Schon als Innenministerin pflegte Maria Fekter gerne ihren Ruf als »Eiserne Lady«. Jetzt wandelt sie auch als Finanzministerin auf den Spuren von Maggie Thatcher. Via Interview im Fellner-Blatt Österreich ließ sie aufhorchen: Man könne die ÖBB »locker privatisieren«. Noch lieber wäre ihr eine »strategische Partnerschaft, damit das Werkel endlich funktioniert«. Ob kalkuliert oder nicht, die Fekter-Sager lösten eine Welle von medialen Reaktionen und Gegenreaktionen aus. Die inhaltliche Schwankungsbreite der Äußerungen war so vorhersehbar wie überschaubar. Infrastrukturministerin Doris Bures signalisierte prompt ein »Njet« und nannte das eine »entbehrliche Verscherbelungsdebatte«, ins selbe Horn stieß wenig überraschend ÖGB-Chef Erich Foglar. Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner wiederum hielt einen Verkauf für »sehr aussichtsreich«. Zumindest wenn dieser »gut vorbereitet sei« und nicht die Infrastruktur betreffe. Haselsteiner ist nicht nur Bauindustrieller, sondern via Rail Holding AG auch zu 35 Prozent an der WESTbahn Management beteiligt, die ab Ende des Jahres als privater Betreiber im Bahnverkehr Wien-Salzburg mitmischt.
Gemischte Erfolge
Nähere strategische Details darüber, wie eine »lockere Privatisierung« aussehen könnte und was das für Wirtschaft, Steuerzahler und Bahnbenutzer heißen könnte, ließ Fekter nicht verlauten. Das ist schade. Bahnprivatisierungen sind offensichtlich ein heikles Unterfangen, dass Volkswirtschaften nur bedingt nützt, aber oft genug nur die Steuerzahler in die Pflicht nimmt (siehe Kasten). Als vergleichsweise positives Beispiel geht noch die Japan National Railway durch, die bereits Ende der 80er-Jahre von Japan privatisiert wurde. Anders als geplant darf Vater Staat bei der Infrastruktur, vor allem im wenig lukrativen Regionalbereich, immer noch zuschießen. Immerhin sind die Privaten in Japan pünktlich und profitabel. Das mag auch daran liegen, dass der Bahnmarkt auf der Insel speziell geprägt ist. Die enorme Bevölkerungsdichte in den Ballungsräumen sorgt quasi automatisch für extrem hohe Fahrgastzahlen pro Schienenkilometer. Wesentlich düsterer stellen sich die Privatisierung in England dar. Der Staat warf 1993 – ganz im Sinn der »Eisernen Lady« Maggie Thatcher – die altehrwürdige British Rail auf den Markt.
Doppelt gestraft
Es war eine Privatisierung als Desaster der Sonderklasse. Bald war Bahnfahren so lebensgefährlich und unzuverlässig wie das ebenfalls privatisierte englische Gesundheitssystem. Das englische Bahnsystem wurde – quasi erzwungen – teuer rückverstaatlicht. Ähnlich wie englische Steuerzahler dürften sich auch die neuseeländischen fühlen. Dort führte die Privatisierung zu einem Megaboom der Bahnaktien, der ebenso prompt wie ernüchternd endete. Zuerst kaufte Vater Staat die mangels Investitionen mittlerweile verlotterten Schienennetze zurück, 2008 dann um 336 Mio. Euro den »Rest« der Privaten. Die hatten freilich schon schön abgestaubt: 15 Jahre davor hatten sie ein halbwegs funktionierendes Bahnsystem fast geschenkt bekommen und enorme Renditen daraus gezogen. Beim Rückverkauf staubten sie noch einmal ab – und kassierten für die privaten Bahnleichen knapp 70 Prozent mehr, als sie beim Erwerb der noch halbwegs funktionierenden Systeme bezahlt hatten. Privatisierung ist kein Teufelswerk per se, aber sicher auch kein quasi-götttlicher Auftrag der Märkte. Die Steuerzahler sollten zumindest eines erwarten dürfen: Sinn und Verstand bei der Abwicklung.
>> Blick über den Tellerrand:
Die Privatisierung von Staatsbahnen ist ein heikles Unterfangen. Es gibt zwar positive Beispiele, aber oft genug muss der Steuerzahler bluten. Wie die Privatisierung in anderen Ländern gelaufen ist:
>Japan. Der Inselstaat privatisierte seine JNR schon Ende der 80er. Wermutstropfen: Anders als geplant investiert der Staat weiter in die Infrastruktur, die Ticketpreise sind hoch und unrentable Strecken bei privaten Betreibern naturgemäß unbeliebt. Positiv: Die Züge schnurren wie Uhrwerke und die Bahnunternehmen sind schuldenfrei.
>England. Die Privatisierung der British Rail Anfang der 90er war eine feine Sache – aber nur für Investoren, Banker und Consulter. Keine zehn Jahre später war das Streckennetz verkommen, das Bahnfahren lebensgefährlich und der Verkehr kollabierte. Dann wurde rückverstaatlicht. Die Privaten kassierten erneut, die Schulden der Aktionäre übernahm der Steuerzahler.
>Neuseeland. Auch die Kiwis privatisierten Anfang der 90er – und zwar radikal Netz, PV und Cargo. Dann wurde saniert, fusioniert, gesplittet, die Börsenkurse explodierten. Implodiert sind hingegen Infrastruktur und Verkehr. Zuletzt kaufte der Staat das abgewirtschaftete Netz zurück, 2008 wurde um 336 Mio. Euro komplett reverstaatlicht – für den Staat um knapp
70 % mehr, als er ehemals durch den Verkauf lukriert hatte.