Noch keine vier Wochen im Amt, packt Walter Ruck gleich ein paar heiße Eisen an: Über die Sonntagsöffnung müsse man reden, Förderungen evaluieren und die Kosten in der Verwaltung »mit dem Rasenmäher« um fünf Prozent senken. Von der ÖVP wünscht sich der frischgekürte Präsident der Wirtschaftskammer Wien ähnlich unkonventionelle Ideen.
(+) Plus: Was hat Sie als erfolgreicher Bauunternehmer dazu bewogen, in die Politik zu gehen?
Walter Ruck: Ich sehe mich nicht als Politiker, sondern als Unternehmer, der die Interessen der Wiener Betriebe vertritt. Das Wirtschaftskammergesetz sieht vor, dass Leute aus der Praxis für Personen in der Praxis Rahmenbedingungen gestalten. Ich bin ein Verfechter dieser Idee. Es ist wichtig, am eigenen Leib zu erleben, was man vertritt. Den Anstoß hat mein Vorgänger als Landesinnungsinnungsmeister gegeben, als er zu mir gesagt hat: »Sie haben es in der Hand – Sie können von außen kritisieren oder von innen etwas ändern.« Also bin ich in die Interessenvertretung eingestiegen. Ich möchte ein Ermöglicher für Neues sein, denn Politik und Verwaltung hinken den wirtschaftlichen Realitäten hinterher. Ich sehe mich nicht als Politiker, sondern als Unternehmer, der die Interessen der Wiener Betriebe vertritt. Das Wirtschaftskammergesetz sieht vor, dass Leute aus der Praxis für Personen in der Praxis Rahmenbedingungen gestalten. Ich bin ein Verfechter dieser Idee. Es ist wichtig, am eigenen Leib zu erleben, was man vertritt. Den Anstoß hat mein Vorgänger als Landesinnungsinnungsmeister gegeben, als er zu mir gesagt hat: »Sie haben es in der Hand – Sie können von außen kritisieren oder von innen etwas ändern.« Also bin ich in die Interessenvertretung eingestiegen. Ich möchte ein Ermöglicher für Neues sein, denn Politik und Verwaltung hinken den wirtschaftlichen Realitäten hinterher.
(+) Plus: Ihre Wahl verlief nicht ganz reibungslos. Ursprünglich hatte sich das Gremium bereits auf Robert Bodenstein festgelegt. Obwohl Sie ihn in der Kampfabstimmung besiegt haben, arbeitet er jetzt in Ihrem Team mit. Wie funktioniert das?
Ruck: Wir sind beide Sportler – in einer Wahl kann halt nur einer gewinnen. Persönliche Reibungen hatten wir aber selbst in der Zeit des internen Wahlkampfes nicht. Der Rest hat sich logisch ergeben. Robert Bodenstein ist ein sehr erfahrender Unternehmer und Funktionär und hat mein Angebot zur Zusammenarbeit sehr freundschaftlich und kollegial angenommen. Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Gemeinsam haben wir schon einige Pflöcke für die Arbeit der nächsten Zeit eingeschlagen.
(+) Plus: Kommen wir zu Ihren Plänen: Welche Impulse braucht die Wiener Wirtschaft?
Ruck: Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen. Vor allem eine rasche finanzielle und bürokratische Entlastung des Mittelstandes. Denn wenn der Wirtschaftsaufschwung kommt, sollten ihn die Unternehmer gut mitnehmen können. Ein großes Thema ist der Abgabendruck. Mit einer Abgabenquote von über 45 Prozent liegen wir international im Spitzenfeld. Gleichzeitig wird von manchen schon über neue und höhere Steuern diskutiert. Irgendwann sind wir an einem Punkt, wo die Leistungsträger des Landes sagen: Das schaffen wir nicht mehr. Es macht sich eine Demotivation breit und das spüren Sie durch die ganze Wirtschaft. Jetzt muss es heißen: Hürden abbauen und
entlasten statt belasten!
(+) Plus: Wo soll das Geld für eine Entlastung herkommen?
Ruck: Zum Beispiel über eine Verwaltungsreform. Studien und auch der Rechnungshof haben schon mehrfach aufgezeigt, welch großes Effizienzpotential in der Bürokratie steckt. Aber man muss endlich damit anfangen. Vielleicht wäre jetzt ein ganz guter Zeitpunkt. Einsparungen sind möglich. Das beweist uns eine ganze Reihe von Ländern, die alle gut verwaltet sind und mit wesentlich weniger Geld auskommen.
(+) Plus: Wo sollte man Ihrer Meinung nach beginnen?
Ruck: Vielleicht muss man mit dem Rasenmäher drüberfahren. Wenn mir in meinem Unternehmen die Kosten davonlaufen, muss ich in jedem Budgetposten die Kosten entsprechend senken. Ich weiß, dass das in der Verwaltung nicht leicht sein wird, weil niemand bei sich anfangen möchte.
(+) Plus: Sie werden sich damit keine Freunde machen.
Ruck: Aber fünf Prozent sind zum Beispiel allemal möglich. Natürlich muss man auch strukturell sparen: Gibt es Bereiche, die nur noch durch Förderungen überleben? Auch diese Fragen muss man sich stellen.
(+) Plus: Sie haben bei Ihrem Amtsantritt davon gesprochen, bürokratische Hürden abzubauen. Welche sollen das sein?
Ruck: All das, was Unternehmer von ihrer operativen Tätigkeit abhält. Speziell in Wien haben Unternehmer eine Vielzahl von Dokumentations-, Informations- und Meldepflichten zu erfüllen, die 20 bis 30 Prozent ihrer Arbeitszeit in Anspruch nehmen. Ein kleiner Unternehmer kann da
manchmal schon verzweifeln. In Wien wenden die Unternehmen pro Mitarbeiter 1.900 Euro für die interne Verwaltung auf. In anderen Bundesländern sind es nur 1.780 Euro. In Summe reden wir davon 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Hier reicht kein einzelnes Patentrezept und damit ist das System geheilt, man muss wirklich überall ansetzen. Auch eine Verwaltung braucht einen unternehmerischen Zugang.
(+) Plus: Sie haben angekündigt, Startups stärker unter die Arme zu greifen. Wie soll das konkret aussehen?
Ruck: Zum Beispiel über eine verbesserte Finanzierung. Etwa durch einen leichteren Zugang zu Venture Capital und Crowdfunding oder die Anhebung der Prospektpflicht. Kleine Start-ups brauchen ja keine Millionen, sondern kleine gezielte Investitionen. Für Business Angels wären steuerliche Anreize denkbar, etwa die Eigenkapitalverzinsung als Betriebsausgabe geltend zu machen. Mein Ziel ist, Wien zur Start-up-Hauptstadt Europas zu machen.
(+) Plus: 2015 steht die Kammerwahl an. Welche Rolle werden Ein-Personen-Unternehmen dabei spielen?
Ruck: EPU und KMU sind beide enorm wichtige Stützen der Wiener Wirtschaft. Bei der Wahl spielen alle dieselbe Rolle. Sie haben ein Stimmrecht und werden hoffentlich davon Gebrauch machen. Der Wirtschaftskammer wird immer vorgeworfen, dass sie nicht genug für die EPUs tut. Bei einer Umfrage unter unseren Mitgliedern haben sich aber interessanterweise gerade die jungen und kleinen Unternehmen überproportional zufrieden mit unserer Arbeit gezeigt. Alle unsere Untersuchungen kommen außerdem zu einem Ergebnis: Branche schlägt Größe. Eine kleine Schneiderei fühlt sich einem größerem Unternehmen aus der Bekleidungstechnik näher als einem EPU aus dem Bereich Unternehmensberatung.
(+) Plus: Warum haben Sie sich dann als »Mittelstands-Fighter« positioniert?
Ruck: Mittelstand ist in Österreich ein Synonym für Leistungsbereitschaft. Dieses Land lebt von Menschen, die bereit sind, mehr zu machen. Sie gilt es zu entlasten, zu motivieren, denn sie sind die Träger von Wachstum, Arbeitsplätzen und unserem Wohlstand. Das ist keine Frage der Betriebsgröße.
(+) Plus: Ihr Vorstoß für eine Tourismuszone in Wien ließ die Diskussion zur Sonntagsöffnung wieder aufflammen. Scheu vor heiklen Themen haben Sie offensichtlich nicht?
Ruck: Das Thema ist kontroversiell. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wir schweigen oder wir reden darüber. Die Interessensvertreter sollen sich solange zusammensetzen, bis weißer Rauch aufsteigt. Das funktioniert seit 2.000 Jahren in der katholischen Kirche, also wird es bei uns auch funktionieren. Gegen Ende des Sommers werden wir ein Ergebnis haben, das breit getragen wird.
(+) Plus: Ihre Vorgängerin Brigitte Jank hat sehr stark gegen das Projekt Mariahilferstraße opponiert. Die Abstimmung ging überraschend klar für den Umbau aus. Wie stehen Sie dazu?
Ruck: Es wird keinen Menschen geben, der per se etwas gegen eine Fußgängerzone hat. Die Frage ist nur: Errichte ich einfach ein Fahrverbot oder beachte ich auch die Auswirkungen rundherum? Brigitte Jank hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht nur in der Mariahilferstraße Unternehmer angesiedelt sind, sondern auch in den Neben- und Seitenstraßen. Wenn man die von den Fußgängerströmen ausschließt, ist das deren Todesurteil. Die Abstimmung fiel zwar für eine Fußgängerzone aus, aber auch für Querungen. Wir sind derzeit mit einem verstärkten Informationsangebot vor Ort, um die Unbill durch die Bauarbeiten abzufedern. Die Umbaudauer muss so kurz und effizient wie möglich gehalten werden.
(+) Plus: Verspielt Wien sein Potenzial?
Ruck: Für mich ist nicht ganz klar, was Wien eigentlich sein will. Ein größeres St. Pölten oder eine Weltstadt? Messen wir uns mit London und Paris oder doch mit Graz? Wenn Wien eine Weltstadt sein will, muss man aber auch die Assets – und das sind in erster Linie die Brückenkopffunktion nach Osten und die Innovationskraft der Wiener Unternehmerinnen und Unternehmer – ausbauen und nützen. Wien ist am Weg zur erwachsenen Weltstadt in der Pubertät steckengeblieben.
(+) Plus: Die Wirtschaftskammer war immer eine starke Speerspitze der ÖVP. Vor allem in Wien hat die Partei inzwischen große Probleme. Woran liegt das?
Ruck: Ich wurde in der Busek-Mauthe-Ära politisch sozialisiert. In dieser Zeit der »bunten Vögel« war die ÖVP Ideenlieferant. Das war unkonventionell, ein bisschen quergedacht – vielleicht fehlt uns das. Busek und Mauthe hatten eine Vision für die Stadt und die Gesellschaft.
(+) Plus: Fehlen auch die Persönlichkeiten?
Ruck: Wir haben tolle Persönlichkeiten auf Bundes- und Landesebene. Wir sind nur in vielen Dingen zu ängstlich. Wenn wir Widerstand erwarten, halten wir gewagtere Konzepte hinter dem Berg. Früher hat man auch verrückte Ideen einfach auf den Tisch gelegt und eins ums andere umgesetzt. In Analogie zum Fußball gesagt: Wir sind überlegen, bekommen aber den Ball nicht ins Netz. Vielleicht hat die ÖVP derzeit Schwierigkeiten, die Menschen auf der emotionalen Ebene zu erreichen.
(+) Plus: Braucht es vielleicht mehr Mut? In der Steuerdebatte drückt sich die Regierung – ich nehme die SPÖ hier nicht aus – seit langem um klare Entscheidungen, während sich in der Bevölkerung eine klare Mehrheit für eine Reform ausspricht.
Ruck: Wir reduzieren die Reformdiskussion nur noch auf die Frage »Substanzsteuern – ja oder nein?«. Das ist keine Reform, sondern lächerlich. Ich würde mir durchaus wünschen, dass die ÖVP ein neues Steuerkonzept vorlegt – selbst wenn es ein Jahr dauert.
(+) Plus: Um beim Fußball zu bleiben – Ihr Tipp: Wer wird Weltmeister?
Ruck: Brasilien. Es gab zwar etwas Rückenwind vom Schiedsrichter, das hätten sie nicht notwendig. Das hat mir wehgetan, weil es unfair ist. Eigentlich sollten die Brasilianer aus dem Stand gewinnen.
Zur Person:
Walter Ruck, 50, wuchs in Wien-Simmering auf. Nach dem Studium an der TU Wien absolvierte er die Baumeisterprüfung und stieg 1991 ins elterliche Bauunternehmen ein. In dem Familienbetrieb arbeiten inzwischen auch seine beiden Söhne mit. Ruck ist gerichtlich beeideter Sachverständiger und Vizepräsident des Normungsinstituts. 2005 wurde er Innungsmeister in Wien, 2010 Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk. Im März setzte er sich in einer Kampfabstimmung gegen den Unternehmensberater Robert Bodenstein als neuer Obmann des Wiener Wirtschaftsbundes durch und trat Anfang Juni die Nachfolge von Brigitte Jank an der Spitze der Wirtschaftskammer Wien an.