Studierende und Absolventen ziehen Work-Life-Balance einer Top-Karriere vor. Jobs im öffentlichen Dienst oder in der Forschung werden bevorzugt. Ein Mangel an Führungskräften ist damit vorprogrammiert.
In welcher Branche würden Sie im Idealfall nach Ihrem Studium gerne arbeiten? Diese Frage stellte Kepler Society, der Alumni-Club der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz, im Rahmen einer im Jänner 2013 erstmals durchgeführten Karriereumfrage. Rund 1.500 Studierende und Absolventen nahmen an der Studie teil. Ihre Antworten zeichnen ein eindeutiges Bild: Mehr als 30 % wünschen sich einen Job im öffentlichen Dienst. Jeweils rund 26 % sehen ihre Zukunft in den Bereichen Management und Beratung sowie Forschung und Lehre. Am wenigsten gefragt sind die Baubranche und einige Industriesparten.
>> Österreich, ein Beamtenstaat? <<
Wer hinter der künftigen geistigen Elite des Landes ein Heer von bequemen Amtsschimmeln vermutet, liegt aber falsch. Auf die Frage nach ihren Karrierezielen sprachen sich nämlich zwei Drittel der Befragten für eine ausgewogene Work-Life-Balance aus. Intellektuelle Herausforderungen (48 %)
und Sicherheit im Job (36 %) liegen mit einigem Abstand dahinter. Eine Führungskraft mit leitender Funktion zu werden, ist für rund 28 % attraktiv. Nur 10 % können sich vorstellen, ein eigenes Unternehmen zu führen.
Einen markanten Unterschied zeigt jedoch das Splitting nach Geschlechtern. Während für Frauen »Soft Facts« wie Work-Life-Balance, intellektuelle Herausforderung und Sicherheit die entscheidenden Faktoren sind, überwiegt bei Männer noch das Streben nach Status, also Führungsverantwortung oder Erfolg in der Selbstständigkeit. »Die Umfrage bestätigt das neue Bild des Akademikers, der zwar im mittleren Management oder als Projektleiter tätig sein möchte, aber bewusst auf die eigene Work-Life-Balance schaut«, erklärt Gerhard Stürmer, Präsident der Kepler Society.
Nur 17 % streben eine internationale Laufbahn an. Generell sind deshalb auch eher Klein-Mittelbetriebe die bevorzugten Arbeitgeber. Die Mehrheit der Befragten (40 %) würde sich in einem Unternehmen mit 100 bis 500 Mitarbeitern am wohlsten fühlen. Jeweils 30 % zieht es in Unternehmen mit mehr als 500 oder unter 100 Mitarbeitern.
>> Mangel an Führungskräften <<
Für Vizerektor Friedrich Roithmayr sind die Ergebnisse »nicht überraschend, aber erschreckend«. Er sieht darin ein »massives gesellschaftliches Problem«: »Wir steuern auf ein neues Biedermeier zu.« Work-Life-Balance sei schon wichtig, auf Dauer könne der Wohlstand aber nur mit Leistung gewährleistet werden. Während in Europa »Verwaltung der Vergangenheit« betrieben werde, wachse in anderen Teilen der Welt eine karrierehungrige, bestens ausgebildete Jugend heran, so die Studienleiter.
Aber auch die Unternehmen müssen sich stärker als bisher als attraktive Arbeitgeber präsentieren. Denn setzen die Absolventen ihre Karrierepläne tatsächlich um, könnte es um den Nachwuchs an Führungskräften in heimischen Betrieben schon bald schlecht bestellt sein.