Mittwoch, Juli 17, 2024
Den Wandel meistern

Wenn es darum geht, veraltete Strukturen im Unternehmen aufzubrechen, sind die Widerstände oft groß. Führungskräfte nehmen in Veränderungsprozessen die Schlüsselrolle ein – viel Fingerspitzengefühl ist gefragt.

Die Märkte sind in Bewegung. Neue Geschäftsfelder entstehen, während etablierte Produkte und Dienstleistungen überflüssig werden. Eine strategische Neuausrichtung scheint unumgänglich, doch schon deren bloße Ankündigung stößt unter den Mitarbeiter*innen auf Ablehnung. Wie Widerstände in positive Veränderungsimpulse umgeleitet werden können – damit befasst sich unter der Bezeichnung »Change Management« eine ganze Sparte spezialisierter Unternehmensberater*innen.

»Bei der Umsetzung von Change-Projekten ist viel Fingerspitzengefühl gefragt«, identifiziert Kim Wlach, Geschäftsführerin der Organisationsberatung Berg & Macher, die drei häufigsten Stolpersteine: mangelnde Kommunikation, unzureichende Einbindung der Mitarbeitenden und unklare Ziele des Veränderungsprozesses.

Mutige Lösungen
Die Wiener Stadtwerke Gruppe hat die multiplen Herausforderungen durch Covid-Pandemie, Klimawandel, Fachkräftemangel und Digitalisierung zum Anlass genommen, intern einen grundlegenden Veränderungsprozess anzustoßen. Begleitet wurde die strukturelle Transformation von der Unternehmensberatung Trainconsulting. Es galt zunächst, das Vertrauen der rund 16.000 Mitarbeiter*innen von Wien Energie und Wiener Netze, Wiener Linien, Wipark, Wiener Lokalbahnen sowie Bestattung, Friedhöfe und Wien IT zu gewinnen. Gleichzeitig musste das Management der einzelnen Unternehmen im Konzern von den Plänen überzeugt werden.

»Manager*innen wollen keine Probleme, sie wollen Lösungen – und sie brauchen zusätzlich ›Aha-Momente‹, also Erklärungen und Strategien, an die sie noch nie gedacht haben. Das schafft gute Chancen für echte Veränderung«, erklärt Trainconsulting-Geschäftsführer Lothar Wenzl ein wichtiges Learning aus dem Prozess. Dabei gelte es auch unliebsame Themen anzusprechen, die für Außenstehende meist leichter erkennbar sind als für länger Involvierte: »Gegen die Gepflogenheiten handeln und sich dem Management in den Weg stellen, erfordert Mut und kann einen unangenehm in die Schusslinie bringen. Wenn das, was man sagt und macht, für die anderen im Unternehmen Sinn macht, folgen sie einem auch.«

Diese »schonungslose Außensicht« brachte Cornelia Bründlinger, Leiterin der Abteilung für Change Management und Unternehmenskultur der Wiener Stadtwerke Gruppe, firmenintern viel Kritik ein. Letztlich zeigten sich aber auch die Skeptiker*innen mit dem Ergebnis zufrieden. »Von diesem Dialog profitieren alle.«

Auf Augenhöhe
In Veränderungsprozessen steht die Unternehmenskultur auf dem Prüfstand. »Sie ist Herz, Verstand und Seele einer Organisation«, sagt Lotte Wenzl, Gründerin von Developing Business 4You (DB4Y). Nur wenn alle an einem Strang ziehen, könne die Transformation gelingen. Das erfordert ein grundlegendes Verständnis der einzelnen Abteilungen füreinander, ein starkes Wir-Gefühl. Man kommuniziert auf Augenhöhe und spricht dieselbe Sprache. Dieses Aufbrechen etablierter Strukturen schließt auch das Management ein. Führungskräfte treiben zwar den Wandel voran und geben als Motivatoren die Richtung vor – sie müssen aber ihre Position als alleinige Entscheider aufgeben, um Platz für agile Entwicklungen zu machen. Das hierarchische System hat ausgedient.

Mit der schnellen Transformation der Arbeitswelt verändern sich auch die Bedürfnisse und Erwartungen der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter*innen. Das hat zuletzt die Umsetzung von hybriden Arbeitsformen deutlich gemacht. Damit selbst bei einschneidenden Eingriffen ins Arbeitsumfeld die Zufriedenheit der Belegschaft auf konstant hohem Niveau bleibt, muss jedoch stetig in den Change-Prozess investiert werden. Das untermauert eine Langzeitstudie der IMC FH Krems, die bereits seit 2012 die »New Work Transformation« von Microsoft Österreich wissenschaftlich begleitet. Am Beispiel »Desk Sharing« lässt sich die Entwicklung genauer nachvollziehen: War der eigene Schreibtisch im Jahr 2012 noch 62 Prozent der Mitarbeiter*innen wichtig, spielte das zehn Jahre später nur noch für 36 Prozent eine Rolle. Die Priorität liegt inzwischen darauf, einen individuellen Mix zwischen Homeoffice und Bürozeiten zu finden, der mit der Teamführung gut abgestimmt ist.

Obwohl es im Unternehmen nun überhaupt keine fest zugeordneten Schreibtische mehr gibt und sich die Kolleg*innen weniger regelmäßig im Büro sehen als früher, habe die Arbeitszufriedenheit nicht gelitten, wie Katja Edlinger, Modern Work Lead, erklärt: »Bei Microsoft Österreich sind wir Vorreiter im Bereich Hybrid Work – auch im globalen Microsoft Universum. In dieser führenden Rolle wollen wir zeigen, wie man Veränderungsprozesse mit inklusiven Ansätzen erfolgreich implementieren kann. Im Mittelpunkt steht immer der Mensch.«


Drei-Phasen-Modell

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Der deutsche Sozialpsychologe Kurt Lewin formulierte einen grundlegenden Ansatz zur Darstellung von Veränderungsprozessen in Gruppen und Organisationen. Diese Theorie findet häufig in der Betriebswirtschaftslehre Anwendung, um Änderungen in Unternehmen zu implementieren und zu steuern.

1. Auftauen
In der ersten Phase wird die Organisation auf die Veränderung vorbereitet. Bestehende Strukturen und Prozesse werden hinterfragt, die Dringlichkeit einer Veränderung verständlich kommuniziert. Die Betroffenen sollten in die Diskussion einbezogen werden, um Transparenz und Orientierung hinsichtlich der weiteren Vorgangsweise zu schaffen.

2. Bewegen
In dieser Phase findet die tatsächliche Veränderung statt. Sie umfasst das Implementieren, Lernen und Trainieren neuer Verhaltensweisen, Prozesse oder Strukturen. Der Dialog mit allen Betroffenen und die aktive Einbindung über Workshops und Feedbackrunden hilft, etwaige Ängste, Vorbehalte und Widerstände auszuräumen.

3. Einfrieren
In der letzten Phase werden die neuen Gruppenstandards stabilisiert und institutionalisiert, bis sie in die Organisation vollständig eingebunden sind und langfristig beibehalten werden. Einem Rückfall in alte Verhaltensmuster wird durch die Stärkung des Wir-Gefühls, z. B. über den Austausch von Erfahrungen in Change-Foren, vorgebeugt. 

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