Montag, Dezember 23, 2024

Korruptionsaffären können der Reputation eines Unternehmens erheblich schaden, wie etliche Affären der jüngeren Vergangenheit gezeigt haben. Die Implementierung von Compliance-Richtlinien wird, vor allem bei internationalen Geschäften, zum Pflichtprogramm. An gesetzlichen Bestimmungen kommen auch KMU nicht vorbei. Report(+)PLUS bat Rechtsexperten großer Wirtschaftskanzleien um ihre Einschätzung.

 

1. Verbotene Geschenke, Gegengeschäfte, Absprachen – im Untersuchungsausschuss präsentierte sich Österreich als Sumpf der Korruption. Wie sauber wirtschaften Österreichs Unternehmen?
2. Halten Sie das Korruptionsgesetz für ausreichend?
3. In welchem Ausmaß betreffen Compliance-­Regelungen auch KMU?


>> Martin Eckel und Wolfgang Kapek

TaylorWessing e|n|w|c Rechtsanwälte

1. Der Untersuchungsausschuss hat ganz besonders drastische Beispiele aufgezeigt, die darüber hinaus auch noch entsprechend medial begleitet wurden. Der Rückschluss, es handle sich dabei um gängige und allgemein übliche Geschäftspraktiken, ist so nicht zulässig. Mit Sicherheit hat der Untersuchungsausschuss aber dazu beigetragen, dass dem Thema Compliance eine erhöhte Aufmerksamkeit entgegengebracht wird und Unternehmen verantwortungsvolles Handeln ernster als bisher nehmen. Auch wenn immer wieder Verstöße gegen das Korruptionsstrafrecht festgestellt werden können, ist dennoch zu beobachten, dass sich österreichische Unternehmen und deren Mitarbeiter weitestgehend an die gesetzlichen Bestimmungen in diesem Bereich halten.

2. Grundsätzlich sind die bestehenden Regelungen ausreichend, wobei selbst der Präsident des Obersten Gerichtshofs (OGH), Dr. Eckart Ratz, »einige Baustellen« beim neuen Korruptionsstrafrecht sieht. Ein erst kürzlich neu eingerichteter Fachsenat für Strafsachen wegen Verletzungen der Amtspflicht und Korruption soll »die vielen offenen Fragen, die sich hier stellen, systematisch ordnen und handwerkstaugliche Lösungen erarbeiten«. Dies nicht zuletzt deshalb, da das Gesetz teilweise überschießende Regelungen vorsieht. Somit wird es letztlich Aufgabe der Gerichte sein, Antworten auf offene Fragen zu geben. Auch trägt oftmalig eine Änderung der gesetzlichen Regelungen gerade in diesem Bereich zu weiterer Verunsicherung bei.

3. Um das Unternehmen vor Schaden durch Rechtsverstöße zu sichern, ist für ein funktionierendes Compliance-­System Sorge zu tragen – dies gilt gerade auch für KMUs. Zwar sind nicht alle gesetzlichen Bestimmungen gleichermaßen auf sämtliche Unternehmen anwendbar – so gelten etwa börsenrechtliche Bestimmungen nur für börsennotierende Aktiengesellschaften –, dennoch ist gerade für Unternehmen des Mittelstands die Befassung mit Compliance zunehmend ein zentrales Thema. Versteht man doch unter dem Begriff der Compliance sämtliche Maßnahmen, die letztlich dazu führen sollen, dass gesetzliche Bestimmungen eingehalten werden; und dies gilt natürlich auch für KMUs.


>> Georg Jünger

Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte

1. Österreich ist kein Sumpf der Korruption, auch wenn die internationale Reputation in den letzten Jahren merklich gelitten hat. Erschreckend ist aber, dass so viele österreichische Unternehmen unvorbereitet sind. Wir erwarten daher, dass in den nächsten Jahren einige österreichische Unternehmen von in- und ausländischen Strafverfahren überrascht werden und dabei gravierende Nachteile erleiden.

2. Wichtig ist, dass nun Nationalratsabgeordnete nicht mehr straflos bestochen werden können; diese Lücke war peinlich und unverständlich. Die aktuelle neue Gesetzeslage ist jedenfalls weitreichend, in einigen Bereichen (etwa der weiten Amtsträgerdefinition auch bei Bediensteten ausländischer Unternehmen) schießt sie sogar etwas über das Ziel hinaus.

3. Jedes Unternehmen muss organisatorische Maßnahmen treffen, um gesetzliche Vorschriften einzuhalten. Das gilt für Strafrecht genauso wie für Gewerberecht, und für KMU genauso wie für multinationale Konzerne. Wichtiger als umfangreiche Handbücher und Lippenbekenntnisse sind aber verständliche unternehmensinterne Grundregeln, die auch tatsächlich beachtet und kontrolliert werden. Hier gibt es (nicht nur) bei KMU in Österreich riesige Defizite.

 

>> Mathias Preuschl,
PHHV Rechtsanwälte

1. »Kleinere Zuwendungen« an Kunden wie eine Flasche Wein oder eine Essenseinladung sind durchaus üblich und – sofern hier korrekt vorgegangen wird – auch nicht als Korruption zu werten. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten besteht jedoch die Versuchung, Aufträge durch Korruption zu erhalten. Hier ist Österreich sicherlich noch nicht so weit wie die skandinavischen Staaten, in welchen der Ächtung derartigen Verhaltens ein gesellschaftlicher Konsens zugrundeliegt.

2. Das novellierte österreichische Korruptionsstrafrecht hat sogar über sein Ziel hinausgeschossen. Insbesondere die Bestimmungen betreffend des »Anfütterns« sind wohl kaum vernünftig judizierbar – etwa wenn man beachtet, dass hier nicht nur materielle Vorteilszuwendungen pönalisiert werden und bei diesem Delikt massive Probleme bei der Ermittlung des Vorsatzes auftauchen werden. Solche Bestimmungen führen lediglich zu einer massiven Verunsicherung der Bevölkerung.

3. Durch das neue Korruptionsstrafrecht, welches am 1. Jänner 2013 in Kraft getreten ist, sind KMUs genauso wie große Unternehmen gut beraten, Compliance-Regelungen strikt einzuhalten. Grundsätzlich handeln alle Unternehmer nunmehr gleich. Um sich hier als Unternehmer (auch als KMU) abzusichern, ist eine kontinuierliche rechtliche Beratung unabdingbar und liegt auch in der Verantwortung jeder Führungsperson. Die Einrichtung einer Compliance-Abteilung wird sicher nur für größere Unternehmen Sinn machen. Das Einholen anwaltlicher Beratung ist aber jedem Unternehmen zumutbar.

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