Montag, Dezember 23, 2024

Wer gestalten will, muss in Bewegung bleiben. Das gilt insbesondere für Unternehmen. Wie die Förderung kognitiver und emotionaler Fähigkeiten als Hebel zu Verbesserung und Gestaltung eingesetzt werden kann, stand im Mittelpunkt des 21. qualityaustria-Forums.

Von Angela Heissenberger aus Salzburg

»Chancen nutzen und Probleme einfach lösen« – wer strebt das nicht an?

Allein, die Praxis zeigt, »einfach« ist gar nichts. Das 21. qualityaustria-Forum näherte sich dem diesjährigen Tagungsthema in recht unterschiedlichen Zugängen. Die hochkarätigen Referenten waren sich dennoch in einem Punkt einig: Gute Vorbereitung, Begeisterung und klare Entscheidungen sind wichtige Ingredienzien auf dem Weg zu Verbesserung und Weiterentwicklung. Mit knapp 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, darunter viele Gäste aus Deutschland, der Schweiz und vielen anderen europäischen Ländern, ist die Konferenz im Laufe von zwei Jahrzehnten zu einem internationalen Meeting des Qualitätsmanagements gewachsen.

Kompetenzen entwickeln

Konrad Scheiber, CEO der Quality Austria Trainings-, Zertifizierungs- und Begutachtungs GmbH, wies in seinem Impulsreferat sogleich auf die ungleiche Gewichtung von Risiko und Chance hin. Während das Risikomanagement bereits in vielen Unternehmen verinnerlicht wurde, denke kaum jemand daran, auch die Chancen zu managen. Statt Audits als Lernprozess und Chance zur Veränderung wahrzunehmen, sorgen die regelmäßigen Checks oftmals für Panik. Scheibers Frage »Wer hat sich auf das letzte Audit gefreut?« löste so auch im Auditorium vorwiegend verlegenes Lachen aus. Kognitives Lernen erfordere aber Offenheit und die Fähigkeit, Fehler zuzugeben, die Bereitschaft zur Umsetzung sowie Vertrauen, Mut und eine entsprechende Kultur. »Unternehmen müssen die Lernkultur ihrer Mitarbeiter fördern, wenn sie erfolgreich bleiben und sich laufend verbessern wollen. Interne und externe Audits haben sichdafür seit über 25 Jahren als Gestaltungshebel bewährt «, betonte Scheiber. Auch Quality Austria steht heuer vor einem der größten Umbrüche in der Geschichte ihres Bestehens. Die »Mutter aller Normen«, die ISO 9001, wird einer grundlegenden Revision unterzogen. Der Überarbeitungsprozess befindet sich bereits auf der Zielgeraden, wie Anni Koubek, Prokuristin für Innovation & Koordination bei Quality Austria, die schon in den vergangenen Jahren von den Fortschritten in den Verhandlungen berichtete, nunmehr bekanntgab. Der endgültige Entwurf soll Anfang Juli fertig sein und noch im September 2015 beschlossen werden. Damit tritt eine dreijährige Übergangsfrist in Kraft, bis September 2018 müssen alle zertifizierten Unternehmen den Umstieg geschafft haben. »Es ist höchste Zeit, sich auf die Reise zu machen«, warnte Koubek davor, die Dauer für die komplexe Umstellung zu unterschätzen. »Es geht nicht immer nur in kleinen Schritten, manchmal sind auch große Veränderungen notwendig. Bei Qualität geht es ums Gestalten – nicht ums Verhindern.«In Österreich sind rund 5.000 Institutionen von der Revision betroffen. Die Rückmeldungen von mehr als 350 Teilnehmern an Quality Austria-Seminaren fielen jedoch mehrheitlich positiv aus.

Die Macht des Unbewussten

Was (Qualitäts-)Management von der Gehirnforschung lernen kann, erläuterte anschließend Hans-Georg Häusel, Berater der Nymphenburg Consult AG, in seiner Keynote. 70 bis 80 % der alltäglichen Entscheidungen treffen wir unbewusst. Auch die Unternehmensentwicklung steht deshalb im Spannungsfeld der vier Emotionen im limbischen System des Gehirns – Stimulanz, Dominanz, Balance und Harmonie. Jene Charaktere, die in einer Organisation mehrheitlich vertreten sind, bestimmen die Unternehmenskultur. Wo dominante Typen vorherrschen (»Haifisch-Companys«), sind Organisationen eher auf Wachstum und Expansion ausgerichtet. Ist der Bereich Stimulanz wenig ausgeprägt, entwickelt die Organisation nur eine geringe Dynamik. Stabile Unternehmen sind dagegen durch Verlässlichkeit und Tradition gekennzeichnet. Auch Qualität ist im Bereich der Balance angesiedelt und wird ebenfalls mit Sicherheit, aber auch mit Gewohnheit assoziiert. »Qualitätsmanagement ist ein integraler Bestandteil des limbischen Systems, denn Kundenbindung wird vor allem durch Gewohnheit und Reproduzierbarkeit von Erwartungen erreicht«, erklärte Häusel. Mit dem Alter nehme aber die Bereitschaft, sich weiterzubilden, ehrgeizige Pläne zu entwickeln und an die eigenen Grenzen zu gehen, kontinuierlich ab.

Ziele als Ansporn

Herausforderung und Chance zugleich ist auch das seit 1. Jänner geltende Energieeffizienzgesetz. Quality Austria-Prokurist Axel Dick, nunmehr verantwortlich für das Business Development Umwelt und Energie, erläuterte nach der Mittagspause die Möglichkeiten für Unternehmen, ihre Energiekosten um 10 bis 30 % zu senken und damit die Profitabilität zu erhöhen. »Hidden Treasures« stecken in jedem Unternehmen – sie müssen nur gehoben werden. Unabhängig von den fixierten EU-Zielen über das Jahr 2020 hinaus zu betrachten, so Dick: »Energieeffizienz ist nicht nur eine technische Aufgabe, sondern betrifft die gesamte Unternehmenskultur und muss daher zur Chefsache gemacht werden.« Nachhaltige Lösungen umfassen den gesamten Wertschöpfungsprozess und sollten auch für KMU eine Option sein. Immerhin verbrauchen wir in Österreich über Geräte im Standby-Modus 800 Gigawattstunden Strom pro Jahr. Das entspricht dem Jahresverbrauch von mehr als 200.000 Haushalten, wie Axel Dick vorrechnete. Das Energieeffizienzgesetz ist somit nur eine Station auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft und einem Null-Abfall-Programm für Europa.

Werte verbinden

Ziele wie diese können, ja sollten sogar herausfordernd sein, wie Unternehmensberater Wolfgang Bachler sehr impulsiv in seinem Referat ausführte. Der langjährige Kommandant der Antiterroreinheit Cobra berät seien diese Maßnahmen als Weichenstellung inzwischen Organisationen in Fragen des Sicherheits- und Risikomanagements und greift dabei auf Erfahrungen aus seiner aktiven Zeit im Polizeidienst, beispielsweise bei Geiselnahmen, zurück. »Der Einsatzleiter muss entscheiden. Er kann am Ende des Tages als Held oder als Versager dastehen.« Einfache, klar formulierte Ziele fördern den Zusammenhalt im Unternehmen und dienen als wichtige Orientierungshilfe, ebenso wie eine zentrale Wertebasis. Damit Entscheidungen von allen mitgetragen werden, muss man sie transparent treffen und kommunizieren. Außerdem sei direkt mit der Entscheidung eine Leistungsanforderung zu verbinden, so Bachler: »Wenn ein Mensch keinen Grund hat, etwas zu tun, so hat er einen Grund, es nicht zu tun.« Mit viel Körpereinsatz unterstrich der Krisenmanager seine Prämisse »in Bewegung bleiben«: »Eine Organisation kann nur dann überleben, wenn ihre eigene Bewegungsgeschwindigkeit größer oder gleich zur Änderungsgeschwindigkeit der Umwelt ist.«

Wagnis und Leidenschaft

Entscheidungen, die mitunter Leben oder Tod bedeuten konnten, musste Höhenbergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner schon des Öfteren treffen. Mit ihrem beeindruckenden Vortrag setzte die zierliche Oberösterreicherin, die als erste Frau alle Achttausender ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen hat, am Ende der Tagung einen würdigen Schlusspunkt. Auch wenn vermutlich nicht alle Zuhörer die Begeisterung für die entbehrungsreichen, gefährlichen Touren auf die höchsten Berggipfel der Welt teilen konnten, ließ die emotionale Schilderung der K2-Besteigung niemanden im Saal kalt. Ihre Erfahrungen aus dem Extremsport zeigen durchaus Parallelen zur Geschäftswelt. Hier wie dort sind detaillierte Vorbereitung und Planung unverzichtbar, Risiken müssen abgeschätzt und Entscheidungen getroffen werden. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion ist dabei oft nützlich. Trotz aller Akribie gilt es, offen für unerwartete Ereignisse und Wendungen zu bleiben. Schlechtwetter und Erkrankungen ihrer Kletterkollegen zwangen Kaltenbrunner wiederholt zur Umkehr. Wahre Sisyphosarbeit leistete die Bergsteigerin, als die mühselig getretenen Spuren und freigelegten Seile am nächsten Tag erneut zugeschneit waren. Durch den Zusammenhalt im Team konnte sie jedoch auch nach solchen Rückschlägen neue Motivation und Kraft schöpfen. »Selbst in Situationen, die ausweglos erscheinen, muss man Ruhe und Überblick bewahren«, erklärte Kaltenbrunner. Ein Geheimrezept machte sich immer bezahlt: Sie vertraute nicht nur rationalen Faktoren, sondern auch der eigenen Intuition – mit Erfolg.

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