Zwei spannende Bücher nähern sich dem Thema Arbeit aus unterschiedlichen Richtungen.
Jeder spricht von ihr, jammert über sie oder bekommt sie nur schwer aus dem Kopf. Mancher ist froh, ihr entfliehen zu können, wieder andere sind süchtig danach. Wer zu viel davon hat, wird seines Lebens genauso wenig froh wie der, dem sie mangelt: Arbeit ist scheinbar eine Grundkonstante des Lebens in unserer Gesellschaft, und das umso mehr, als in Zeiten der Krise und versagender Sozialsysteme ihr Verlust gar existenzbedrohend werden kann.
>>Die Tyrannei der Arbeit oder Work-Life-Bullshit <<
Dabei arbeiten wir doch, um zu leben, und nicht umgekehrt – das stellt zumindest der deutsche Mediziner und Verleger Ulrich Renz in seinem aktuellen Buch »Die Tyrannei der Arbeit« von Beginn an klar. Für ihn hat der Zwang, sich mit Arbeit den Lebensunterhalt verdienen zu müssen, in unserer Gesellschaft zu einer richtiggehenden Versklavung geführt. »Mehr Umsatz zu machen, das nächste Jahr wieder 20 Prozent mehr Gewinn, das Konkurrenzprodukt abschießen, expandieren, Marktführer werden. Das soll das Ziel sein, für das ich dieses Sklavenleben führe? Erbärmlich.« In einer großen Rundumschau wird dem Ursprung der Arbeit nachgegangen, werden Geschichte, Philosophie und Ethik der Arbeit durchleuchtet. Renz’ Schluss: Die Arbeit selbst ist nicht das Problem – wohl aber die Bedingungen, unter denen wir zunehmend gezwungen sind, sie über alles andere zu stellen.
Klingt wie die Rede von der Work-Life-Balance? Thomas Vasek, Journalist und Herausgeber des philosophischen Magazins Hohe Luft, sieht das pointierter: Just dieser »Work-Life-Bullshit«, so der programmatische Titel seines Buches zum Thema, sei dafür verantwortlich, dass wir uns nicht (mehr) mit der sinnstiftenden, lebenserfüllenden Funktion der Arbeit anfreunden dürfen. »Dieses Buch ist eine Verteidigung der Arbeit. Es richtet sich gegen die allgegenwärtige Klage über die Zumutungen der Arbeitswelt«, stellt Vasek schon in der Einleitung klar.
Für den bekennenden Viel- und Gern-Arbeiter Vasek spannt sich der Bogen ebenso fundiert wie bei Renz von antiken Philosophen bis hin zur Gegenwart der beglückenden Orts- und Zeitunabhängigkeit des neuzeitlichen Laptop-Arbeiters, der sich – endlich wieder – in seiner Aufgabe verwirklichen und darin aufgehen kann. Vasek singt das Hohelied der individuell »passenden«, glücklich machenden sinnvollen Beschäftigung mit hoher Flexibilität; in eingestreuten Interviews stellt er geglückte Beispiele dieser produktiven Symbiosen vor.
>> Die Arbeit mit neuen Augen sehen <<
So unterschiedlich die beiden Autoren ihr Thema auch beurteilen, in wesentlichen Dingen stimmen sie überein: Die möglichst sinnvolle, möglichst freie Gestaltung der Arbeitszeit ist beiden der Schlüssel zu einem glückenden (Arbeits-)Leben – wenn wir die Gestaltungsmöglichkeit über die Arbeit (wieder-)erlangen können, lässt sich auch aus Renz’ »Tyrannei der Arbeit« etwas Positives schaffen. Patentrezepte liefern dabei beide Autoren keine, wohl aber die animierende Anregung, sein (Arbeits-)Leben mit neuen Augen zu sehen.
Am besten wäre es dann wohl auch, man liest beide Bücher, um einen möglichst umfassenden Blick auf dieses Thema zu gewinnen, das keinen kalt lässt – wenn es die Arbeitszeit zulässt.
Buchtipps
Thomas Vašek: Work-Life-Bullshit. Warum die Trennung von Arbeit und Leben in die Irre führt. Riemann, 288 S., € 17,50
Ulrich Renz: Die Tyrannei der Arbeit. Wie wir die Herrschaft über unser Leben zurückgewinnen. Ludwig, 272 S., € 18,50