Sie müssen Investitionen zurückhalten, weil Sie auf Zahlungseingänge warten? Eine Möglichkeit, die Liquidität und Bilanz des Unternehmens zu verbessern, ist Factoring. Auch Sanierungsfällen bringt der Verkauf von Forderungen mehr Luft zum Atmen.
Ende gut, alles gut. Der Fall der »Schwedenbomben« ist so ein Märchen. Kaum ein Insolvenzverfahren der vergangenen Jahre nahm eine so überraschende Wende wie die Pleite des Wiener Traditionsbetriebes Niemetz, der Anfang Februar ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung beantragt hatte. Zunächst löste die Hiobsbotschaft eine einzigartige Welle der Solidarität aus. Die Hamsterkäufe stützten die Suche der Masseverwalter nach geeigneten Investoren. Der Verkauf an die rumänische Heidi Chocolat, ein Unternehmen der Meinl-Gruppe, spülte schließlich sechs Millionen Euro in die Kasse – weit mehr als erwartet. Erstmals liefen die Produktionsmaschinen über die Sommermonate weiter, im September wurde die Zahl der Mitarbeiter von 40 auf 60 aufgestockt. Auch die Gläubiger kommen voll auf ihre Rechnung.
Was weniger bekannt ist: Die nötige finanzielle Atempause verschaffte der Verkauf von Forderungen an die Intermarket Bank, eine Tochter der Erste Bank. Die rasche Finanzierung brachte sofort Liquidität, das in Schieflage geratene Unternehmen konnte vor dem Untergang bewahrt werden. Eine ähnliche Rettungsaktion half der Waldviertler Käserei »Käsemacher« wieder auf die Beine.
>> Immer flüssig <<
Dennoch sei die Rettung von strauchelnden Unternehmen eher die Ausnahme, wie Intermarket-Chef Sebastian Erich betont. Das Hauptgeschäft der Factor-Banken ist die Übernahme von Forderungen, um die Zahlungsflüsse in Unternehmen durchlässiger zu gestalten. Vor allem Handels-, Produktions- und Dienstleistungsbetriebe mit rasch steigenden oder saisonal schwankenden Umsätzen oder hohen Außenständen profitieren davon, zumal ein klassischer Bankkredit für viele Firmen inzwischen unerreichbar ist.
Das Institut zahlt 80 bis 90 % des offenen Betrags sofort aus; der Rest, abzüglich Gebühren, wird überwiesen, sobald der Schuldner bezahlt hat. »Eine Rolle spielt Factoring meist dann, wenn der Lieferant schwächer ist als sein Abnehmer«, erklärt Erich. Gerade große Handelsketten diktieren oft Zahlungsziele von 60 Tagen. Dieses gebundene Kapital wird durch die Abtretung der offenen Forderungen liquide gemacht und ermöglicht, Skonti bei eigenen Lieferanten auszunützen.
Auch bei Exportgeschäften schafft Factoring einen unternehmerischen Spielraum. Andere Zahlungsmodalitäten, sprachliche und rechtliche Besonderheiten sowie das Fehlen einer soliden Vertrauensbasis zu neuen Geschäftspartnern machen den Start im Ausland manchmal zu einem unsicheren Abenteuer. Zahlungsausfälle sind keine Seltenheit. Das Risiko lässt sich durch den Verkauf der Forderungen an eine Factor-Bank deutlich minimieren.
Auch immer mehr international verankerte Großbetriebe setzen Factoring zur Verbesserung ihrer Bilanz und Eigenkapitalquote ein. Die verkauften Forderungen scheiden beim Unternehmen aus der Bilanz aus, was ein positiveres Rating zur Folge hat – in Hinblick auf Basel III ein zusätzlicher Vorteil. Das »Schmuddelimage«, das dem Eintreiben von Forderungen durch Dritte lange anhaftete, geht nun verloren.
>> Im Team mit der Hausbank <<
In Österreich ist das Factoringvolumen trotz ansehnlicher Zuwächse in den vergangenen zehn Jahren noch immer vergleichsweise bescheiden. Insgesamt konnte sich der Markt zwischen 2009 und 2012 von rund 6,6 Milliarden Euro auf elf Milliarden Euro steigern. Mit rund 2,5 % gemessen am BIP liegt Österreich aber noch weit hinter Frankreich (9 %) oder Großbritannien (14 %), wo Factoring auf eine lange Tradition zurückblickt und als eigene Asset-Klasse gilt.
Der österreichische Markt hat sich zuletzt stark gewandelt. Der Kreditversicherer Coface zog sich völlig aus dem Factoringgeschäft zurück. Die langjährige Nummer eins, die Intermarket Bank, reduzierte ihren Marktanteil von 42 auf 32 %, nach eigenen Angaben bedingt durch den Rückzug aus Deutschland infolge des dort ungünstigeren Insolvenzrechts. Neuer Branchenprimus ist nun die Factorbank, Teil der UniCredit-Gruppe. Sehr aktiv sind weiters die Raiffeisen Factor Bank und die VB Factoring Bank der Volksbanken AG. Alle Institute erwarten eine Fortsetzung des überproportionalen Wachstums.
Wirtschaftlich sinnvoll ist Factoring in der Regel ab einem Jahresumsatz von 700.000 Euro. Die Kosten setzen sich aus der Factoringgebühr (0,1–1,5 % der Forderungssumme), der Gebühr für Limits im Rahmen der Kreditversicherung und den Zinsen für die Bevorschussung zusammen. Zusätzlich können auch das Debitorenmanagement sowie das Mahn- und Inkassowesen ausgelagert werden. Speziell für KMU sind Zahlungsausfälle erfahrungsgemäß nur schwer zu verkraften und können rasch die Substanz des Unternehmens gefährden. Vor Vertragsabschluss sollten nicht nur die Kennzahlen und Bilanzen, sondern auch die künftige Entwicklung des Betriebes thematisiert werden. Die Factoringinstitute sehen sich dabei nicht als Konkurrenz zur Hausbank. Für Herbert Auer, Vorstand der VB Factoring Bank, gilt vielmehr das Motto: »Die Bank verliert nichts, der Kunde gewinnt.«
Interview: »Sehr positive Entwicklung«
Auch internationale Großunternehmen entdecken Factoring zunehmend als Instrument zur Straffung ihrer Bilanz, beobachtet Gerhard Prenner, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Factor Bank.
(+) plus: Das Factoringvolumen ist in Österreich im internationalen Vergleich noch immer bescheiden. Sind Sie mit der Marktentwicklung zufrieden?
Gerhard Prenner: Das Factoringvolumen in Österreich hat sich in den letzten zehn Jahren verfünffacht. Ursache hierfür waren sicherlich der Wegfall von Hemmnissen wie des Zessionsverbotes und des Gebührengesetzes sowie ein grundlegender Imagewandel. Im Vorjahr lag das Wachstum bei 22 Prozent. Trotz der Finanzkrise, oder gerade deswegen, konnte Factoring stetig Zuwachsraten verzeichnen. Insgesamt verlief die Entwicklung, verglichen mit anderen Finanzierungsprodukten, sehr positiv.
Derzeit zeigt sich noch eine weitere sehr erfreuliche Tendenz am österreichischen Markt: Große Unternehmen verkaufen ihre Forderungen, um entsprechende Bilanzeffekte zu erzielen. Hier erwarten wir ein enormes Wachstum am österreichischen Factoringmarkt.
(+) plus: Für welche Unternehmen bzw. Branchen eignet sich Factoring?
Prenner: Das Branchenspektrum ist ein sehr breites. Factoring ist traditionell im Handels-, Produktions- und Dienstleistungsbereich einsetzbar. Die stärksten Branchen sind der Lebensmittel-, Elektronik- und Stahlhandel. Alle Branchen, die nicht über Teilrechnungen (wie Baubranche, Maschinenbau etc.) abgewickelt werden und sich im B2B-Bereich bewegen, sind grundsätzlich für Factoring geeignet. Das Umsatzvolumen sollte über rund einer Million Euro liegen, um auch die Kosten-Nutzen-Relation zu optimieren.
(+) plus: Zuletzt war Factoring immer wieder bei Insolvenzen, z.B. im Fall Niemetz, ein Thema. Ist die Rettung angeschlagener Unternehmen eher die Ausnahme im Factoringgeschäft oder ein neues Kundensegment?
Prenner: Factoring eignet sich hervorragend auch als Finanzierungsinstrument für die Fortführung bei einer Insolvenz. In Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter können rasch die liquiden Mittel aus den Forderungen der Fortführung bereitgestellt werden. Die Einräumung von Bankkrediten zur Liquiditätssicherung ist in dieser Situation zu langwierig. Die Art dieser Fortführungsfinanzierung ist seit Jahren erprobt und kein neues Produkt.
(+) plus: Welche Perspektiven sehen sie für den Factoringmarkt in Österreich?
Prenner: Die Aussichten sind sehr positiv. Für 2013 erwarten wir ein weiteres Marktwachstum, mindestens im Ausmaß des Vorjahres. Wir bemerken einen starken internationalen Einfluss von Großunternehmen, ihre Forderungen wegen der besseren Bilanzdarstellung an einen Factor zu übertragen. Deshalb erwarten wir in den nächsten Jahren eine enorme Ausweitung, um – wie prognostiziert – das europäische Niveau von rund sechs Prozent Factoringvolumen am BIP zu erreichen.