. Dort liefert funknetz.at Leitungskapazitäten an andere Provider.
(+) plus: Wie schätzen Sie die Situation für Internetanbieter in Österreich ein?
Urbanek: Die Rahmenbedingungen haben sich extrem verschlechtert. Mit der Konsolidierung des Marktes ist am Ende wieder nur ein großes Unternehmen übrig geblieben: A1 Telekom – die nicht mehr in österreichischer Hand ist, sondern durch einen mexikanischen, rein gewinnorientierten Konzern geleitet wird. Am Ende dieser Entwicklungen wird dies Nachteile für den österreichischen Wirtschaftsstandort haben, da – wie wir alle wissen – Investitionen in Infrastruktur nicht immer von Anfang an wirtschaftlich sind.
(+) plus: Was erwarten Sie sich durch die Breitbandmilliarde? Wie sollte diese Förderung aus Ihrer Sicht gehandhabt werden?
Urbanek: Wir erwarten uns nichts vom neuen Fördertopf. Dieser wird meiner Meinung nach nur verwendet, um einen Teil der Frequenzauktionen zurückzubezahlen. Meine Idee: Man hätte durch solche Förderungen gezielt in Gebiete investieren müssen, indem man eine netzneutrale Infrastruktur aufbaut, in die sich jedes Telekomunternehmen einmieten kann. Verwaltet müsste dies durch eine vom Staat beauftrage Firma werden, die den Netzbetrieb übernimmt. Zuletzt fehlt mir bei den Konzepten auch ein wesentlicher Punkt: Wie wird der laufende Betrieb finanziert? Punkte wie Mehrwerte, Location-Based-Services und ähnliches wurden nicht berücksichtigt.
»Lächerliche Summe für Österreich«
Josef Mayerhofer, Geschäftsführer WVNET mit Sitz in Zwettl
(+) plus: Seit wann sind Sie mit Internetzugangsservices tätig und in welcher Region?
Josef Mayerhofer: WVNET wurde 1996 gegründet. Zweck des Unternehmens ist die Versorgung des Waldviertels mit hochqualitativen Internetprodukten. Wir haben an zwölf Standorten Wählämter entbündelt. Die Gemeinden St. Martin, Großschönau und Badgroßpertholz verfügen über ein gemeindeeigenes Glasfasernetz. WVNET bietet in diesem Netz Internet- und Telefoniedienste an. Weiters gibt es WVNET noch in den Kabelnetzen in Gars, Zwettl und Gmünd.
(+) plus: Wieviele Breitbandkunden haben Sie?
Mayerhofer: Wir haben derzeit rund 1.500 Breitbandkunden, über die Kabelnetze kommen noch zirka 500 dazu.
(+) plus: Wie schätzen Sie die Si-tuation für Internetanbieter in Österreich ein?
Mayerhofer: Als regionaler Anbieter schätzen unsere Kunden vor allem die persönliche Betreuung . Das Grundproblem ist die Preisentwicklung. Wir bieten seit über zehn Jahren Breitbandprodukte. In dieser Zeit sind die Preise gleich geblieben, die anderen Kosten sind aber laufend gestiegen.
(+) plus: Was erwarten Sie sich von der Förderung des Infrastrukturmarktes durch die Breitbandmilliarde?
Mayerhofer: Eine Milliarde ist für ganz Österreich eine lächerliche Summe. Das Geld sollte ausschließlich in Gebieten investiert werden, die von den Großkonzernen bisher nicht einmal ignoriert wurden.