Österreichs Unternehmen forschen eifrig, Patentanmeldungen erreichen Rekordwerte, Förderungen explodieren förmlich – dennoch schafft es das Land nicht, im europäischen Vergleich aufzusteigen. Ein Überblick über die heimische F&E-Landschaft.
Von Stefan Mey
Forschung, Entwicklung und Innovation sind nicht unbedingt das, was man mit einem Unternehmen in Verbindung bringt, das vor 200 Jahren gegründet wurde – doch genau darauf liegt der Schwerpunkt der Österreichischen Staatsdruckerei (OeSD). »70 Prozent unserer heutigen Produkte hat es vor zehn Jahren noch gar nicht gegeben«, sagt Robert Schächter, Geschäftsführer der OeSD. Bekannt ist das Unternehmen für das Drucken von Reisepässen und anderen Ausweisen, Identitäten sind das Kerngeschäft – und die Verlagerung des Lebens in die digitale Welt fordert entsprechend neue Lösungen im Identitätsmanagement, damit Bürgerrechte auch online ausgeübt werden können. Fast 800.000 Euro wurden von der OeSD im Vorjahr in Forschung & Entwicklung investiert, zusätzlich zu den 200 Jahren Erfahrung. »Ein regelrechter Quantensprung ist aber in den vergangenen 15 Jahren passiert«, sagt Schächter. Grund ist unter anderem der explosionsartige Zuwachs bei Online-Nutzerzahlen, etwa im Bereich der Social Media.
Die OeSD ist durch ihre Geschichte ein außergewöhnliches Beispiel, aber bei weitem nicht das einzige österreichische Unternehmen mit starkem Engagement im F&E-Bereich. Auch andere Größen forschen stets an neuen Produkten und Geschäftsmodellen. So wurde im März etwa das Projekt EMPORA, Österreichs größtes F&E-Projekt zu Elektromobilität, abgeschlossen. Geleitet wurde das Projekt vom Energiekonzern Verbund, vom 26 Millionen Euro schweren Gesamtprojektvolumen wurden zwölf Millionen Euro vom Klima- und Energiefonds der Bundesregierung gefördert. In einer Simulation wurde getestet, wie sich eine großflächige Implementierung von Elektromobilität auf die Stromnetze auswirkt und wie sie sich in den bestehenden Verkehrsmix eingliedern soll – neben der technischen wurde also auch die wirtschaftliche Machbarkeit geprüft.
Erfolgreiche Start-ups
Weltweit aktive Konzerne sind das eine, am anderen Ende des Größenspektrums stehen kleine Teams aus frisch gegründeten Start-ups, deren Firmengegenstand oft auf innovativen Konzepten beruht – und entsprechend riskant ist. Kommen Gründer dieser Art aus dem universitären Umfeld, so verschlägt es sie manchmal in den Inkubator INiTS in Wien, der Jungunternehmer mit akademischen Hintergrund unterstützt – etwa durch ein Büro und Weiterbildung in Sachen Unternehmensgründung und -führung. Ein ähnliches Angebot bietet der Softwarepark Hagenberg, dem das Unternehmen Runtastic entsprungen ist – die beliebte App für Sportbegeisterte feiert inzwischen globale Erfolge. Weitere Unterstützung für Jungunternehmer mit starkem Forschungsschwerpunkt kommt von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und austria wirtschaftsservice (aws).
Innovatives Oberösterreich
Die meisten Patente im Jahr 2013 hat aber AVL List (Entwicklung von Antriebssystemen mit Verbrennungsmotoren, Mess- und Prüftechnik) aus der Steiermark eingereicht, auf Platz zwei folgt mit deutlichem Abstand Julius Blum, Hersteller von ScharPatent – ab voraussichtlich 2015 – wird den Trend zur Internationalisierung des gewerblichen Rechtsschutzes weiter beschleunigen«, sagt dazu Patentamtspräsident Friedrich Rödler. Und das sei gut so: Denn derzeit importiert Europa etwa doppelt so viele Patente, vorwiegend aus den USA und Asien, als es selbst aufweisen kann.
Österreich: Nur noch folgend
Im internationalen Vergleich geht es Europa immer besser, dem »Innovation Union Scoreboard 2014« der EU zufolge macht der »alte Kontinent« die verlorenen Meter gegenüber den USA langsam wett – so weit zu den guten Nachrichten. Allerdings bemerkt der Report, dass es innerhalb Europas starke meldungen und der Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft gelangt Österreich mit dem zweiten und dritten Platz sogar auf das Podest. Für diese Erfolge sieht sich die FFG mit verantwortlich – und weist in diesem Kontext darauf hin, dass die Gesamtkosten von FFG-Projekten seit 2004 um 50 Prozent gestiegen sind, das Budget kontinuierlich gesteigert werden müsse: »Es ist schade um jedes qualitativ hochwertige Projekt, das nicht umgesetzt werden kann,« sagen Egerth und Pseiner: »Die Ablehnungsquote ist leider hoch«. »Österreich hat das Potenzial, zum ›Innovation Leader‹ aufzusteigen, denn es mangelt hierzulande weder an klugen Köpfen noch an notwendigem Know-how«, sagt auch Michael Rauhofer, CEO FTW Forschungszentrum Telekommunikation Wien. Um jedoch den Aufstieg zu schaffen, dürfen wesentliche Punkte nicht aus den Augen verloren werden: Zum einen muss laut Rauhofer konsequent daran gearbeitet werden, die tertiäre Bildung in den MINT-Fächern für den Nachwuchs attraktiver zu gestalten, und zum anderen sollte der Aufwand, der betrieben wird, um Forschungsgelder wirksam zu machen, relativ zum Nutzen stehen. Das Ausmaß an finanziellen Mitteln sei neben der Effizienz des Systems ein relevanter Baustein, um im europäischen Vergleich aufzusteigen. Aktuell hinkt Österreich noch immer hinter dem bereits für 2010 gesteckten Drei-Prozent-Ziel hinterher.
Innovation ist lebenswichtig
Die Wichtigkeit von F&E für Unternehmen belegt die FFG mit harten Zahlen: Unternehmen mit Forschungsausgaben von mehr als fünf Prozent erreichen Exportquoten von mehr als 80 Prozent – im globalen Wettbewerb ist Innovation also unerlässlich. Schächter geht in der Betonung der Wichtigkeit von F&E-Investitionen noch einen Schritt weiter: »Wer langfristig bestehen will, der muss sich entwickeln«, sagt er: Es sei unternehmerische Verpflichtung, sich regelmäßig zu fragen, wovon man in zehn Jahren leben möchte.