Freitag, Dezember 27, 2024

KMU stellen zwei Drittel der Arbeitsplätze in Österreich und müssen sich gegenüber internationalen Konzernen als attraktive Arbeitgeber behaupten. Im Spiel um die besten Talente haben sie durchaus gute Karten – sie müssen sie nur nutzen.

Ein kleiner Pavillon im Garten lädt zum Verweilen ein. Die rund 30 Mitarbeiter der Hausverwaltung Brichard nützen den idyllischen Platz aber nicht nur zum Ausspannen in den Pausen. Firmenchef Oliver Brichard stellt sich an diesem »Green Place« für Gespräche zur Verfügung. Die Anliegen reichen von Fragen zur persönlichen Arbeitssituation über familiäre Probleme bis zur grundsätzlichen Überlegungen, wie es mit dem Unternehmen weitergeht. Der Talk im Grünen findet großen Anklang; Wertschätzung wird aber auch sonst durch kleine Gesten und transparente Unternehmensstrukturen täglich gelebt.

Viele Kunden reagieren »hochgradig emotional«, wenn es um ihre »Wohnhöhle« geht, meint Immobilientreuhänder Brichard – das kollegiale Umfeld sei als Ausgleich umso wichtiger: »Lob gehört bei Hausverwaltungen nicht unbedingt zum täglichen Brot.« Auch aufgrund der unzähligen Weiterbildungsmöglichkeiten hält sich die Fluktuation in seinem Unternehmen stark in Grenzen: »Die Objekte werden von einer Person sehr langfristig betreut, was auch unsere Kunden zu schätzen wissen. So gut kann ich gar nicht alles dokumentieren – wenn ein Mitarbeiter wechselt, geht etwas verloren.« Im April wurde das Unternehmen beim »Great Place to Work«-Award zum »Besten Arbeitgeber ­Wiens« gekürt. Mit 98 % Zufriedenheit schöpfte das Team fast die maximale Bewertungsskala aus, 96 % der MitarbeiterInnen gaben an, es mache Spaß, hier zu arbeiten.

>> Schein und Sein <<
Ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, bedeute nicht, »Schein nach außen zu zeigen, sondern Sein nach innen zu leben und nach außen auszustrahlen«, meint Erich Laminger, Managing Director von Great Place to Work in Österreich. Das Forschungs- und Beratungsinstitut ist in mehr als 47 Ländern tätig und vor allem durch die jährliche Benchmarkstudie bekannt, in deren Rahmen die besten Arbeitgeber prämiert werden. Das Ranking resultiert zu zwei Dritteln aus Mitarbeiterbefragungen und zu einem Drittel aus Audits der Führungsebene. Die Arbeitszufriedenheit wird dabei anhand der Indikatoren Glaubwürdigkeit, Respekt, Fairness, Stolz und Teamgeist – formuliert in prägnanten Statements – gemessen. Sechs der heuer in Österreich ausgezeichneten Unternehmen konnten sich auch im europaweiten Ranking unter den »25 Besten Multinationalen Arbeitgebern« behaupten. Microsoft belegte den ersten Platz, EMC Computer Systems rangiert auf Platz 13 sowie Mars auf Platz 16. Weiters konnten sich SAP (Platz 21), Danone/Milupa (22) und Accor (24) einreihen.

Auch wenn die angeführten Konzerne dies suggerieren: Eine optimale Arbeitsplatzkultur ist keineswegs nur eine Sache der »Großen« – im Gegenteil. »Die Ergebnisse der Benchmarkstudie zeigen eindeutig, dass kleine und mittlere Unternehmen bessere Werte erzielen als Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern«, bestätigt Cornelia Grill, Marketing- und Salesmanagerin von Great Place to Work. So fand die Aussage »An diesem Arbeitsplatz bleibt man psychisch und emotional gesund« sowie »Befördert werden diejenigen Mitarbeiter, die es am meisten verdienen« in KMU um 19 % bzw. 17 % mehr Zustimmung als in großen Unternehmen. Lediglich bei zwei der 63 abgefragten Parameter, betreffend Sozialleistungen und Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, hatten Konzerne knapp die Nase vorn. »Unternehmen zwischen 20 und 49 Mitarbeitern weisen viel mehr Potenzial auf, als sie vielleicht selbst glauben – gerade die flachen Strukturen ermöglichen ein besseres Verhältnis zum Arbeitgeber«, erklärt Grill. »Personalmaßnahmen können in KMU individueller angepasst und stärker auf die Persönlichkeiten der Mitarbeiter zugeschnitten werden.«

>> Von Mensch zu Mensch <<
Positives Branding nach innen muss nicht viel kosten. Ein frischer Obstkorb im Foyer, Glückwünsche zum Geburtstag oder gemeinsame Aktivitäten zeigen, dass der Satz »Die Mitarbeiter sind unser wertvollstes Gut« nicht bloß eine leere Floskel sind. Die wirksamste Methode, um Arbeitszufriedenheit und Betriebsklima zu verbessern, ist ohnehin gratis: persönliche Anteilnahme. Es macht eben einen Unterschied, ob der Chef im Aufzug den Blick starr zur Tür richtet oder die kurze Fahrt nach oben für ein paar freundliche Worte nutzt. »Das muss kein Lobgesang sein, aber glaubwürdig kommen«, sagt Great Place to Work-Chef Laminger. Führungskräfte, die auch mit einfachen Arbeitern von Mensch zu Mensch sprechen, nehmen die Mitarbeiter ernst.

Geld als Lockmittel oder Leistungsanreiz funktioniert dagegen kaum, zumindest nicht auf Dauer. Trotzdem sollte die Bezahlung angemessen und fair sein. »Wenn das Geld prinzipiell stimmt, sind andere Faktoren aber wichtiger, zum Beispiel echtes Interesse der Führungskräfte an den Mitarbeitern oder die Bereitschaft, sie in Entscheidungen einzubeziehen«, erklärt Laminger. In der Befragung landeten jene Statements mit finanziellem Hintergrund stets am unteren Ende der Skala. Und obwohl das Gehaltsniveau im Handel vergleichsweise niedrig ist, findet sich unter den ausgezeichneten Unternehmen auch eine Handelskette.
   
>> Mehr Professionalität <<
80 % der KMU in Österreich sind Familienunternehmen. Deren starke regionale Verwurzelung ist ein weiterer Pluspunkt. »Generell werden kleine Betriebe persönlicher geleitet. Das macht sich auch im Rekrutierungsprozess bemerkbar, der in KMU weniger auf ›hard facts‹ ausgerichtet ist. Vielmehr stehen die Persönlichkeit sowie die soziale Kompetenz des Bewerbers im Vordergrund, und ob dieser in das Team passt«, erklärt Thomas Oberholzner, stellvertretender Direktor der KMU Forschung Austria.

An der Attraktivität der österreichischen Unternehmen hapert es nicht – ihr Potenzial nutzen aber nicht alle. Gerade das Recruiting lässt häufig an Professionalität sehr zu wünschen übrig. Vielen Arbeitgebern scheint der Paradigmenwechsel noch nicht bewusst zu sein: Heute können Unternehmen nicht mehr aus einer Vielzahl von Bewerbern wählen, sondern müssen selbst aktiv um die bes­ten bzw. geeignetsten Kandidaten werben. Eine schlampige Mitarbeiterauswahl rächt sich früher oder später, sagt Wolfgang Elsik, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien: »Fehler, die ich bei der Personalsuche begehe, können später meist nur mit erheblichem Aufwand behoben werden.«

Anhand von 55 Kriterien und mit mehr als 2.000 Blindbewerbungen untersuchte die Studie »Career’s Best Recruiters«, wie sich Österreichs Betriebe gegenüber jungen, interessierten Arbeitskräften präsentieren. Fast ein Drittel der Initiativbewerbungen – jedes Unternehmen erhielt vier, differenziert nach Alter und Geschlecht – wurde komplett ignoriert – diese Firmen erfüllten damit nicht einmal das Mindestmaß an Höflichkeit. Auf 60 % der Bewerbungsschreiben reagierten die Firmen mit einer individuellen Beantwortung, 10 % retournierten eine standardisierte Absage. Weiters fällt auf: Obwohl längst die webaffine Generation Y in den Fokus der Unternehmen rückt, setzen nur 42 % ihre Social-Media-Präsenz auch im Recruiting ein.

Manche Firmen sind aber auch auf »altmodischem« Weg schlicht unerreichbar: Jedem vierten Anrufer wurde eine telefonische Kontaktaufnahme direkt mit der Personalabteilung gar verwehrt. Studienautor Markus Gruber zieht ein ernüchterndes Fazit: »Der Eindruck drängt sich auf, dass sich viele hinter ihren Karriereportalen verstecken bzw. mit den dahintersteckenden Verwaltungsprozessen und der Verarbeitung von Bewerbungen derart beschäftigt sind, dass sie keine Zeit mehr finden, persönlich auf Bewerber und Bewerberinnen einzugehen.«


Tipp: Best Practice

Accor Österreich
Branche: Hotellerie, 850 Mitarbeiter
Jedes Jahr werden mit der »Goldenen Hummel« jene MitarbeiterInnen ausgezeichnet, die einen der Unternehmenswerte – Respekt, Vertrauen, Innovation, Eroberungsgeist, Leistung – in besonderer Weise verkörpern. Von ihren Vorgesetzten vorgeschlagen, ahnen die KandidatInnen bis zur Ehrung durch das Management Board in festlichem Rahmen nichts. Neben einer persönlichen Laudatio erhalten sie Einkaufsgutscheine im Wert von 600 Euro.

EMC Computer Systems Austria
Branche: IT, 138 Mitarbeiter
Bei einem monatlichen Company Breakfast steht der zwanglose Informationsaustausch über Funktionen und Hierarchien hinweg im Mittelpunkt. Wechselnde kulinarische Schwerpunkte werden von einem aktuellen Business Update der Geschäftsführung und Glückwünschen für Jubilare begleitet. Gastvorträge über Ernährung, Bewegung oder Burn-out-Prävention tragen zusätzlich zum Wohlbefinden der MitarbeiterInnen bei.

Janssen-Cilag Pharma
Branche: Medizinische Produkte,
142 Mitarbeiter
Am »Social Engagement Day« unterstützen die MitarbeiterInnen durch tatkräftige Hilfe Sozialprojekte. 2012 standen Adaptierungsarbeiten im Wohnheim Oberrohrbach, Gartenarbeiten im Mathiashof im Elmautal und ein Vormittag in der Hans-Radl-Hauptschule zur Wahl. Die Begegnung mit den behinderten Menschen dieser Einrichtungen wurde für alle Beteiligten zu einem bereichernden Erlebnis.

Microsoft Österreich
Branche: Software, 393 Mitarbeiter
Neben einer Vielzahl von flexiblen Arbeitszeitmodellen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt es seit 2011 für alle frischgebackenen Väter zusätzlich zum gesetzlichen Jahresurlaub zwei Wochen bezahlten Urlaub. 40 Mitarbeiter haben diese Papawochen bereits in Anspruch genommen.

Natürlich Fühlen
Branche: Apotheke/Drogerie,
72 Mitarbeiter
95 % der MitarbeiterInnen sind Frauen mit Kindern, auf die Abstimmung der Dienstpläne wird deshalb großes Augenmerk gelegt. Das Tauschen und kurzfristiges Freinehmen ist jederzeit möglich, ebenso das Mitbringen des Kindes zum Arbeitsplatz. Während der Ferien steht eine kostenlose Kinderbetreuung zur Verfügung.

Tech Data Österreich
Branche: IT-Großhandel, 59 Mitarbeiter
Im Rahmen der Integration neuer Mitarbeiter wird ein Pate als Ansprech-person für den Neuankömmling be-stimmt. Er zeigt die täglichen Abläufe im Betrieb, macht mit den Kollegen und der Unternehmenskultur vertraut. Auch im Schulungsplan wird ein Teil durch den Paten abgedeckt.

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