PR wird als Wunderdroge gehandelt und ist gegenüber der klassischen Werbung angeblich im Vormarsch. Aber stimmt das wirklich? Was PR und Werbung leisten, wo die Grenzen sind.
Krise? Wer das unsägliche K-Wort nach gut einem halben Jahrzehnt Dauerberieselung – oder sollte man besser »Dauerbekriselung« sagen – nicht mehr hören kann, ist sicher in guter Gesellschaft. Und kann vielleicht aufatmen: Trotz der schlimmen Arbeitsmarktzahlen könnte so etwas wie ein Ende der K-Wort-Inflation in Sicht sein. Die PR-Profis der Industriellenvereinigung wurden ob der vergleichsweise guten Aussichten fast schon lyrisch und griffen bei der Headline einer der jüngsten Presseaussendung ordentlich in die Tasten: Konjunkturwinter mit ersten Aufhellungen! Ähnliche Stimmungsbilder vermittelt auch das deutsche Wirtschaftsministerium. Aufhellung auch dort, obwohl das BIP im vierten Quartal so stark eingebrochen ist wie zuletzt 2009. Wie man gute Nachrichten so verpackt, dass die Medien darauf anspringen, weiß auch der Deutsche Industrie und Handelstag (DIHK). Das achte Jahr in Folge werden in der deutschen Industrie auch 2013 Arbeitsplätze geschaffen, wurde kürzlich vermeldet. Der DIHK verpackte die eher trockenen Arbeitsmarktzahlen mit dem Sager: »Das gab es in der Bundesrepublik zuletzt in Wirtschaftswunderzeiten.« Das war so griffig, dass Medien in halb Europa die Story gerne übernahmen.
Es geht also wieder aufwärts. Aber in den Branchen PR und Werbung ist es ohnehin nie so richtig abwärts gegangen, maximal seitwärts. Durch nackte Zahlen und Fakten ist dieser Umstand vor allem für den Sektor Werbung gut dokumentiert. Die heimischen Werber haben so etwas wie einen ewigen Frühling, der schon ein paar Jahrzehnte andauert. Besonders beeindruckend nimmt sich etwa die Entwicklung der Beschäftigtenzahl aus, die der WKO-Fachverband »Werbung und Marktkommunikation« präsentiert. Bei der Skalierung hat der Fachverband ein bisschen in eine alte Trickkiste gegriffen, die eine Entwicklung besonders gut – oder auch schlecht – aussehen lassen soll. Die Einengung des Wertebereichs suggeriert hier, dass die Beschäftigtenzahl seit 2002 quasi von null auf hundert explodiert ist. Notwendig wäre der optische Trick nicht gewesen, denn auch so sehen die Zahlen gut aus.
Selbst im Krisenjahr 2009 konnte man maximal von einer Wachstumsdelle sprechen, die 2010 auch schon wieder ausgebügelt war. Werbung wirkt, das zeigen nicht nur die Beschäftigtenzahlen, sondern vor allem die Bruttowerbeumsätze. Die von Focus Marketing Research erhobenen Zahlen reichen weit in die Vergangenheit zurück und zeigen die gute Verfassung der Werbebranche. 1990 lag der Bruttowerbeaufwand noch bei 836 Millionen Euro pro Jahr. Was folgt, ist ein endlos langer und beinahe linearer Anstieg auf knapp 3,85 Milliarden Euro 2011. Von Dellen ist nichts zu bemerken, gerade einmal die New Economy und später die Finanzmarktkrise führen zu einer leichten Einbremsung des konstanten Wachstums. Auch aus anderen Blickwinkeln nimmt sich die Entwicklung positiv aus. Seit 2008 wachsen die Werbeausgaben etwa stärker als das BIP. Presse und TV, darauf entfällt der Löwenanteil der Ausgaben, entwickelten sich auch zuletzt recht ordentlich. Von 2010 auf 2011 stagnierten lediglich die Bereiche Außenwerbung und Radio, Online ging sogar von 134 auf 119 Millionen Euro zurück. Der Rückgang der Online-Werbeausgaben klingt zwar dramatisch, ist aber auch nur eine Frage des Blickwinkels, der den Einbruch schnell relativiert: 2006 lagen die Online-Ausgabe noch bei mickrigen 28 Millionen.
Quer durch alle Teilbereiche sagen die Zahlen vor allem eines: Werbung wirkt wirklich. Kein Wunder, dass der Markenartikelverband gerade seine 17. Kampagne zu »Achten Sie auf die Marke« anrollen lässt, die alleine einen Bruttowerbewert von rund drei Millionen Euro repräsentiert. Diese »Macht der Marke« ist ohne kontinuierliche Werbung und Imagepflege nicht vorstellbar. Weil die Zahlen so schön groß sind, sind auch die jährlichen Bestenlisten der Markenwerte sehr beliebt: Interbrand taxiert Apple aktuell auf 77 Milliarden Dollar, Millward Brown auf 183 Milliarden.
Das klingt ziemlich nach Kaffeesudlesen, zeigt aber, welche Werte im Spiel sind. Und wo die Grenzen von Werbung sind: Für ein Drei-Personen-KMU ist eine Werbekampagne kaum leistbar – oft nicht einmal im Bezirksblatt.
>> Menschen für Menschen <<
Die von Werbung transportierten Stimmungsbilder sind mittlerweile nicht nur für klassische Markenartikler interessant. Vor allem, wenn es imagemäßig kriselt. Die Telekom Austria zeigte dem Publikum in eindrücklichen Bildern etwa, dass das Unternehmen nicht nur aus Falotten und frechen Nehmern besteht. Quer durch die Bundesländer klettern da sympathische Mitarbeiter auf Funktürmen herum und kümmern sich rührend um das Wohl der Kunden. Menschen für Menschen sozusagen – wer kann so einem Konzern schon böse sein?
Aber für breite Imagekampagnen muss es nicht immer kriseln. Auch die voestalpine setzt bei ihrer jüngsten Kampagne auf den menschlichen Wohlfühlfaktor. »Einfühlsam und anschaulich« – so der Pressetext dazu – werden die persönlichen Stärken und privaten wie beruflichen Seiten am Beispiel von fünf Mitarbeitern ausgeleuchtet. Das Motto: »Wir nehmen die Zukunft in die Hand.« Das klingt ein bisschen schwammig, ist aber noch 1.000-mal konkreter und berührender als die SPÖ-Plakate der 90er. Erinnert sich noch jemand an den schönen und einsamen Baum in einer weiten Landschaft, der welche geheime Botschaft auch immer transportieren sollte?
Aber für Politik und Ministerien gelten ohnehin eigene Regeln. Die Kampagnen des Bundesheeres sind bisweilen so lustig, dass Feinschmecker des Skurrilen schon Fangemeinden im Netz bilden. Auch nicht schlecht war die Vergabe der letzten Wahlkampfwerbung der Wiener ÖVP an die befreundete Agentur Headquarter. Die Werbeprofis schafften es tatsächlich, einen sympathischen Michael Häupl flächendeckend so zu plakatieren, als ob die SPÖ die Kampagne ausgeheckt hätte.
Aber wenn Politik im Spiel ist, wird nicht nur Werbung etwas schräg. Unvergesslich ist etwa die Grasser-Roadshow – bis heute eine der teuersten PR-Kampagnen, die die heimische PR-Branche jemals gesehen hat. Bemerkenswert waren schon damals die Umstände der Ausschreibung. Ein Agenturchef zog sein Angebot – nach erheblichen Vorarbeiten – entnervt zurück, weil der Gewinner ohnehin bereits feststand.
Auch noch so gute Werbung hat ihre Grenzen. Die Botschaft muss halten. PR hat aber noch ein anderes Problem: Lobbyismus der Marke »Wos woar mei Leistung«. »Da ist nichts schönzureden: Die Skandale und Aufregungen der letzten Jahre verursachten einen Imageschaden«, konstatiert Ingrid Vogl, Präsidentin des Public Relations Verband Austria (PRVA). Mit einem Ethikrat und Bewusstseinsbildung in Richtung Transparenz will der Verband gegensteuern. Ebenso mit einer rigiden Politik nach innen: Sind schwarze Schafe einmal erkannt, werden sie blitzartig aus dem Verband entfernt. »Die Spreu vom Weizen trennen«, sagt Vogl dazu. Transparenz wird auch am »Kommunikationstag«, der heuer erstmals im Juni stattfindet, gepredigt werden. Das vermeldet Vogl aus Berlin – dort ist sie gerade, um gemeinsam mit Branchenkollegen über Transparenz und Lobbyismus nachzudenken. Berlin ist wie Brüssel ein Hotspot für Lobbyisten. Alleine in Brüssel sind geschätzte 30.000 »Einflüsterer« unterwegs, die der EU nicht nur gute Tipps geben. Laut einer aktuellen Meldung des kritischen Beobachters »Lobbyplag«, mit Max Schrems ist dort auch ein Österreicher prominent involviert, sollen die EU-Abgeordneten die jüngsten Änderungsvorschläge zur Datenschutzreform in weiten Teilen wortgleich von Lobbyisten übernommen haben.
Neu sind solche Vorwürfe nicht. Dass die Expertengruppen ziemlich industrielastig agieren, räumte überraschend freimütig EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier anlässlich der Privatisierungsdebatte um das Wasser laut Medienberichten erst kürzlich ein. Die Expertengruppen sollten laut Barniers tatsächlich ausgeglichener besetzt sein. Lobbyisten schreiben nicht nur in Brüssel die Gesetze gleich selbst. In Österreich wird – unter der Hand – etwa die Hausbrieffachanlagenverordnung als Werk von Konzernjuristen gehandelt. Dass die Briefkastln so ausschauen, wie sie ausschauen, und so finanziert werden, wie sie finanziert werden, soll auf einen mächtigen Medienkonzern zurückzuführen sein.
>> PR – das unbekannte Land <<
PR und Lobbyismus werden gerne vermischt. Nach Peter Hajek von Public Opinion Strategies weiß fast die Hälfte der PR-Treibenden, dass PR die »Beziehung einer Organisation zur Öffentlichkeit« bezeichnet. Aber nur 37 % aller CEOs können davon auch Lobbyismus unterscheiden, der als Informationsaustausch zwischen politischen Entscheidungsträgern definiert ist. Gut die Hälfte weiß Werbung und PR auseinanderzuhalten.
PR hat großen Einfluss auf Medien und Meinungsbildung. Das gilt umso mehr, als in den Redaktionen gespart wird. Wer blitzschnell eine »Story« liefert – und abseits des Boulevards dann noch mit Fakten, Zahlen und Hintergründen aufwarten kann –, hat medial fast schon gewonnen. Zumal die Zahl der Unternehmen und Verbände, die in Österreich mit wirklich professioneller PR aufwarten, überschaubar ist. Professionell heißt auch: Wir liefern die Infos, auf den Output nehmen wir keinen Einfluss.
Ganz Friede, Freude und Eierkuchen ist auch die perfekte PR-Welt nicht. Einer der Topkonzerne schaffte es etwa via ungeplantem CC in einer Presseaussendung, den Journalisten erstaunliche Details zu offenbaren. Da konnte man nachlesen, wie und warum der Konzern die Journalisten in die »Guten« und die »Bösen« trennt. Die Guten sind willfährig und leicht steuerbar, die Schlechten kritisch. Eher peinlich für die Medien: Die »Guten« waren massiv in der Überzahl. Wahrscheinlich mit ein Grund, warum darüber nicht viel zu lesen war.
Aber die heimische PR-Branche hat ohnehin andere Sorgen. Transparenz ist ein heißes Thema, Glaubwürdigkeit ein anderes. »Nie glauben, was als das Gelbe vom Ei verkauft wird. Und schon gar nicht das Blabla der Agenturen, das in Fachzeitschriften abgesondert wird«, so ein Agenturchef. Die heimische Szene sei eines zivilisierten EU-Landes nicht würdig, das »Pitching« oft politgesteuert und sinnlos. Tatsächlich kann die Branche anders als etwa Werbung nicht mit aktuellen Zahlen und Fakten aufwarten. Die letzte Grundlagenstudie ist schon einige Jahre alt, ein Manko, das der PRVA demnächst ausbügeln will. Die Uni Salzburg arbeitet gerade an einem Update, das auch konkrete Umsatz- und Beschäftigtenzahlen transparenter machen soll.
Aber bereits die alten Zahlen geben einen Einblick in die Branche. So wurde damals festgestellt, dass der Einfluss von PR insgesamt zunehmen werde. Ein Befund, dem auch die aktuell Befragten Marktteilnehmer zustimmen. Gründe dafür liefert etwa Peter Aigner, Chef der Aigner PR. Nicht nur dass der Kostendruck ohnehin permanent steige, die Krise befeuere den Trend noch. PR sei »billig« und im Vergleich zu klassischen Kampagnen auch für die kleinen heimischen KMU leistbar. Aber gerade die Kleinteiligkeit hat auch Nachteile. Bei der WKO sind aktuell rund 2.700 PR-Agenturen gemeldet, ca. 700 davon ruhend. Bleiben immer noch 2.000 aktive. »Im Medienbereich werden etwa viele Leute freigesetzt. Und alle wollen im PR-Sektor unterkommen«, sagt Franz Temmel, Chef der Agentur Temmel und Seywald. Die Flut der neuen Einzelberater drücke auf die Preise. »Echte Agenturen können da nicht mithalten«, so Temmel. »Die Umstände, aber auch die Politik, drängen immer mehr Leute in die Selbständigkeit, weil dort angeblich Milch und Honig fließen. Das ist aber nur unverantwortlich«, moniert ein anderer Agenturchef. Was abseits der Einzelkämpfer übrig bleibt, sind in Österreich gerade vielleicht ein Dutzend Agenturen. Geht es um internationale Ausschreibungen, wird die Luft noch dünner. Gerade ein, zwei Agenturen erfüllen die Bedingungen von einem Mindestumsatz. Die anderen sind automatisch draußen. »Hochegger? Der wurde nur durch einen anderen ersetzt«, raunzt ein Agenturboss. Der Preisdruck kommt auch von »Promis« in der Branche selbst. Elisabeth Mattes wollte sich nach ihrem TA-Abgang eigentlich selbständig machen, geworden ist daraus nichts. TA-Kollege Martin Bredl hat seine Take Off PR gegründet. Wie man der Flut von Einzelkämpfern und dem Preisdruck ausweicht, glaubt Sabine Duchaczek für ihre kleine und feine »Advantage Strategy & Public Affairs« gefunden zu haben. Umsatzmäßig mischt Duchaczek freilich auch schon oben mit. Ihr Rezept, um dem Preisdruck auszuweichen, ist eine Spezialisierung auf Bereiche wie etwa
Change Management oder Litigation PR für Anwälte. Fade Folder, Einladungen oder Pressekonferenzen macht und organisiert eh bald jeder. Aber nicht jeder spielt in Gernot Rumpolds Liga, wo eine schnöde Pressekonferenz auch schon einmal 96.000 Euro kostet. Aber mit PR gibt sich Rumpold ohnehin nicht mehr ab. Wie er dem Report (+)PLUS schon vor längerem bekanntgab, ist er jetzt Immo-Investor.
> Beuerbrenner Werbung:
n den Medien wird manchmal gejammert, als ob es kein Morgen gäbe. Die nackten Zahlen sprechen eine andere Sprache. Nach einer Studie des WKO-Fachverbandes Werbung und Marktkommunikation stieg die Zahl der Beschäftigten in den letzten zehn Jahren stark an. Selbst das Krisenjahr 2009 brachte nur eine kleine Delle. Auch der von Focus Research erhobene Bruttowerbeaufwand spricht Bände. Wurden 1990 noch 836 Millionen Euro für Werbung ausgegeben, waren es 2011 bereits knapp 3,85 Milliarden Euro. In den letzten fünf Jahren verteilte sich der Zuwachs quer über alle Bereiche wie Kino, TV, Gelbe Seiten, Medien, Außenwerbung oder Direct Marketing. Lediglich der Hörfunk wuchs nur geringfügig. Ein absoluter »Ausreißer« ist der Bereich Online. Dort vervielfachten sich die Werbeausgaben von 2006 bis 2011 von rund 28 auf 119 Millionen Euro. Von einer Werbekrise in den Medien ist auch nicht viel zu bemerken. Im selben Zeitraum stieg das Volumen im angeblich so gebeutelten Printbereich von rund 1,25 Milliarden auf 1,77 Milliarden Euro.
> Der unscharfe Markt PR:
Wirklich harte – und vor allem aktuelle – Zahlen über den PR-Markt gibt es kaum. Die letzte Grundlagenstudie des Public Relations Verbands Austria (PRVA) ist von 2006. Einblicke gibt die Studie trotzdem. So war damals der Großteil der PR-treibenden Unternehmen der Ansicht, dass die Bedeutung von PR zunehmen werde. Ein Befund, der auch 2013 von allen befragten Insidern weitgehend geteilt wird. Gewachsen sein dürfte die Größe der PR-Abteilungen. Immerhin 38 Prozent der PR-treibenden Unternehmen beschäftigen fünf oder mehr PR-Mitarbeiter. Das Marktvolumen – interne Kosten und Agenturhonorare – dürfte insgesamt bei rund einer Milliarde Euro liegen. Die PR-Unternehmen sind überwiegend One-Man-Shows. Bei der WKO sind 2.700 Agenturen gemeldet, rund 700 davon ruhend. Gerade einmal vier oder fünf Agenturen sind groß genug, um die Ausschreibungskriterien vieler öffentlicher Stellen zu erfüllen. An manchen Ausschreibungen scheitern selbst die Branchengrößen. »Die heimische PR-Szene ist eines EU-Landes nicht würdig«, meint ein Agenturchef off records.