Bei einem Firmenverkauf geht es auch um viel Geld. In eine realistische Unternehmensbewertung fließen mehrere Faktoren ein, um die Risiken für Käufer*innen zu minimieren.
An einer fundierten Unternehmensbewertung sind Käufer*in und Verkäufer*in gleichermaßen interessiert. Sie gibt Aufschluss über den Gesamtwert des Unternehmens und berücksichtigt nicht nur materielle, sondern auch immaterielle Faktoren. Doch nur wenn die Bewertung professionell durchgeführt wird, ist sichergestellt, dass alle relevanten Kriterien einbezogen werden. Dabei gibt es unzählige Bewertungsverfahren, die zu recht unterschiedlichen Ergebnissen führen können.
Eine wesentliche Grundlage der Bewertung sind die Unternehmensbilanzen der letzten Jahre. Doch nur wenn sich der Betrieb auch in Zukunft am Markt behaupten kann, wirft er weiter Gewinne ab. Für potenzielle Käufer*innen oder Investor*innen sind deshalb die Chancen und Perspektiven des Unternehmens von besonderem Interesse.
Jedes Unternehmen durchläuft einen bestimmten Lebenszyklus. Nach vielen Jahrzehnten des Erfolgs droht häufig ein Abstieg, vor allem wenn notwendige Produktinnovationen verschlafen oder Investitionen in die Infrastruktur verabsäumt wurden. Umso wichtiger ist eine seriöse Bewertung von Profis, in der alle Faktoren Beachtung finden.
Blick in die Zukunft
Die Inhaber*innen haben im Falle von KMU oftmals das Unternehmen auch selbst gegründet – entsprechend viel Herzblut und emotionale Faktoren schwingen bei einem Verkauf mit. Vom Bauchgefühl her wollen sie einen höheren Wert ansetzen, der aber nicht mehr die reellen Gegebenheiten widerspiegelt. Für Käufer*innen ist hingegen der Blick in die Zukunft entscheidend: Wie viel Umsatz und Gewinn lassen sich erwirtschaften? Wie riskant ist der Kauf? Wie viel muss in Personal und Maschinen investiert werden?
»Ein Betrieb, der völlig aus der Zeit gefallen ist, wird mögliche Interessenten eher abschrecken«, sagt Claudia Schwingenschlögl, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Valetum. »Aber wenn man rechtzeitig beginnt, kann man das Unternehmen wieder auf einen guten Weg bringen, beispielsweise durch Digitalisierungsmaßnahmen.« Gerade spezialisierte Handwerksbetriebe decken als Zulieferer großer Unternehmen oft wichtige Nischen ab und können sich auf einen namhaften Kundenstock stützen. Der Maschinenpark müsse deshalb differenziert betrachtet werden, ergänzt Co-Geschäftsführerin Alexandra Reichel: »Manche Maschinen sind für ihren Zweck ideal und werden vielleicht noch hundert Jahre halten. Wenn z. B. nur Kleinserien oder Prototypen hergestellt werden, ist es nicht notwendig, auf eine modernere Fertigung umzusteigen.« Ein lebendiger Betrieb sollte auch ein adäquates Gehalt abwerfen. Das ist keineswegs selbstverständlich, wie Reichel weiß: »Die Zahl der Unternehmer*innen, die sich ein Stück weit selbst ausbeuten, ist recht hoch. Jahrzehntelang war es üblich, ein Unternehmergehalt zwischen 20.000 und 25.000 Europro Jahr anzusetzen. Dafür arbeitet heute kein Mensch mehr.« Müsste man jemand anstellen und das Gehalt für diese Person einpreisen, bliebe kaum etwas übrig.
Für unverkäuflich hält Valetum-Geschäftsführerin Schwingenschlögl kaum ein Unternehmen: »Es gibt in jeder Branche Perlen – Unternehmen, die besonders sind. Schwierig wird es nur, wenn das gesamte Wissen beim Eigentümer liegt oder alle Kunden im selben Alter sind wie der Verkäufer, der in Pension geht.«
Grafik: In der Reifephase gilt es, an der Wettbewerbsfähigkeit und am Geschäftsmodell zu arbeiten, um diese Phase erfolgreich und ertragreich zu verlängern.
Kalkulierbares Risiko
Droht die Unternehmensnachfolge an unterschiedlichen Preisvorstellungen oder an der Finanzierung des Kaufpreises zu scheitern, kann ein sogenanntes Earn-Out eine mögliche Lösung sein. Bei dieser Nachfolgefinanzierung wird der Kaufpreis an den unternehmerischen Erfolg geknüpft. Der/die Käufer*in begleicht einen Teil der Summe sofort und den Rest in vereinbarten Tranchen aus dem laufenden Cashflow. Ist der später entrichtete Teil des Kaufpreises nicht erfolgsabhängig, sondern festgelegt, spricht man auch von einem Verkäuferdarlehen.
Zur Messung des unternehmerischen Erfolgs können verschiedene Kennzahlen herangezogen werden. Diese sollten so gewählt werden, dass sie keine falschen Anreize setzen. Eine Fokussierung auf den Reingewinn könnte nämlich dazu führen, dass Käufer*innen übermäßig viel Marketing betreiben, rasch abschreiben oder hohe Rückstellungen bilden. Die Folge: Der Gewinn schrumpft – und somit auch der daran geknüpfte variable Kaufpreis. Wird das Earn-Out hingegen ausschließlich an den Umsatz geknüpft, könnte der/die Nachfolger*in Geschäftsabschlüsse bewusst verzögern oder die Auslieferung von Produkten zurückhalten, um die erfolgsabhängigen Zahlungen zu reduzieren.
In der Praxis hat sich der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBITDA) als faire Messgröße erwiesen: Hier verfälschen weder rasche Abschreibungen, hohe Investitionen oder Finanzierungsvorhaben das Ergebnis. Oft werden die Earn-Out-Grenzen nach oben und unten beschränkt, beispielsweise indem ein Mindestziel festgelegt wird, ab dem es überhaupt zur Auszahlung kommt. Das macht das Risiko berechenbarer. Mit Earn-Outs wird die Unternehmensbewertung zum Teil in die Zukunft verschoben, der Preis beruht nicht auf Prognosen, sondern auf dem tatsächlichen Erfolg.
Interview: »Träume bewerte ich nicht«
Firmenmakler Helmut Artacker, Geschäftsführer der Czako Partner GmbH, berücksichtigt nicht nur die Substanz- und Ertragswerte, sondern – auf solider Basis – auch die Entwicklungsmöglichkeiten eines Unternehmens.
Wie lange dauert der Übergabeprozess?
Helmut Artacker: Eine Firmenübergabe kann ein bis zwei Jahre dauern. Wenn man in spätestens drei Jahren übergeben will, sollte man schon beginnen, mögliche Varianten zu überlegen. Die erste Phase ist die Entscheidungsphase des Unternehmers bzw. der Unternehmerin: Wann will ich übergeben, wem will ich übergeben? Habe ich schon Interessenten oder muss ich sie erst suchen? Ein Fehler, der häufig passiert: Der Eigentümer fährt sein Unternehmen zurück, weil er in Pension gehen will, er entlässt Mitarbeiter, verkleinert den Betrieb und entscheidet sich dann erst zu verkaufen. Das ist schade, denn damit hat er das eigene Geld verloren.
Bild: Helmut Artacker ist seit 2020 Geschäftsführer der Czako Partner GmbH. Das Unternehmen wurde 1975 von Robert Czako gegründet.
Welche Kunden kommen zu Ihnen?
Artacker: Wir verkaufen die meisten Unternehmen über unsere Website. Durch unser Netzwerk verfügen wir über viele Kontakte und sprechen auch mögliche Käufer direkt an. Das sind teilweise strategische Investoren, die nach bestimmten Branchen, Unternehmensgrößen oder Renditen Ausschau halten. Es sind aber auch Unternehmen, die anorganisch wachsen wollen – z. B. ein Installateurbetrieb, der sich zusätzlich im Westen Wiens niederlassen will. Manchmal kommen auch Leute zu uns, die noch gar nicht genau wissen, was sie suchen – etwa ein Manager, der nach mehreren Jahren aus Dubai zurückkommt und nicht mehr in einem Dienstverhältnis arbeiten möchte. Wir haben auch recht »exotische« Unternehmen im Repertoire, an die man gar nicht denken würde, etwa mit neu entwickelten, noch unbekannten Produkten oder Dienstleistungen, die bestimmte Nischen abdecken.
Wie läuft die Bewertung ab?
Artacker: Es gibt unzählige Arten, wie der Kaufpreis ermittelt werden kann, mit jeweils unterschiedlichen Ergebnissen. Wir unterscheiden zwischen dem Substanzwert und dem Ertragswert. Der Substanzwert betrifft die Betriebs- und Geschäftsausstattung, z. B. Gebäude, Fuhrpark, Anlagen. Das ist noch relativ objektivierbar. Der Ertragswert bezeichnet jenen Betrag, den das Unternehmen abwirft. Darin ist eingerechnet, wie viel sich die Eigentümer für Gehälter, Firmenwagen etc. monatlich herausnehmen. Wir korrigieren das im Rechnungswesen ausgewiesene Ergebnis dementsprechend nach oben oder nach unten. Davon ausgehend wird mit einem Faktor, der Entwicklungsmöglichkeiten und die Marktsituation berücksichtigt, der Kaufpreis als Summe von Substanz- und Ertragswert definiert.
Erfordert das einen Blick in die Zukunft?
Artacker: Eine Erwartungsrechnung akzeptiere ich ungern, denn hinschreiben kann man so manches. Ich gehe durch eine Firma und sehe schon sehr vieles. Wenn dann der Eigentümer sagt, bisher hat er kaum etwas verdient, aber nächstes Jahr kommt der Durchbruch und diese Erwartung soll in den Firmenwert einfließen – da nehme ich die Vermittlung lieber gar nicht an. Interessenten, die zu uns kommen, haben an einen professionellen Makler die Erwartung, dass die Unternehmensbewertung fundiert erfolgt. Träume will ich deshalb gar nicht bewerten.
Wird der Kaufpreis in der Regel gleich bezahlt?
Artacker: Entweder es wird gleich bezahlt oder es werden zwei Drittel des Kaufpreises erlegt und das letzte Drittel in zwei Tranchen nach zwölf bzw. 24 Monaten. Diese Variante wird oft mit einer Erfolgskomponente gekoppelt. Stellt der Eigentümer z. B. eine Million Euro Umsatz und 100.000 Euro Gewinn in Aussicht, so können die letzten beiden Raten mit einer Untergrenze am Gewinn festgemacht werden. Zum einen will man damit das Risiko einschränken, weil der Nachfolger den Markt meist nicht so gut kennt. Zum anderen will man den Verkäufer noch einige Zeit mit an Bord haben, weil dieser dann noch ein vitales Interesse daran hat, dass die Erträge tatsächlich erwirtschaftet werden, und deshalb in der Übergabephase noch kooperativer ist. Auch an die Kunden ist das ein wichtiges Signal der Kontinuität.
Check: Drum prüfe, wer sich bindet
Eine Due Diligence (DD), also eine sorgfältige Prüfung, ist vor dem Kauf eines Unternehmens – oder auch Anteilen davon – üblich und notwendig. Sie erfolgt in fortgeschrittenem Stadium eines Verkaufsprozesses und hilft dem/der potenziellen Käufer*in, die Chancen und Risiken besser einzuschätzen. Die Analyse der wirtschaftlichen, steuerlichen, finanziellen, rechtlichen und technischen Gegebenheiten sorgt für Transparenz und Vertrauen zwischen den Parteien. In der Regel enthält eine Due Diligence eine Prüfung der Rechnungswesendaten für die zurückliegenden drei bis fünf Jahre sowie eine Prognoserechnung für die kommenden ein bis drei Jahre. Der Umfang der DD variiert nach Unternehmensgröße und den eingesetzten Ressourcen, die Kosten trägt der/die Kaufinteressent*in. Bei Produktionsbetrieben werden neben der technischen Ausstattung u. a. auch IT-Prozesse, Datensicherheit und umweltrechtliche Aspekte geprüft.
Verfahren zur Bewertung von Unternehmen
1. Substanzwert-Methode
Bei der Wertermittlung wird von den Kosten ausgegangen, die anfallen würden, wenn alle für die Funktionsfähigkeit entscheidenden Elemente des Unternehmens beschafft werden müssten. Sämtliche Positionen des betriebsnotwendigen Vermögens werden aufgelistet und bewertet. Neben Immobilien und Maschinen sind das auch immaterielle Wirtschaftsgüter wie Patente oder Software. Der Betrag, abzüglich allfälliger Schulden, ergibt eine verlässliche Wertuntergrenze.
2. Ertragswert-Methode
Der Unternehmenskauf wird wie eine gewöhnliche Kapitalanlage über einen Zeitraum von meist fünf Jahren hinweg betrachtet. Auf den bei der Fortführung des Betriebs erzielbaren Gewinn, abzüglich der notwendigen Investitionen, wird ein Risikozuschlag hinzugerechnet. Der resultierende Betrag wird wie ein Zinsertrag behandelt, von dem aus sich die notwendige Kapitalhöhe bzw. der festzusetzende Unternehmenswert ermitteln lässt.
3. Discounted-Cashflow-Methode
Bei diesem Verfahren wird der Cashflow der folgenden drei bis fünf Jahre hochgerechnet. Vereinfacht gesagt, handelt es sich um den Überschuss der unternehmensbezogenen Einnahmen gegenüber den unternehmensbezogenen Ausgaben. Diese »flüssigen« Mittel sagen mehr über die Finanzkraft eines Betriebs aus als der erwirtschaftete Gewinn. Der Nachteil: Die DCF-Methode ist mit hohem Rechenaufwand verbunden.
4. Multiplikator-Methode
Diese einfache und praktikable Methode betrachtet den Umsatz oder das operative Betriebsergebnis (meist EBIT). Die bereinigten Werte werden mit einem Faktor multipliziert, der sich nach Kriterien wie Inhaberabhängigkeit, Qualifikation des Personals, Standort, Marktposition, Alleinstellungsmerkmale, Zukunftsträchtigkeit der Produkte etc. richtet. Auf dieser Basis ermöglicht der Vergleich Rückschlüsse auf die Profitabilität des Unternehmens.