Sonntag, Dezember 22, 2024

Geld ist nicht alles – aber doch wichtig. Um Mitarbeiter zu halten und Leistung zu honorieren, sind Unternehmen inzwischen wieder zu Gehaltssprüngen bereit. Das Arbeitsumfeld muss trotzdem stimmen.

Seit fünf Jahren herrscht an der Gehaltsfront Stillstand. Die Wirtschaftskrise ließ viele Unternehmen die Gürtel enger schnallen. Die Mitarbeiter verzichteten – aus Angst um ihren Arbeitsplatz oder aus Loyalität zu ihrem Arbeitgeber – auf Gehaltsforderungen. So ist es kein Wunder, dass die Einkommen in allen Segmenten nahezu stagnierten. Auch die Gehälter der Führungskräfte stiegen nur wenig höher als die der Mitarbeiter.

Erst im Vorjahr kam wieder etwas Bewegung ins Einkommensgefüge. 2013 wuchsen die Gehälter laut Statistik Austria um durchschnittlich 2,7 %. Der Vergütungsreport der Unternehmensberatung Kienbaum weist für Manager Gehaltszuwächse von 4,5 % aus, die Saläre von Sachbearbeitern erhöhten sich im Jahresvergleich um 4,0 %. Im Börsel bleibt trotzdem wenig, denn das Leben ist teuer geworden. Von 2008 bis 2013 stiegen die Verbraucherpreise um 10,5 %. Alarmierende Zahlen lieferte im Vorjahr der EU-Sozialbericht: Rund eine Million Österreicherinnen und Österreicher sind armutsgefährdet, 200.000 davon sind sogenannte »Working Poor«, deren Erwerbseinkommen also zur Deckung der Grundbedürfnisse kaum oder nicht ausreicht.

Enge Gehaltsstrukturen

Durch die sanfte Konjunkturbrise spüren einige Unternehmen nun leichten Aufwind und wittern ihre Chance, sich frühzeitig gegenüber den Mitbewerbern als bessere Arbeitgeber zu positionieren. Besser – das bedeutet auch, eine überdurchschnittliche Entlohnung zu bieten. Auch für Berufseinsteiger, die trotz guter Qualifikation bisher finanziell eher kurz gehalten wurden. Personalberater Bruno Gangel, der derzeit an seinem »Gehaltshandbuch 2014« arbeitet, sieht dennoch wenig Spielraum: »Es wird nicht mehr verhandelt.« Bewerber suchen primär einen Job, der sie emotional befriedigt; Geld ist Nebensache. Die Unternehmen wiederum haben enge Gehaltsstrukturen, zu Überzahlungen sind nur wenige Firmen bereit. »Insgesamt scheint sich die gesamte österreichische Einkommenssituation einem dauerhaft niedrigen Niveau anzunähern«, meint der Gehaltsexperte. Insbesondere in kleinen und mittelständischen Betrieben können die Kostenschrauben nirgends mehr fester angezogen werden. Die wenigen verbliebenen Mitarbeiter versucht man, bei Laune und im Unternehmen zu halten. Da passt es ganz gut ins Konzept, dass Psychologen seit Jahren gebetsmühlenartig predigen, wie positiv sich ein angenehmes Arbeitsklima und Anerkennung auf die Motivation der Mitarbeiter auswirken. Eigentlich praktisch – ein bisschen Lob und aufmunternde Worte kosten nichts, das leuchtet mittlerweile auch wortkargen Vorgesetzten ein.

Nachhaltige Anreize

Doch ganz so einfach ist es nicht. Der Arbeitsforscher Frederick Herzberg unterschied bereits 1959 in seiner Zwei-Faktoren Theorie zwischen »Motivatoren« und »Hygienefaktoren«. In die erste Kategorie fallen beispielsweise Leistung und Erfolg, Anerkennung, Verantwortung und Beförderung – sie bewirken, dass man gerne zur Arbeit geht, weil dort interessante Aufgaben und Selbstverwirklichung warten. Hygienefaktoren dagegen motivieren nicht – sie fallen aber ins Gewicht, wenn etwas mit ihnen nicht stimmt. Arbeitsklima, Personalpolitik und Entlohnung zählen zu dieser Kategorie. Motivatoren sorgen für Zufriedenheit, ihr Fehlen wird als Mangel empfunden. Hygienefaktoren verhindern die Entstehung von Unzufriedenheit, tragen aber nicht zu mehr Leistung bei. Wird also das Gehalt als zu gering empfunden, leidet die Arbeitszufriedenheit und kann sogar in Demotivation umschlagen. Als Ansporn für mehr Leistung wirkt Geld andererseits nur für kurze Zeit. Dann tritt ein Gewöhnungseffekt ein, die Leistung pendelt sich wieder auf dem alten Niveau ein. In einer Umfrage der Hay Group zum Thema Arbeitsmotivation gaben 47 % der 18.000 über das Online-Jobportal Stepstone Befragten an, dass eine Gehaltserhöhung sie nicht zusätzlich anspornen könnte. Bei knapp der Hälfte der anderen müsste es schon eine kräftige Steigerung von mindes­ens 20 % sein, um einen nachhaltigen Effekt zu erzielen. Bei den Gründen für einen Jobwechsel landete »zu niedriges Gehalt« mit 60 % der Nennungen dennoch an vierter Stelle. Nur schlechtes Arbeitsklima, ein unbefriedigender Job oder ein unfairer Führungsstil können Mitarbeiter noch häufiger zu einer Kündigung bewegen. Einzig Bonuszahlungen können, so die Studie, Anreiz zu mehr Leistung bieten – allerdings nur, wenn das Vergütungssystem transparent ist und der variable Anteil nicht mehr als 30 % des Gesamtgehalts beträgt. Bei der überwiegenden Mehrheit der Befragten stößt die variable Vergütung ohnehin auf wenig Akzeptanz: 49 % der Arbeitnehmer sind nur teilweise damit zufrieden, ein weiteres Viertel empfindet sie gar als unfair.

Leistung honorieren

Die deutsche Tochter der Personalberatung Michael Page ging im Herbst 2013 in die Offensive und erhöhte die Fixgehälter um 15 %. »Wir musste etwas tun, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben«, begründete Goran Baric, Geschäftsführer von Michael Page Deutschland, den ungewöhnlichen Schritt in einem FAZ-Interview. »Leistungsbereite Leute muss man heute einfach anders bezahlen als noch vor ein oder zwei Jahren. Gute Mitarbeiter haben ihren Preis.« Der Gehaltssprung kommt Absolventen, die als Nachwuchsführungskräfte ins Unternehmen einsteigen, ebenso zugute wie langjährig Beschäftigten, um deren Einsatz zu honorieren. Baric empfiehlt diese Vorgehensweise auch seinen Kunden, die den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften teilweise schon recht deutlich spüren. Beispielsweise im Tourismus – einer interessanten Branche mit belastenden Arbeitszeiten – müssten die Betriebe inzwischen deutlich mehr bezahlen, um Fach- und Führungskräfte zu gewinnen. Engagierte Mitarbeiter können aus einer Vielzahl an Angeboten wählen. Das Rennen machen dabei nicht unbedingt Luxushotels, die glauben, aufgrund ihres renommierten Namens bei der Bezahlung drücken zu können. Auch der Diskonter Lidl Österreich hob per 1. Jänner 2014 freiwillig das Lohnniveau seiner 3.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Der Stundenlohn beträgt nun mindestens zehn Euro. Die Löhne der Beschäftigten, die schon bisher mehr verdienten, wurden mit Jahresbeginn um fünf Prozent Bonus erhöht. Umgelegt auf eine monatliche Arbeitszeit von 167 Stunden bedeutet das eine Entlohnung von mindestens 1.670 Euro statt der im Kollektivvertrag festgelegten 1.450 Euro im Monat. Für Beschäftigte in Salzburg und Vorarlberg sind es sogar mindestens 1.837 Euro, da diese Bundesländer in ein anderes Gehaltsgebiet fallen.

Die Gehaltserhöhung betrifft auch alle Leih- und Leasing­arbeiter. Etwaige Zuschläge für Mehr- und Überstunden, verlängerte Öffnungszeiten oder Sonn- und Feiertage werden durch die Aufzahlung nicht eingeschränkt. Lidl will damit im Jubiläumsjahr – die Handelskette ist seit 15 Jahren in Österreich aktiv – das Image des Handels als Arbeitgeber aufwerten, so Alexander Deopito, Vorsitzender von Lidl Österreich: »Die Wertschätzung für die Arbeit unseres gesamten Teams soll sich auch auf dem Lohnzettel widerspiegeln.«

Nicht nur Bares

Dass Geld wichtig, aber nicht entscheidend ist, zeigt sich auch im Falle der Kündigung. 76 % der Personalverantwortlichen unterbreiten dem abtrünnigen Mitarbeiter ein Gegenangebot, um ihn doch noch umzustimmen – meist mehr Gehalt (56 %), aber auch flexiblere Arbeitszeiten (46 %), ein größerer Verantwortungsbereich (36 %) oder höhere Boni (28 %). Nicht einmal jeder vierte Arbeitnehmer nimmt jedoch diese Angebote an, wenn er sich bereits für einen Jobwechsel entschieden hat.

Vielleicht wirkt es auch einfach zynisch, erst dann mit Anreizen zu locken, wenn die Mitarbeiter davonlaufen. Es muss ja nicht immer Bares sein.

Auch kleinere Unternehmen bieten bereits eine ganze Reihe unterschiedlicher Sozialleistungen an und zeigen sich dabei durchaus kreativ: Gutscheine für Wellness und Massage oder Fitnessstudios, Sprachkurse und andere Weiterbildungsmöglichkeiten, Kinderbetreuungsangebote sowie zusätzliche Urlaubstage. Das beliebteste Zubrot ist jedoch nach wie vor das Firmenauto mit Privatnutzung, gefolgt von Zuschüssen zur privaten Pensionsvorsorge.

Oft sind es zusätzliche kleine Gesten, die große Wirkung entfalten: der tägliche Obstkorb im Foyer, ein Geburtstagskuchen oder der Autokindersitz für frischgebackene Eltern. Oder jene Begleitworte, mit denen der britische Smoothie-Hersteller innocent den Mitarbeitern Monat für Monat ihr Gehalt überweist: »Love from innocent«.


Studie: Wenig Lob

Nur durchschnittlich alle 75 Tage wird Mitarbeitern Anerkennung ausgesprochen. Dieses niederschmetternde Ergebnis brachte eine Umfrage der Online-Plattform Kraftwerk, an der 200 Personen aus Österreich und Deutschland teilnahmen. Die Studie zeige ein völlig anderes Bild, als es Führungskräfte häufig wahrnehmen, erklärt Kraftwerk-Gründer Patrick Killmeyer: »Uns wurde in persönlichen Gesprächen oft gesagt, dass alles bestens sei. Das hat sich – leider – nicht bewahrheitet.«

Während 81 % der Führungskräfte befanden, häufig zu loben, attestierten die befragten Mitarbeiter ihren Arbeitgebern eine wenig wertschätzende Unternehmenskultur. Mehr als die Hälfte vergaben nur maximal vier der zehn möglichen Punkte. Die Größe des Betriebes machte dabei keinen Unterschied. Meist beschränkt sich die Anerkennung auf ein unspezifisches Lob oder ein bloßes »Danke«, 23 % der Arbeitnehmer erhalten überhaupt keine Wertschätzung. Je länger man bereits im Unternehmen arbeitet, desto länger sollte auch der Atem sein: Mitarbeiter, die seit mehr als zehn Jahren im Betrieb sind, müssen über 100 Tage auf Anerkennung warten. Gab es zum Jahreswechsel ein Lob, ist es also erst zu Ostern wieder so weit.

Deutlich besser schnitten Unternehmen ab, die bereits Maßnahmen zur Implementierung einer Anerkennungskultur gesetzt haben. Neun von zehn Befragten begrüßen derartige Schritte und sind auch bereit, diese mitzutragen.

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