Zukunft für elektronische Wahlen
(+) plus: Worin sehen Sie den Vorteil von Onlinewahlen gegenüber dem herkömmlichen Gang zur Wahlurne oder zur Briefwahl? Warum sollten sich demokratische Gesellschaften mit E-Voting überhaupt beschäftigen?
Manuel Kripp: In Zeiten hoher Mobilität und Flexibilität ermöglicht die Onlinewahl die Stimmabgabe unabhängig von Zeit und Ort. Dies erleichtert das Wählen ungemein für zum Beispiel im Ausland lebende oder körperlich eingeschränkte Wähler. Auch aus administrativen Aspekten ist Onlinevoting interessant. Ist ein E-Voting-System einmal implementiert, vereinfacht und verbessert es den Wahlprozess durch höhere Transparenz und Automatisierung in der Verwaltung sowie durch sinkenden Logistikaufwand und Kosten.
Jede Demokratie ist über die Abhaltung von regelmäßigen Wahlen definiert. Die Beteiligung an Wahlen ist ein determinierender Faktor des Erfolgs. Eine Möglichkeit diese Beteiligung hochzuhalten, ist das Angebot verschiedener Wahlkanäle, um die Teilnahme so einfach und so bequem wie möglich zu machen. Auf der Konferenz wurde der Begriff Superdemokratie verwendet. Sie zeichnet sich durch ein Direktheit und eine ausgeprägte Transnationalität aus – und erfordert somit eine digitale Komponente.
(+) plus: In jüngsten Aussagen der regierenden Parteien werden E-Voting zwar gewisse Vorbehalte entgegengebracht, aber doch wieder eine nähere Zukunft eingestanden. Wodurch sehen Sie die Entwicklung von Onlinewahlen bislang in Österreich gebremst?
Kripp: Die positivere Einstellung zu E-Voting in Österreich ist zu begrüßen und die Politik zu einer hoffentlich stärkeren objektiveren Betrachtung des Themas zu beglückwünschen. Die jüngsten Aussagen zeigen eine weitere positive Komponente für Onlineabstimmungen außerhalb von Wahlen, etwa bei Bürgerbefragungen und Bürgerentscheiden. Durch den Einsatz von Onlinetools ist eine verstärkte, schnelle und effiziente Bürgerbeteiligung möglich.
Die Gründe für die schleppende Entwicklung in Österreich sind mehrheitlich politischer und rechtlicher Natur. Technisch waren wir bereits bei der ÖH-Wahl 2009 auf einem Stand, der die Abwicklung von Onlinewahlen erlaubte. Rechtliche Herausforderungen liegen in der nur teilweise vorhandenen Regulierung von Onlinewahlen und E-Voting im Rahmen des Hochschulgesetzes und des Wirtschaftskammergesetzes. Es gibt keine grundlegende Regelung auf nationaler Ebene. Diese übergreifende Regelung ist abhängig vom politischen Willen, der in den letzten Jahren nicht gegeben war. Die Revitalisierung des Themas E-Voting durch die Staatssekretäre Sebastian Kurz und Fritz Ostermayer zeugt davon, dass auf politischer Ebene Bewegung in das Thema kommt und eine erneute Diskussion angestrebt wird.
(+) plus: In welchen Teilen Europas ist E-Voting bereits weit fortgeschritten?
Kripp: Frankreich hat im Juni 2012 den im Ausland lebenden WählerInnen die Möglichkeit gegeben, über das Internet die Abgeordneten für die Nationalversammlung direkt zu wählen. Estland ist seit 2005 der unbestrittene Vorreiter und blickt auf die längste Vergangenheit mit erfolgreichen Onlinewahlen bei politischen Wahlen zurück. Die Schweiz bietet seit einigen Jahren den Bürgern in einigen Kantonen die Möglichkeit, bei kantonalen Referenda ihre Stimme über das Internet abzugeben und hat 2011 zum ersten Mal die Möglichkeit bereitgestellt, dass im Ausland lebende SchweizerInnen bei einem föderalen Referendum in zehn Kantonen ihre Stimme über das Internet abgegeben konnten. Norwegen hat 2011 den bisher größten rechtlich bindenden Piloten für Onlinewahlen bei den Kommunalwahlen in zehn Gemeinden erfolgreich umgesetzt. In Norwegen wird die Onlinewahl als Alternative zur Briefwahl zur vorgezogenen Stimmabgabe gesehen. Diese Vision hat sich bereits 2011 erfüllt, da mehr als 75 % der vorgezogen abgegeben Stimmen online abgegeben wurden.