Die österreichische Exportwirtschaft konnte im Vorjahr kräftig zulegen – von Jänner bis September 2023 stiegen die Marktanteile im Ausland gegenüber 2022 um 11,3 Prozent. In der Eurozone hatten die heimischen Betriebe die Nase vorne.
Vor allem Ausfuhren zu Österreichs wichtigstem Handelspartner, Deutschland, aber auch in die USA stiegen stark. Als besonders robust erwiesen sich die Sparten Maschinen, Fahrzeuge sowie chemische Erzeugnisse. Erfolgte der Abgesang auf den Standort Österreich verfrüht? Report(+) hat drei Expert*innen um ihre Einschätzung gebeten.
Fragen:
1. Warum konnte sich die österreichische Exportwirtschaft im Vorjahr vergleichsweise gut behaupten?
2. Ist die Stimmung in den Unternehmen schlechter, als es ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Lage entspricht?
3. Wird es für den Standort Österreich in den kommenden Jahren schwieriger?
Birgit Niessner
Direktorin der Hauptabteilung für volkswirtschaftliche Analysen in der Oesterreichischen Nationalbank
1. Die österreichischen Exporte brachen 2020 während der Pandemie ein und erreichten 2022 durch den Aufholeffekt mit einer Exportquote von 62,2 % des BIP einen Höhepunkt. Im Jahr 2023 ging die Exportquote auf 59,8 % zurück, lag aber immer noch weit über den vor der Pandemie gemessenen Werten. Im Euroraum-Vergleich schnitten die österreichischen Exporte 2023 sehr gut ab, was auf die dynamischen Güterexporte zurückzuführen ist. Hier waren die österreichischen Exporteure u. a. deswegen erfolgreich, weil sie die im Vergleich zum Euroraum hohe Inflation weniger auf die Preise überwälzten.
2. Die Stimmung leidet derzeit unter hohen Produktionskosten, vor allem bei Energie und Lohnkosten. Das schlägt sich in den energieintensiven Bereichen in Produktionsrückgängen nieder. Allgemein gehen die österreichischen Exporteure bis 2026 von einem Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit aus. Gut ist aber, dass die Unternehmen durch Investitionen in Forschung und Entwicklung gegensteuern – mit einer F&E-Quote von 3,2 % zählte Österreich 2023 zu den besten Ländern in der EU.
3. Die staatlichen Rahmenbedingungen für die Exportwirtschaft müssen vor allem bei (grüner) Energiesicherheit und Arbeitskräftemangel ansetzen. Darüber hinaus braucht es eine höhere Produktivität, damit die österreichischen Exporte wettbewerbsfähig bleiben. Die digitale und ökologische Umstellung der Wirtschaft wird für Österreich zu einer großen Herausforderung werden, wenn die EU bei der Vertiefung des Binnenmarktes und den gemeinsamen Investitionen keine Fortschritte macht.
Harald Oberhofer
Professer am Institut für Internationale Wirtschaft der WU Wien, Projektleiter »Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft« (FIW) am WIFO
1. Die Wachstumsraten der österreichischen Exporte fielen 2023 zwar niedriger als im Jahr 2022 aus. Allerdings konnte sich die österreichische Exportwirtschaft im Vergleich zur europäischen Konkurrenz gut behaupten und Marktanteile dazugewinnen. Wesentliche Faktoren hierfür waren das relativ gute erste Halbjahr 2023 sowie eine positive Entwicklung der Exporte in die USA. Im zweiten Halbjahr hat sich die Exportdynamik auch wegen der Industrierezession in Deutschland abgekühlt.
2. Die gängigen Statistiken zur Wirtschaftsentwicklung blicken mit wenigen Ausnahmen im Regelfall in die Vergangenheit. Unternehmer*innen kennen ihre Auftragsbücher, sehen die Absatzzahlen und halten den Kontakt zu Geschäftspartnern. Hierdurch entwickeln sie ein ausgeprägtes Gespür für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Diese schätzen sie aktuell eher pessimistisch ein. Dazu kommt, dass sich der Rückgang der Wirtschaftsaktivität im zweiten Halbjahr 2023 negativ auf die Stimmung ausgewirkt hat.
3. Leichter wohl kaum. Eine kleine offene Volkswirtschaft muss im internationalen Wettbewerb bestehen und profitiert vom Zugang zu den Weltmärkten. Der vermehrt beobachtbare wirtschaftspolitische Protektionismus erschwert letzteres. Im europäischen Vergleich höhere Kostensteigerungen, die Alterung der Bevölkerung, aber auch europäische Versäumnisse in der Forschung und Entwicklung von Zukunftstechnologien mit hohem Nachfragepotenzial bringen den Wirtschaftsstandort unter Druck.
Michael Otter
Leiter der Außenwirtschaft Austria in der Wirtschaftskammer Österreich
1. Trotz extrem schwieriger Rahmenbedingungen konnten Österreichs Exportbetriebe bei den Warenausfuhren ein gutes Ergebnis erzielen. Das spricht für die hohe Qualität, Innovationskraft und Zuverlässigkeit, für die »Made in Austria« weltweit geschätzt wird. Begünstigt wird das Ergebnis durch weitere Effekte: 2023 konnten noch Aufträge vom konjunkturell starken ersten Halbjahr 2022 abgearbeitet werden. Zudem haben die Tourismusexporte nach den Covid-Jahren wieder stärker zugelegt.
2. Die Betriebe sehen sich mit einem Mix an Herausforderungen konfrontiert: Hohe Energie- und Gehaltskosten auf nationaler Ebene und gleichzeitig geringe Wachstumsaussichten in Topmärkten wie Deutschland. In der exportstarken Industrie befinden wir uns in einer Rezession. Im Export haben wir relativ stabile Wertschöpfungsketten bzw. starke Kundenbeziehungen. Allerdings: Wenn Lieferanten gewechselt werden, weil die Preise nicht mehr weitergegeben werden können, dann wird es für österreichische Unternehmen ausgesprochen schwierig, wieder ins Geschäft zu kommen.
3. Je stärker die Produktionskosten im internationalen Vergleich ansteigen, desto schwieriger wird es, mit unseren Konkurrenten Schritt zu halten. Angesichts des fordernden Umfeldes wird es viel Substanz kosten, das hohe Niveau der vergangenen Jahre halten zu können. Qualität aus Österreich wird nach wie vor weltweit geschätzt, aber die Zahl der konkurrierenden Standorte nimmt zu.