Green Jobs gelten als Wundermittel für den stotternden Konjunkturmotor. Doch nur ein Bruchteil der
Arbeitsplätze wurde tatsächlich neu geschaffen und steht in engem Zusammenhang zum Umweltschutz. In der Statistik des Lebensministeriums scheinen auch Supermarktkassiererinnen und Zimmermädchen auf.
Wer »Green Jobs« hört, denkt an den Techniker für erneuerbare Energien, an die Umweltbeauftragte, die die Abfallentsorgung im Betrieb managt. »Green Jobs kurbeln nicht nur die Wirtschaft an, sondern tragen zu besserer Lebensqualität sowie Klima- und Umweltschutz bei«, erklärt auch Umweltminister Niki Berlakovich auf »Österreichs erster und grüner Karriereplattform« seinen »Masterplan Green Jobs«. Bereits jeder 20. Arbeitsplatz ist ein »Green Job«, etwa 10 % des Bruttoinlandsproduktes werden durch das Umweltwirtschaftssegment erwirtschaftet, heißt es dort.
Doch wie »nachhaltig« und »grün« sind die Arbeitsplätze tatsächlich? Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat im Auftrag der Arbeiterkammer diesen Sektor unter die Lupe genommen – und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Nur 6 % der derzeit 210.000 ausgewiesenen Beschäftigten üben tatsächlich Berufe oder Tätigkeiten aus, die direkt dem Umweltschutz dienen. Zudem sind die Jobs zumeist unter prekären Bedingungen im niedrig qualifizierten Bereich angesiedelt und schlecht bezahlt.
>> Mehr Jobs? <<
Dass die Meinungen über die Größe dieses Arbeitsmarktsegments dermaßen auseinander klaffen, liegt an der unterschiedlichen Interpretation. Institutionen wie die Internationale Arbeitsorganisation ILO oder die OECD definieren nach Bewertungskriterien, die auf die ausgeübten Tätigkeiten bezogen sind. Die Statistikbehörde der EU, Eurostat, geht dagegen zunächst vom Unternehmen und seinem Beitrag zum Umweltschutz aus – davon ausgehend wird ein bestimmter Anteil an Mitarbeitern dem Segment »Green Jobs« zugerechnet, unabhängig von deren Tätigkeitsbereichen. Auch Manager oder Angestellte in der Administration fließen in die Durchschnittswerte ein. Das österreichische Lebensministerium orientiert sich ebenfalls an dieser sehr breiten Definition, die nun auch Branchen einschließt, die mit Umwelttechnologien oder Umweltdienstleistungen nur marginal zu tun haben. Weitere Verzerrungen ergeben sich durch die Heterogenität der Unternehmen innerhalb einer Branche.
So kommt es, dass laut Statistik im Handel inzwischen 11 % der Angestellten in einem Green Job arbeiten. Handelsketten mit einem hohen Anteil von Bioprodukten am Gesamtumsatz heben den »Green Job«-Anteil der Branche deutlich an. »Ob eine Kassiererin in einem Supermarkt ein normales oder ein Biojoghurt über den Scanner zieht, macht aber für die Arbeitsplatzqualität keinen Unterschied«, sagt Studienleiterin Beate Littig. Ähnlich im Tourismus, wo Betriebe mit dem Umwelt-Gütesiegel ebenfalls in die Statistik fallen, nur weil etwa die Zimmermädchen biologisch abbaubare Putzmittel verwenden.
Green Jobs sind also nur selten wirklich »grün«. Von »Zukunftsberufen« oder einem »Konjunkturmotor« kann nicht die Rede sein. In vielen Fällen könnte man eher von Etikettenschwindel sprechen, da kaum Jobs wirklich neu geschaffen werden. Die Soziologin Littig will dem Lebensministerium dennoch keinen Vorsatz unterstellen: »Immer wenn Krisen auftauchen, wird darüber nachgedacht, wo man eine Win-win-Situation schaffen kann.« Arbeitsplätze schaffen und der Umwelt Gutes tun – zwei Fliegen mit einer Klappe. Im Fokus der von der EU initiierten »Lissabon-Strategie« für Wachstum und Beschäftigung und des Folgeprogramms »Europa 2020« standen auch noch u.a. Gesundheit und Arbeitssicherheit, also qualitative statt quantitative Ziele.
Unter diesem Aspekt scheint es, als sei die Politik an ihren Vorgaben selbst gescheitert. »Steigert Österreich den Anteil an erneuerbarer Energie bis 2020 von 23 auf 34 %, wie es das EU-Umweltziel vorsieht, können rund 75.000 neue Arbeitsplätze geschaffen und für die Umwelttechnik zusätzliche Aufträge erreicht werden«, frohlockte die österreichische Landwirtschaftskammer 2009 in einer Aussendung. Die Milchmädchenrechnung ging bisher nicht auf. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass Österreich die – ohnehin schon wenig ambitionierten – Klimaziele verfehlen wird, obwohl erneuerbare Energien sogar staatlich subventioniert werden. In Deutschland wurden die Förderungen massiv zurückgefahren – Konkurse und damit Arbeitsplatzverluste waren die Folge.
>> Gute Jobs? <<
Die erhofften positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt bleiben somit weitgehend aus. Zwar stieg die Zahl der Green Jobs auch während der heißen Phase der Wirtschaftskrise 2008/2009 geringfügig an. »Dies ist nicht als Nettobeschäftigungszuwachs zu interpretieren, da die Gesamtbeschäftigung leicht rückläufig war. Vielmehr kam es zu Verschiebungen von traditionellen zu Green Jobs«, heißt es in der IHS-Studie.
Stellt beispielsweise ein Bauer seinen Betrieb auf Bio-Landwirtschaft um, fallen er und seine Angestellten nunmehr in die Sparte Green Jobs. Die Landwirtschaft stellt somit auch die meisten »grünen« Arbeitsplätze – sowohl nach der Absolutzahl zugerechneter Green Jobs als auch gemessen an deren Anteil an der Gesamtbeschäftigung.
Noch problematischer sieht es in Bereichen aus, die tatsächlich Zuwächse verzeichnen, wie etwa die Abwasser- und Abfallentsorgung. Bereits ein Achtel der Green Jobs ist in diesem Sektor angesiedelt, auch wenn die Mehrzahl der Beschäftigten vermutlich schon zuvor bei der Müllabfuhr tätig war. Mehr Abfall bedeutet mehr Jobs – aber auch, dass Maßnahmen zur Müllvermeidung nicht genügend greifen. »Das stellt die Win-win-Situation in Frage und entspricht sicher nicht unserer Vorstellung von Umweltschutz«, sagt Littig.
Green Jobs sind auch keine hochwertigen Jobs. Die Photovoltaiktechnikerin und der Windradmonteur sind Ausnahmen. 20 % aller Green Jobs finden sich in der Land- und Forstwirtschaft, die Beschäftigung ist charakterisiert durch einen hohen Anteil an unqualifizierten Arbeitnehmern, große zeitliche Flexibilität und körperliche Belastung. Ähnlich in der Bauwirtschaft, auf die – bedingt durch die Förderungen für thermische Gebäudesanierung – rund 17 % aller Green Jobs entfallen: Auch hier ist die Gesamtbeschäftigung rückläufig, während die Zahl der Green Jobs steigt. Schwere körperliche Arbeit, gesundheitliche Belastungen und instabile Beschäftigungsverhältnisse sind die Regel.
Für Frauen bieten Green Jobs keine Perspektive. In Branchen mit hohem Frauenanteil wie Tourismus und Handel üben Frauen meist niedrig qualifizierte Tätigkeiten aus. Die besser bezahlten, qualifizierten Berufe sind Männern vorbehalten. Studienautorin Littig ortet ein strukturelles Bildungsproblem: »Die guten Green Jobs sind in erster Linie in technischen Bereichen wie der Energietechnik zu finden. Ausbildungen in diesen Bereichen machen in unseren Breiten traditionellerweise Männer.«
GRÜNE KARRIERE:
Die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit spielen bald in nahezu allen Berufsprofilen eine wichtige Rolle, nicht nur in klassischen Umweltbereichen wie Abwasser- oder Energietechnik. Branchenübergreifende Berufe, die sich mit energieeffizientem Wirtschaften oder rechtlichen Umweltfragen beschäftigen, gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die Voraussetzung für qualitativ hochwertige Jobs im Umweltbereich ist eine fundierte Ausbildung. Viele Universitäten und Fachhochschulen bieten inzwischen entsprechende Studiengänge an. Aber auch in der Weiterbildung ermöglicht der Erwerb von Zusatzqualifikationen den Start in eine grüne Karriere.
Folgende Berufsfelder sind besonders gefragt:
1. Ökologische Landschaftsplanung: Planung und Entwicklung von naturnahen und urbanen Flächen unter den Aspekten von Naturschutz und Klimawandel
2. Umwelttechnik: Entwicklung und Anwendung von technologischen Verfahren zum Schutz der Umweltbereich
3. Umweltrecht: Einhaltung der gesetzlichen Normen, vor allem betreffend Chemikalien, Klimaschutz, Lärm, Emissionen, Abfall und Abwasser
4. Naturpädagogik: Vermittlung von Wissen über ökologische Zusammenhänge an Kinder und Jugendliche
5. Regenerative Energietechnik: Erneuerbare Energie aus Wasser, Wind, Sonne, Erdwärme und nachwachsenden Rohstoffen
6. Umweltsicherung: Maßnahmen zur Vermeidung von Umweltproblemen in den Bereichen Wasser, Luft und Boden
7. Nachhaltiges Tourismusmanagement: Sanfter Tourismus nach ökologischen und sozialen Kriterien
8. Ökologisches Bauen: Ressourcenschonende und energieeffiziente Planung von Gebäuden aus natürlichen Bau- und Dämmstoffen
9. Ökologische Landwirtschaft: Biolandbau auf Grundlage möglichst naturschonender Produktionsmethoden ohne Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln, Mineraldüngern und Gentechnik sowie artgerechter Tierhaltung mit dem Verzicht auf wachstumssteigernde Mittel und Medikamente
10. Biodiversität: Erforschung und Erhaltung der Ökosysteme.
GREEN JOBS NACH BRANCHEN
Branche absolut in %
Land- und Forstwirtschaft 40.200 20,1%
Bauwirtschaft 33.400 16,7%
Handel 21.400 10,7%
Energieversorgung und erneuerbare Energien 12.500 6,3%
Architektur- und
Ingenieurbüros 11.900 6,0%
Abwasser-/ Abfallentsorgung (privat) 11.000 5,5%
Abwasser- und Abfallentsorgung gesamt 36.000 18%