Sonntag, Dezember 22, 2024

Key Account Manager sind nicht bloß Verkäufer. Sie betreuen die strategisch wichtigsten Kunden und sichern damit die Existenz des Unternehmens. Mit den Märkten ist aber auch das Anforderungsprofil an Key Account Manager in Bewegung geraten – Verkaufen wird immer mehr zur Nebensache.

Sie sind die Spitzenverdiener der Branche, reisen stetig rund um die Welt, speisen in den besten Restaurant. So weit die Klischees, in Wirklichkeit ist Key Account Management (KAM) ein Knochenjob. Nur der Verdienst ist tatsächlich gut: Laut Kienbaum-Vergütungsstudie liegt das durchschnittliche Jahresgehalt bei 94.000 Euro, mit zunehmender Verantwortung und anspruchsvolleren Aufgaben steigt das Einkommen kräftig. Top-Verkäufer, die bei internationalen Konzernen im Großkundenvertrieb arbeiten, verdienen mehr als 200.000 Euro jährlich. Eine wesentliche Bedeutung nimmt die variable Vergütung ein – der leistungsorientierte Anteil beträgt meist 20 bis 30 % des Jahresgehaltes. In selteneren Fällen macht das Fixgehalt gar nur die Hälfte aus.

Der dafür geforderte Einsatz ist aber in jeder Hinsicht überdurchschnittlich. »Es ist ein 24-Stunden-Job«, sagt Silke Weber, Key-Account-Managerin eines IT-Konzerns. Mehr als die Hälfte des Jahres ist sie unterwegs. Auch abends stehen oft noch Termine auf dem Programm, denn in der entspannten Atmosphäre von Kulturevents oder Sportveranstaltungen lassen sich berufliche Kontakte leichter pflegen.

Hohe Anforderungen

Networking ist nur eine der Grundvoraussetzungen für diesen Job. »Man muss schon fast ein Wunderwuzzi sein, so komplex sind die Anforderungen«, sagt Constanze Berger, die als Trainerin des BCS-Seminarinstituts regelmäßig im Rahmen eines modularen Lehrgangs Key-Account- Manager ausbildet. Key Accounts sind die Schlüsselkunden eines Unternehmens. Sie bringen die größten Umsätze oder spielen eine strategisch wichtige Rolle, etwa bei der Festigung der Marktposition oder der Erschließung neuer Regionen und Zielgruppen. Manchmal muss ein Key-Account-Manager diese essentiellen Kunden erst gewinnen, in jedem Fall aber dauerhaft an das Unternehmen binden – durch Kompetenz, Hartnäckigkeit und taktisches Geschick.

Constanze Berger zählt auch Einfühlungsvermögen dazu. Sie war selbst 18 Jahre im Key-Account bei internationalen Konzernen tätig. »Der Einkäufer will immer bessere Konditionen und der Verkäufer will einen möglichst hohen Preis erzielen«, erklärt die Vertriebsexpertin. »Ein schlechter Verkäufer macht den Deal nur ein einziges Mal und kassiert dafür eine Prämie. Ein guter Verkäufer hört zu, was der Kunde will und strebt eine längerfristige Zusammenarbeit an.« Ein Knackpunkt sind deshalb Preisverhandlungen. Vor allem im Konsumgüterbereich wird mit harten Bandagen gekämpft. Ohne detaillierte Vorbereitung fehlen die nötigen Argumente, um im Feilschen um zusätzliche Konditionen standhalten zu können. »Bei schwierigen Preisverhandlungen ist es von Vorteil, wenn wir auch das Preisniveau und die Preisstrategie unseres Kunden kennen«, rät VBC-Partner Rainer Borgwaldt, auch die Kunden der Kunden genauer unter die Lupe zu nehmen. »Alle Informationen des Lieferanten spielen zusammen«, sagt Berger: »Warum kauft ein Konsument was wie oft und wann? Wird ein Artikel in Aktion oder zum Normalpreis gekauft? Gibt es eine Wechselwirkung zwischen einzelnen Artikeln?«

Mitunter geht es bei diesen Verhandlungen um Millionenbeträge. Rabatte von 0,5 % bedeuten beachtliche Summen – auch für den Key-Account-Manager, der mit einer Marke oder einem Kunden oft 80 % seines Umsatzes macht. Ein Verkäufer, der für sein Unternehmen zwar den größtmöglichen Profit herausschlägt, aber beim Kunden verbrannte Erde zurücklässt, handelt grob fahrlässig. Die Folgen können durchaus gravierend sein: Verweigert ein Kunde wegen unliebsamer Erfahrungen die weitere Zusammenarbeit mit einem bestimmten Key-Account-Manager, muss dieser Mitarbeiter raschest ausgetauscht werden, um die Geschäftsbeziehung nicht zu gefährden.

Vermittlerposition

Umso erstaunlicher, dass es nur wenige spezielle Ausbildungszweige für diesen hochqualifizierten Bereich gibt. In der Regel bringen Key-Account-Manager ein Wirtschaftsstudium mit, viele gute Verkäufer arbeiten sich aber über die Jahre im Unternehmen hoch und sammeln nach dem Motto »learning by doing« die nötigen Kompetenzen und Erfahrungen. Bei Jobbörsen und Headhuntern stehen Top-Verkäufer derzeit hoch im Kurs. Besonders in der Industrie und im Konsumgüterbereich haben Spezialisten mit technischem Background gute Karten. Sie verstehen die Produktanforderungen und die Geschäftsperspektive des Kunden und können daher die Vermittlerposition zwischen Unternehmen und Kunden optimal einnehmen. »Ich verhandle meist mit IT-Managern der mittleren Führungsebene. Um vor diesen Fachleuten bestehen zu können, ist fundiertes Technikverständnis unumgänglich. Vor allem die Branchen Elektrotechnik und IT, Anlagen- und Maschinenbau, aber auch Pharma melden derzeit den größten Bedarf. In diesen Bereichen, wo sehr hochwertige Produkte für hohe Umsätze sorgen, gibt es traditionell auch die stärkste Fluktuation. Für Niklas Tripolt, Geschäftsführer des VBC VerkaufsberaterInnencollegs, sind deshalb Spitzenverkäufer »zu pflegen und zu hegen wie Rennpferde«. Mit der Globalisierung haben sich auch die Herausforderungen im Vertrieb gewandelt. Die Märkte in den Industrieländer sind überwiegend gesättigt und auf wenige Big Player konzentriert. Umsatzsteigerungen und Gewinne lassen sich häufig nur noch im Verdrängungswettbewerb erzielen, harte Preiskämpfe sind die Folge. Laut einer Studie der Leuphana Universität Lüneburg zum Key-Accounting in der Konsumgüterindustrie sehen sich 94 % der befragten Markenhersteller mit hohem Druck ihrer Handelskunden konfrontiert – Zusatzkonditionen für das Einkaufsvolumen bieten keinen Verhandlungsspielraum mehr, sie werden vielfach ohne Gegenleistung gewährt. Gleichzeitig werden aber auch die Produkte immer austauschbarer. Qualität und Service sind keine besonderen Assets, sondern werden von den Kunden inzwischen als selbstverständlich betrachtet. Sie fordern einen größeren Leistungsumfang als kleinere Kunden und erwarten, dass auf ihre Wünsche rasch und flexibel eingegangen wird.

Richtige Auswahl

Die Auswahl der richtigen Key-Accounts ist deshalb wesentlich. Eine individuelle Betreuung wichtiger Kunden kann sich auch für mittelständische Betriebe lohnen. Bei genauerer Betrachtung wird so manches Unternehmen feststellen, dass der Großteil der Umsätze von nur 10 oder 20 % ihrer Kunden kommen. Die Bedeutung eines Kunden misst sich aber auch an seinem Wert als Referenz oder Multiplikator. »Die meisten Unternehmen wählen ihre Key-Accounts nur nach dem Umsatz aus. Das ist bei umsatzstarken Kunden nicht falsch, greift aber zu kurz«, sagt Dirk Zupancic, Dozent für Konsumgüterindustrie and der Universität St. Gallen. »Etwas plump gesagt, sind es Kunden, die das Unternehmen einfach nicht verlieren darf.« Dem Key-Account-Manager kommt bei der Betreuung von Schlüsselkunden somit eine Schlüsselrolle zu. Er trägt dafür Sorge, dass diese Kunden selbst in ihrem Geschäftsfeld erfolgreich sind, also für sie unternehmerisch mitdenkt. An der Schnittstelle zwischen beiden Unternehmen erfährt der Key-Account-Manager unmittelbar von neuen Plänen oder Anforderungen der Kunden. Kommuniziert er diese an den eigenen Betrieb weiter, können maßgeschneiderte Produkte und Dienstleistungen entwickelt und Prozesse weiter optimiert werden. Je reibungsloser diese Koordination erfolgt, desto dauerhafter verläuft meist die Zusammenarbeit. Für Misstrauen und Neid ist hier wie dort kein Platz.


Wann Key-Account-Management notwendig ist

Eine systematische Betreuung der Schlüsselkunden sollte man ins Auge fassen, wenn mindestens zwei der folgenden Aussagen zutreffen:

- Die Vertriebsorganisation kann die Key-Accounts nicht mehr ausreichend betreuen.

- Andere Kunden werden aufgrund der aufwändigen Key-Account-Betreuung vernachlässigt.

- Das Servicekonzept ist für die Key-Accounts nicht mehr ausreichend.

- Die Neukundengewinnung wird wegen der Betreuung der Topkunden vernachlässigt.

- Der Zeitaufwand und die direkt zurechenbaren Kosten für die Key-Accounts rechtfertigen nicht die Gewinnerwartungen.

- Die Qualifikation der Vertriebsmitarbeiter reicht nicht mehr aus, um für Topkunden maßgeschneiderte Konzepte und Strategien zu entwickeln.

- Die Kompetenzen der Vertriebsmitarbeiter reichen nicht für verbindliche Zusagen an Key-Accounts aus.

Quelle: Hartmut H. Biesel: »Key-Account-Management erfolgreich planen und umsetzen«. Gabler Verlag

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