Mittwoch, Februar 05, 2025

Als Coach rät Gabriele Cerwinka zu freundlich-sachlichem Umgang mit schwierigen Kunden – aber nicht, jeder Beschwerde sofort nachzugeben.

(+) Plus: Wie sollte professioneller Umgang mit Beschwerden aussehen?

Gabriele Cerwinka: Beschwerdemanagement ist ein äußerst sensibler Prozess, für den von der Geschäftsführung bestimmte Standards festgelegt werden sollten. Die besten Leute des Unternehmens müssen damit befasst sein. Man darf das nicht an eine Telefonzentrale delegieren. Es muss klare Richtlinien für die Beschwerdebearbeitung geben. Jede fehlgelaufene Beschwerde zerschlägt viel Porzellan und wird ungleich öfter weitererzählt als ein positives Kauferlebnis. Die Mitarbeiter müssen deshalb eine besondere Persönlichkeit und sehr wendig im Denken sein. Sie brauchen eine hohe kommunikative und soziale Kompetenz, aber auch Produktkompetenz. Und sie dürfen sich nicht persönlich angegriffen fühlen. Denn auch die Kunden haben dazu gelernt: Je unangenehmer sie auftreten, desto mehr bekommen sie.

(+) Plus: Haben die Unternehmen diesbezüglich noch Nachholbedarf?

Cerwinka: Das Bewusstsein ist in den letzten Jahren schon weit gediehen. Es hapert aber oft an der konkreten Umsetzung und am Dranbleiben. Ich kann nicht etwas implementieren und mich dann drei Jahre nicht mehr darum kümmern. Dieser Prozess muss gut durchdacht und gut organisiert sein – das ist eine Permanentaufgabe des Unternehmens. Die Kunden, ihre Ansprüche, die Produkte verändern sich. Mindestens einmal pro Jahr sollte es für die Mitarbeiter einen Workshop geben, vor allem wenn neue, technisch heikle Produkte dazukommen, die hochpreisig oder schwer zu bedienen sind.

(+) Plus: Wie trainieren Sie schwierige Situationen?

Cerwinka: Bei Trainings in Krankenhausambulanzen und Arztpraxen arbeite ich mit einer Schauspielpatientin, die sehr realistische Situationen nachstellt. Eine andere Möglichkeit ist, in einem Seminar verschiedene Fallbeispiele zu analysieren und gemeinsam mit den Mitarbeitern einen Leitfaden zu erarbeiten. Jede einzelne Situation im Vorfeld zu visualisieren, ist nahezu unmöglich. Manchmal beobachte ich auch direkt im Verkaufsraum oder Callcenter, wie die Mitarbeiter mit den Kunden sprechen und schließe unmittelbar daran eine Feedback-Schleife – was war besonders gut, was kann man beim nächsten Gespräch anders machen?

(+) Plus: Wirkt es nicht unpersönlich, wenn Formulierungen vorgegeben werden?

Cerwinka: Ich empfehle immer »Start und Landung angeschnallt«. Legen Sie sich Wörter für den Beginn zurecht, warten Sie die Erstreaktion des Kunden ab und überlegen Sie, wie Sie das Gespräch abschließen. Aber verwenden Sie in der Mitte ja keine eingelernten Sätze, denn das wird von den Kunden rasch entlarvt.

(+) Plus: Sind Kunden heute anspruchsvoller?

Cerwinka: Auf den Websites der Unternehmen wird zu viel versprochen, das in der Realität nicht zu halten ist. »Wir sind rund um die Uhr für Sie da und offen für Ihr Anliegen« – das ist in manchen Unternehmen ja gar nicht erwünscht. Es darf trotzdem niemals länger als 48 Stunden dauern, bis ein Anliegen tatsächlich bearbeitet wird. Ich empfehle, Beschwerden immer spätestens am nächsten Arbeitstag zu prüfen. Alles andere schaukelt die Erwartungshaltung des Kunden nur noch hoch.

(+) Plus: Mit großen Unternehmen kann man oft nur noch über Online-Kontaktformulare kommunizieren. Ist Kundenservice zu anonym geworden?

Cerwinka: Auch der Kunde verschanzt sich hinter dieser Anonymität. Ich habe in einem Konzern E-Mails gesehen, das glauben Sie nicht – Beschimpfungen aus der untersten Schublade. Da hat sich jemand am Sonntagnachmittag hingesetzt und so richtig seinen Frust losgelassen.

(+) Plus: Verlagert sich der Unmut generell auf Social-Media-Plattformen?

Cerwinka: Blogs können enormen Schaden anrichten, aber ich beobachte auch die Schnelllebigkeit dieses Mediums. Es ist eine Frage der Häufigkeit. Wenn bei einem Unternehmen die Unzufriedenheit sehr hoch steigt und nicht nur ein Kunde negativ schreibt, sondern zigtausende, kann das schon das Image schädigen. Existiert über ein mittleres Unternehmen ein einziger Eintrag, ist das rasch wieder vergessen. Trotzdem wird Social Media die wesentliche Herausforderung der nächsten drei, vier Jahre. Jedes Unternehmen sollte sich Gedanken machen, wie mit negativen Botschaften umgegangen wird.

(+) Plus: Wie groß ist der Anteil von »unverschämten« Kunden, die mit unberechtigten Beschwerden »etwas herausholen« möchten?

Cerwinka: Ungefähr ein Drittel. Mir hat eine Boutiquebesitzerin erzählt, dass etliche Kundinnen am Freitag ein Kleidungsstück kaufen, es am Samstag tragen und am Montag mit einer Beschwerde zurückbringen, die kaum nachzuvollziehen ist. Ich warne davor, zu rasch eine Wiedergutmachung zu geben. In den USA bekommt man sofort das Geld zurück, da wird nicht lange diskutiert. Ich bin diesbezüglich sehr skeptisch, weil es auch den Wert des eigenen Produktes mindert.

Zur Person

Gabriele Cerwinka arbeitet als Coach in den Bereichen Kommunikation und Teamführung und veröffentlichte mehrere Fachbücher, u.a. »Wenn der Kunde laut wird. Professioneller Umgang mit Beschwerden« und »Die Macht der versteckten Signale« (Linde Verlag).

Meistgelesene BLOGS

Alfons A. Flatscher
06. November 2024
Mit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus zeichnet sich ein neues Kapitel der Handelspolitik der USA ab – und für europäische Unternehmen könnten die nächsten Jahre herausfordernd werden. Trump, bekan...
LANCOM Systems
14. Oktober 2024
Die österreichische Bundesbeschaffung GmbH (BBG) hat die Lösungen des deutschen Netzwerkinfrastruktur- und Security-Herstellers LANCOM Systems in ihr Portfolio aufgenommen. Konkret bezieht sich die Ra...
Nicole Mayer
25. November 2024
Globalisierung, Digitalisierung, New Work, Kriege: Die Kette der Herausforderungen, die Unternehmen zu stemmen haben, reißt nicht ab. Um in diesen unsicheren Zeiten nicht nur zu überleben, sondern sog...
Marlene Buchinger
31. Oktober 2024
Beim Thema Nachhaltigkeit stellt sich oft die Frage, für wen machen wir das überhaupt? Im vierten Teil der REPORT-Serie geht es um die Anspruchsgruppen, auch Interessensträger oder Stakeholder genannt...
Firmen | News
23. Oktober 2024
In den letzten Jahren hat das Thema Nachhaltigkeit auch im Bauwesen an Bedeutung gewonnen. Immer mehr Bauherren, Architekten und Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, umweltfreundliche und ressourcen...
Andreas Pfeiler
04. November 2024
Naturereignis wie ein Hochwasser zeigen uns immer wieder auf, wie verwundbar unsere Gesellschaft ist und wie hilflos wir gegenüber solchen Naturgewalten sind. Ohne mineralische Rohstoffe sind wir auch...
Firmen | News
08. Oktober 2024
Wohlstand aufzubauen, ist für viele Menschen eines der größten Ziele im Leben. Doch ein Vermögen anzuhäufen, beispielsweise durch die Gründung und Führung eines eigenen Unternehmens, ist nur der erste...
Firmen | News
30. Oktober 2024
In der heutigen Arbeitswelt sind die richtigen Werkzeuge und Ausrüstungen entscheidend für den Erfolg. Von der passenden Berufskleidung bis zu unverzichtbaren Geräten – alles spielt eine Rolle. Entdec...

Log in or Sign up