Sonntag, Dezember 22, 2024

Der Report Verlag beleuchtete gemeinsam mit Gastgeber Fabasoft im ­April die Faktoren für Innovationskraft und europäische Wirtschaftspolitik. Im Fabasoft Techsalon am Hauptbahnhof diskutierten zu den Themen ­Bildung, Wirtschaft und Arbeitsmarkt ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS.

Vor über 100 Gästen aus Wirtschaft und Verwaltung diskutierten bei einem Report-Podiumsgespräch am 29. April Vertreterinnen und Vertreter von fünf Parteien. Gastgeber Helmut Fallmann, Gründer und Geschäftsführer des IT-Unternehmens Fabasoft, hatte in den Techsalon am Hauptbahnhof geladen. Bei traumhaftem Ausblick über die Dächer Wiens – darunter das Rautendach des neuen Verkehrsknotenpunktes – gaben ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS Einblicke in ihre Schwerpunktthemen österreichischer und europäischer Wirtschafts- und Bildungs­politik.

Barbara Feldmann, ÖVP, ortet einen Reformstau in Österreich in der Verbesserung der Standortbedingungen für die Wirtschaft. Der Faktor Bildung könne allerdings die Kos­ten hoher Gebühren oder langer Genehmigungsverfahren wettmachen. »Unternehmen gehen dorthin, wo sie gut ausgebildete Fachkräfte finden«, weiß Feldmann. Leider zeichne sich gerade Wien durch schlechte Rahmenbedingungen etwa mit hohen Gebühren und langen Genehmigungsverfahren aus. Zur Frage der Bildung: »Selbstverständlich haben wir eine Bildungskultur, in der man auch Änderungen vornehmen muss, doch ist dies auch eine Frage der Finanzierung. Ich bin trotzdem überzeugt, dass unsere Gymnasien einen internationalen Spitzenplatz haben. Überall auf der Welt, wo immer man hinkommt, trifft man auf Spitzenkräfte aus Österreich.« Die Möglichkeit der Anrechnung von im Ausland erworbenen Qualifikationen habe das Außenministerium bereits verbessert. Für Wirtschaftskräfte aus dem Ausland gäbe es ohnehin eine selbstverständliche Arbeitskultur und auch eine Willkommenskultur in Österreich, betont Feldmann. »Einiges aufzuholen« gibt es dagegen bei der Integration von Einwanderern aus anderen Schichten. Wirtschaftlich steht Österreich seit dem EU-Beitritt hervorragend da. »Sechs von zehn Euro kommen aus dem Export, es wurden unzählige Arbeitsplätze geschaffen und unser Einkommensniveau um 20 % angehoben. Wir haben die vergangene Krise zwar mit Schrammen, aber doch relativ ausbalanciert überstanden.«

Die EU sei eine noch junge Vereinigung, Feldmann ruft deshalb »jeden Einzelnen auf, besonders die jungen Menschen, selbst Architekten der positiven Weiterentwicklung der europäischen Union zu werden«. Gleichzeitig appelliert sie an die »Angstmacher, endlich aufzuhören«. Die Österreicher und Europäer hätten ihre Stärken immer schon in Innovation und in der Kreativität gehabt. Ziel sei nun, die besten Ideen und Beispiele gemeinschaftlich zu nutzen: »Voneinander lernen und trotzdem auf die Bedürfnisse der einzelnen Regionen eingehen.«

»Gerade Start-up-Unternehmen stehen vor einer unerträglichen Kreditklemme, wenn man für einen kleinen Kredit dieselbe Menge auf ein Sparbuch legen muss«, weist dagegen Stefan Schennach, SPÖ, auf mangelnde Rahmenbedingungen für Firmengründer hin. »Basel III verhindert die Umsetzung von Kreativität in unternehmerische Fähigkeiten. So werden Forschung und Innovation gebremst.« Er wünscht sich auf europäischer Ebene eine Innovationsunion. »Eine Währungsunion und Bankenunion haben wir ja schon.« Europa ist bereits die stärkste Wirtschaftsmacht weltweit. Die heimischen Facharbeiterinnen und Facharbeiter, der breite Zugang zu Bildung und eine soziale und ökologische Stabilität sind Gründe, »dass sich Europa nicht vor Regionen wie Asien oder USA zu verstecken braucht«. Schennach weiß aus seiner Rolle als Unternehmer dennoch von »unglaublichen Hürden für Spitzenleute«, wenn diese sich für einige Jahre in Österreich niederlassen wollen. In der Bildung mögen die Gymnasien schon gut abschneiden, stimmt er seiner ÖVP-Kollegin zu, »im Universitätsbereich befinden wir uns aber unter ferner liefen«. Keine heimische Einrichtung schaffe es derzeit in die Rankings der weltweiten Top-Universitäten. Der Europapolitiker sieht auch weiterhin die Wichtigkeit eines politischen Rahmenwerks für die Wirtschaft. Den europäischen Rettungsschirm in der Finanzkrise »haben nicht ein paar Unternehmen erfunden«, so Schennach. Die Politik hat hier eine tragende Position eingenommen. Ein einheitlicher digitaler Binnenmarkt würde zusätzlich 4,5 Millionen Arbeitsplätze in Europa schaffen, wichtig dabei ist Schennach das Festhalten an europäischen Werten. Und auch in der Industrie sei eine Renaissance nötig, derzeit ist ein Drittel der Beschäftigten in diesem Sektor tätig. Dieses Problem werde dem SPÖ-Vertreter zufolge nur noch durch die Jugendarbeitslosigkeit übertroffen, die in manchen Ländern bis zu 50 % beträgt. Deshalb sei die Hauptaufgabe der EU in den kommenden fünf Jahren, die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Wirtschaftsbetriebe schaffen Arbeitsplätze und gewährleisten damit Wohlstand und Sicherheit, unterstreicht auch Barbara Kappel, FPÖ. Viele kleine und mittlere Unternehmen sind wirtschaftlich eng mit industriellen Leitbetrieben verbunden, weshalb eine starke industrielle Basis für den Standort besonders wichtig ist. »Frankreich hat nur einen knapp zwölfprozentigen Industrieanteil und allergrößte Probleme, im Wettbewerb in Europa mithalten zu können. Griechenland hat mit knapp 10 % überhaupt den niedrigsten Industrieanteil.« Kappel ist wichtig, »die Re-Industrialisierung in Europa voranzutreiben. Das nützt am Ende des Tages uns allen.« Gerade Schwellenländer, einige Staaten Asiens, aber auch die USA, mit einem für 2014 prognostizierten Wirtschaftswachstum von 2,8 %, würden beim Wachstum sowie bei Innovation und Technologie in den internationalen Rankings deutlich voran liegen. Dass dagegen in Österreich auch aktuell wieder in der Bildung, bei den Universitäten und bei Forschung und Entwicklung (F&E) gespart werde, sei kontraproduktiv. Unflexible Arbeitsmärk­te, hohe Energiepreise und eine oft wettbewerbshemmende europäische Klima- und Umweltpolitik würden österreichische Leitbetriebe vermehrt dazu bringen, ins Ausland abzuwandern. »Bereits heute werden rund 90 % der Umsätze der IT-Branche außerhalb Europas kreiert«, sagt Kappel und weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Österreich 2013 bereits das vierte Jahr in Folge Plätze im europäischen Innovationsranking verloren hat. »Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Es gibt viel zu wenige Förderungen für Start-ups.« Das zeigt auch die Patentstatistik. Es fehlen ein Markt für Risikokapital und mehr Mittel für F&E, etwa im Bereich der Energieforschung. Österreich stünde mit einer F&E-Quote von 2,8 % des BIP im EU-Vergleich zwar ganz gut da – »das ist aber immer noch zu wenig. Wir brauchen mehr Geld von staatlicher Seite und ein Prämien- und Anreizsystem für Unternehmen, mehr in F&E zu investieren.« Kappel ortet auch ungelöste Aufgaben im Bereich der Bildungspolitik. »Wenn 25 % der Pflichtschulabgänger heute nicht mehr den österreichischen und damit auch europäischen Bildungsstandards entsprechen, dann haben wir ein grundsätzliches Problem, welches sich bis in die Universitäten fortpflanzt.«

Ulrike Lunacek, Die Grünen, spricht besonders den Bildungsbereich an: »Wir haben ein gewaltiges Bildungsdrama, das bei der Tatsache beginnt, dass bereits Neun- und Zehnjährige über ihre Zukunft entscheiden müssen. Das ist nicht mehr zeitgemäß und
unterstes Niveau in Europa.« Und gibt es in Österreich eine Willkommenskultur am Arbeitsmarkt? »Weder fühlen sich MigrantInnen in der zweiten und dritten Generation in Österreich willkommen, noch können ExpertInnen aus Ländern außerhalb des EU-Raums an unseren Universitäten unterrichten, ohne dass ihnen Steine in den Weg gelegt werden«, so Lunacek. Europa habe bereits hohen Wohlstand und eine im Vergleich hohe soziale Ausgeglichenheit in der Gesellschaft geschaffen. »Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in anderen Teilen der Welt dramatisch. Wir haben sehr viel in Europa erreicht und müssen jetzt darauf achten, dass uns das nicht verloren geht«, betont die EU-Parlamentarierin. Dazu gehöre auch eine Stärkung berufstätiger Mütter, um eine Chancengleichheit am Arbeitsmarkt zu gewährleisten. Großen Wert legt sie auch auf den Bereich Klimapolitik. »Dass wir in Österreich zu hohe Energiekosten, wie besonders von der Industrie angeprangert, hätten, stimmt einfach nicht. Jene Industriezweige, die es geschafft haben, hier innovativ auf andere Technologien umzusatteln, profitieren bereits davon.« Auch wäre für Lunacek eine Stärkung der Förderung für Grundlagenforschung essenziell. Es brauche generell eher gezielte Unterstützungen statt den üblichen Förderungen nach dem Gießkannenprinzip. Als erschreckend sieht sie Abhör- und Überwachungsskandale der NSA und der europäischen Geheimdienste. Gerade vor dem Hintergrund des gerade in geheimen Verhandlungen befindlichen Freihandelsabkommens TTIP müsse der Schutz der Privatsphäre durch einheitliche Richtlinien auf beiden Seiten – Europa und USA – gewährleistet werden.

Für Stefan Gara, NEOS, ist die Bildungsfrage ebenfalls entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit. Großen Aufholbedarf hat Europa im Vergleich mit den USA im Unternehmertum. Hierzulande fehlt derzeit »der Aufbruch einer neuen GründerInnen-Generation, der auch die Möglichkeit zum Scheitern geboten wird«. Dies sei vor allem eine Kulturfrage. »Unternehmer gehen ein sehr hohes persönliches Risiko ein, da wir immer noch nicht die richtigen Finanzierungsinstrumente bieten.« Verschiedenste Möglichkeiten wie Crowdfunding seien zwar vielversprechend, oft fehle aber noch Rechtssicherheit dahinter. »Nicht in kurzen Zeiträumen, sondern langfristig denken«, fordert er einen notwendigen Infrastrukturausbau und dadurch erzielbare volkswirtschaftliche Effekte. Gara wundert sich dagegen nicht, dass Österreich zuletzt im Innovationsranking abgerutscht ist, »wir stürzen ja auch im Universitätsranking ab – das korreliert stark.« Er ist überzeugt, dass es hierzulande viele gute innovative Firmen gibt, beim Thema Innovation aber die politische Rhetorik dominiert. Förderschienen gibt es unterschiedlichster Art, sie werden aber bürokratisch und kompliziert abgewickelt. Der NEOS-Sprecher würde sich wünschen, dass die Österreicher »mehr im Kontext Europa denken«. In einem Europa der grenzüberschreitenden Regionen könnte man gemeinsam mit Nachbarländern, als Beispiel Wien-Bratislava, »mehr bewegen«. Er widerspricht dem Regelungsverständnis der größeren Parteien. Nicht die Politik habe das Land durch die Krise manövriert, sondern die vielen tausenden Unternehmerinnen und Unternehmer in Österreich. »Arbeitsplätze werden von der Politik nicht geschaffen. Diese kann höchstens Rahmenbedingungen liefern, in denen die vielen kleineren und mittleren Unternehmen die Chance haben, zu wachsen.« Für ihn ist es auch »in der Bildungsfrage unerträglich, dass uns die Politik vorschreibt, wie Bildung auszusehen hat.« Es würde reichen, Bildungsziele festzulegen, wünscht sich Gara »autonome, selbstbestimmte Schulen«.

Für eine Besinnung auf europäische Werte plädiert Gastgeber Helmut Fallmann, Fabasoft: »Wir brauchen in Europa einen fairen Wettbewerb auch für IT- und CloudServices nach europäischen Spielregeln. Es geht nicht, dass Facebook unseren Kindern die Daten klaut. Das ist gegen das europäische Wertesystem.« Auch benötigt Europa eine schlagkräftige Wachstumsbörse für kleine Unternehmen. Solange es diese nicht gibt, »werden viele Gründungen zwar hier finanziert, die Exits passieren dann aber in den USA. Dort wird dann auch die Wertschöpfung erbracht.« Fallman weiter: »Ohne eine vernünftige Bildungspolitik in technischen und naturwissenschaftlichen Bereichen wird es schwer, weiterhin genügend Innovation zu schaffen. Dazu brauchen Europa und auch Österreich eine engere Zusammenarbeit zwischen den Universitäten, auch mit der Wirtschaft.« Ihn stört es, dass die EU »als Bürokratiemonster wahrgenommen wird«. Hilfreich wäre eine Union, so Fallmann, »die kleine und mittlere Unternehmen unterstützt und nicht nur für Großkonzerne da ist«. Bei Datenspeicherung und Datensicherheit hätten die Amerikaner mit ihren Abhöraktivitäten den Europäern »einen Elfmeter aufgelegt«, den man nur verwerten müsse. Möglich sei dies mit IT-Services, die sicherstellen, wer Zugriff darauf hat.

  

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