Montag, Dezember 23, 2024

Zeitarbeit wird immer strenger reglementiert und teurer. Klaus Lercher, Geschäftsführer der Trenkwalder Personaldienste GmbH, über die jüngste Gesetzesnovelle, spanische Facharbeiter und warum sich mit Personalvermittlung allein nichts mehr verdienen lässt.

 

(+) plus: Zeitarbeit gilt als Konjunkturbarometer. Als Personaldienstleister können Sie aus Ihrer Auftragslage die künftige Entwicklung ablesen. Wie sieht Ihre Wirtschaftsprognose für heuer aus?
Klaus Lercher: Momentan ist die Lage stabil und wird auch im ersten Quartal so bleiben. Ab dem zweiten, dritten Quartal erwarte ich in der Zeitarbeit schon einen leichten Aufschwung. Wir sind die Ersten, die spüren, wenn es bergab geht, aber auch, wenn es wieder bergauf geht. Am Beginn eines Aufschwungs greifen die Firmen immer zuerst auf flexible Kräfte zurück, weil sie nicht wissen, ob die neuen Aufträge von Dauer sind.

(+) plus: Trotz steigender Arbeitslosenraten steht Österreich international noch vergleichsweise gut da. Ist mit weiteren Zuwächsen zu rechnen?
Lercher: Das Paradoxon ist: Wir haben einen Höchststand bei den Beschäftigten, aber auch bei den Arbeitslosen. Es gibt sehr viele neue Arbeitsplätze in Österreich. Einige Stellen werden mit Dienstnehmern aus dem Ausland besetzt, andererseits kommen viele Frauen aus der Karenz zurück und suchen wieder einen Job.
Das Hauptproblem sind aber Hilfsarbeiter. Niedrig qualifizierte Arbeitsuchende müssen Ausbildungen absolvieren, um wieder für den Arbeitsmarkt interessant zu sein. Je länger jemand arbeitslos ist, umso teurer und schwieriger wird es, ihn wieder in eine Beschäftigung zu bringen. Zeitarbeit ist da eine wichtige Ergänzung. Unter den Top- 10-Abnehmern des AMS sind acht Zeitarbeitsunternehmen. Zeitarbeit ist eine Beschäftigungsform, die Menschen aus der Arbeitslosigkeit holt. 

(+) plus:
  Einige Unternehmen haben im Vorjahr gemeinsam mit der Wirtschaftskammer auf Jobbörsen in Madrid und Athen gezielt um Fachkräfte geworben. Merken Sie verstärktes Interesse aus diesen Ländern aufgrund der Wirtschaftskrise?
Lercher: Viele glaubten schon, Österreich würde nach der Ostöffnung überrannt. Das verläuft aber ganz langsam. Ein Hilfsarbeiter aus dem benachbarten Ausland kostet inklusive Zulage, Fahrtkosten und Spesen um 3-4 Euro pro Stunde mehr als ein Beschäftigter aus der Region. Bei Facharbeitern sind österreichische Unternehmen bereit, diesen Mehrpreis zu bezahlen. Im Hilfsarbeitersegment aber nicht, deshalb bleibt der große Ansturm aus. Aber selbst bei Fachkräften gibt es das Problem der Qualifikation. Wir haben in Österreich vor allem im technischen Bereich ein sehr hohes Niveau, oft entspricht die Ausbildung nicht unserem Standard. Eine Ausnahme ist die EDV-Branche, wo sprachliche Barrieren keine Rolle spielen. Da holt man sich auch Programmierer aus Griechenland oder Spanien. Für uns ist das momentan noch kein Erfolgsmodell, weil der Aufwand sehr groß ist und die Rentabilität eher gering.

(+) plus:  Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung ist fast jeder vierte Deutsche schon einmal aus beruflichen Gründen umgezogen. Für Österreich wurden leider keine Zahlen erhoben. Aber sind die Österreicher Ihrer Erfahrung nach ähnlich mobil?
Lercher: In Österreich ist die Bereitschaft mit Sicherheit nicht so groß. Die Mitarbeiter wünschen sich den Arbeitgeber möglichst ums Eck und bestens bezahlt. Jeden Tag 120 Kilometer hin und zurück sind für österreichische Verhältnisse viel, in Deutschland ist das fast ein Spaziergang. Wir hatten aber auch aufgrund unserer Arbeitsmarktsituation noch keine Not. Wenn ein Facharbeiter einen Job sucht, findet er einen. Er muss nicht pendeln.

(+) plus:  Die im Vorjahr beschlossene Auflösungsabgabe hat zu Unmut in der Zeitarbeitsbranche geführt. Bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses müssen nun 113 Euro an das AMS gezahlt werden, die jeweils zur Hälfte Arbeitsmarktrücklagen bzw. Eingliederungsmaßnahmen zugute kommen. Warum fühlen Sie sich ungerecht behandelt?
Lercher: Wir bringen Menschen in Beschäftigungsverhältnisse. Einige Branchen sind von der Abgabe ausgenommen, Zeitarbeitsunternehmen nicht. Das finden wir nicht fair. Menschen mit Problemen oder niedrigen Qualifikationen ist damit nicht geholfen.

(+) plus:  Wenn die Gelder zum Teil in Ausbildung investiert werden, können Sie doch diese Leute später leichter vermitteln?
Lercher: Das greift aber erst, wenn das Geld da ist. Diese Menschen müssen zuerst Beschäftigung haben, das Arbeitsverhältnis wird aufgelöst, dann fließt das Geld in die Qualifizierung. Ich muss bei einem Hilfsarbeiter aber schon vorher kalkulieren, ob sich ein Einsatz von drei Wochen rechnet. Rechnet er sich nicht, bleibt er sitzen – das heißt, diese 113 Euro fließen auch nicht, sondern er bleibt drei Wochen länger arbeitslos. Wir haben Hilfsarbeiter, denen wir vier, fünf Mal neue Jobs zuweisen. Unter Umständen wird die Auflösungsabgabe also mehrmals pro Jahr fällig. Wenn der Kunde nicht bereit ist, das zu zahlen, wird das ein Problem. Diese Maßnahme verhindert im niedrig qualifizierten Bereich Beschäftigungsverhältnisse.

(+) plus:  Die Novelle zum Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) bringt vor allem mehr Sicherheit für die Dienstnehmer. Warum ist Ihnen gerade die 14-tägige Vorankündigungsfrist von Entlassungen ein Dorn im Auge?
Lercher: Die Vorankündigungsfrist kommt nicht bei der Auflösung von Dienstverhältnissen zum Tragen, sondern wenn unser Dienstnehmer nach einem Einsatz zu einem anderen Beschäftiger wechselt. Man macht uns als Zeitarbeitsunternehmen für etwas verantwortlich, das eigentlich den Beschäftigerbetrieb betrifft. In Wirklichkeit weiß der Beschäftiger als Einziger, wann ein Auftrag enden wird.

(+) plus:  Ist das in der Praxis immer so leicht planbar? Auf einer Baustelle hängt es doch z.B. auch vom Wetter ab, ob Arbeiten früher oder später fertig werden.
Lercher: In Industriebetrieben ist es sicher einfacher zu planen als im Baugewerbe. Unsere Aufgabe ist es, unsere Kunden dahingehend zu informieren, sich an die Spielregeln zu halten. Es ist ja nicht erfreulich, wenn mir am Freitag 20 Mitarbeiter zurückgeschickt werden und ich diese bis Montag wieder positionieren muss. Stehzeiten kommen sehr teuer.

(+) plus:  Die Zahl der atypischen Beschäftigungsverhältnisse, vor allem über Werkverträge und freie Dienstnehmer, ist stark im Steigen. Greifen Unternehmen vermehrt zu diesen Beschäftigungsformen, weil Zeitarbeit inzwischen sehr strikt geregelt ist?
Lercher:  Ja, und was außerdem bemerkbar ist: Zeitarbeiter sind durch die Anlehnung an den Kollektivvertrag der Metallbranche inzwischen so teuer geworden, dass die Unternehmen sie an Dienstleister auslagern, die dem AÜG nicht unterliegen – etwa direkt an Callcenter. Die Mitarbeiter verdienen dadurch pro Monat 200 Euro weniger und sind schlechter abgesichert. Da frage ich mich schon: Wie sinnvoll ist das?

(+) plus:  Sie sind seit September auch Präsident des Branchenverbandes VZa, der mehr als 70 Zeitarbeitsfirmen vertritt. Ist die Vermittlung von niedrig qualifizierten Hilfskräften tatsächlich unrentabel geworden, wie der Verband im Vorjahr kritisierte?
Lercher: Als österreichisches Unternehmen ist es unter diesen Rahmenbedingungen absolut schwierig, beispielsweise mit einem polnischen Anbieter mitzuhalten, der Arbeitskräfte hierher bringt und keine Auflösungsabgabe zahlt. Wettbewerbsrechtlich haben wir einen Nachteil. In Österreich kostet eine zugekaufte Hilfsarbeiterstunde 25 Euro, in der Slowakei 8-12 Euro. Bei 300 Stellen ist die kaufmännische Entscheidung sehr einfach. So verlieren wir jedes Jahr hunderte Stellenkontingente, weil viele Unternehmen ihre Produktion ins Ausland absiedeln.

(+) plus:  Sie bieten inzwischen die Abwicklung der gesamten Recruiting- und Abrechnungsprozesse  von MitarbeiterInnen sowie Trainings im HR-Bereich an. In der Öffentlichkeit gilt Trenkwalder noch primär als Spezialist für Zeitarbeit. Werden Sie von den Unternehmen bereits als Personalberater wahrgenommen?
Lercher: Wir haben eine große Unternehmensstruktur mit 45 Filialen. Was wir im Hilfsarbeitersegment verlieren, müssen wir kompensieren. Inzwischen gibt es rund 2.000 Personaldienstleister, wobei sich die Top 10 rund 50 % des Marktes teilen. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss man sehr professionelle Dienstleistungen anbieten und mehrere Standbeine aufbauen. Nur wenige wissen, dass wir in Österreich auch Marktführer in der Personalvermittlung im Angestelltenbereich sind. Das Recruiting erstreckt sich von der Hilfskraft bis zum CEO. Früher wären kleine Unternehmen im ländlichen Bereich nie auf die Idee gekommen, eine Assistentin für zwei Jahre zu leasen, weil eine in Karenz geht. Heute sind flexible Arbeitsformen gang und gäbe. Ein großer Teil des Umsatzes kommt bereits aus der Personalberatung. Die Nachfrage der Kunden ist sehr viel versprechend. Dieses Marktsegment wird sicher noch steigen.

(+) plus: Viele Firmen und Bewerber setzen inzwischen auf Online-Plattformen. Ist die Personalsuche über Printmedien passé?
Lercher: Das eine geht nicht ohne das andere. Wir dachten schon einmal, wir könnten auf Inserate in Printmedien verzichten. Aber wir sehen an den Rückläufen, dass wir die Kombination von beiden brauchen. Es ist eher eine Frage der Altersstruktur. Jugendliche suchen ganz selbstverständlich online, Facharbeiter ab 40 greifen in erster Linie zu Printmedien. Die mediale Präsenz spielt natürlich auch eine Rolle. Wenn wir drei Monate in einer regionalen Zeitung wie etwa der NÖN kein Inserat schalten, entsteht der Eindruck, dass es uns nicht mehr gibt. Auch für die Kunden ist es ein Signal, dass wir sehr aktiv sind.

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