Donnerstag, Juli 18, 2024

In der digitalen Verwaltung - elektronische ID, Anträge und dergleichen -  liegt Österreich im europäischen Vergleich weit vorne. Anders hingegen sieht es im Gesundheitsbereich aus: Hier mangelt es an Angeboten, aber vor allem an Transparenz. Eine von Capgemini geleitete Studie schlüsselt die Versäumnisse auf.


Insbesondere in den Corona-Jahren hat sich die digitale Verwaltung als Zukunftsmodell bewiesen. Doch gerade im Gesundheitsbereich sind viele Leistungen noch nicht online verfügbar, das zeigt die 19. Ausgabe des eGovernment Benchmarks der Europäischen Kommission. Der Report analysiert, wie weit die Digitalisierung von Behördendiensten in Europa fortgeschritten ist und betrachtet dabei erstmals auch spezifisch digitale Gesundheitsleistungen. Die Studie wurde von Capgemini geleitet und gemeinsam mit der Tochtergesellschaft Sogeti sowie den Partnern IDC und Politecnico di Milano erstellt.

Im Durchschnitt stehen in Europa mehr als acht von zehn Behördendienstleistungen (81 Prozent) online zur Verfügung, in Österreich sind es bereits 89 Prozent. Anders hingegen im Bereich Gesundheit: Hier sind Angebote mit 65 Prozent wesentlich seltener online verfügbar - damit liegt Österreich nur etwas über dem europäischen Durchschnitt (63 Prozent). Besonders im Hinblick auf die Transparenz digitaler Gesundheitsangebote bescheinigt der Report den Behörden noch Nachholbedarf. Unter anderem fehlen bei den entsprechenden Services Informationen darüber, wie Prozesse aufgebaut sind und in welchem Umfang auf persönliche Daten zugegriffen wird.

Digitales Angebot von Krankenhäusern auf niedrigem Niveau

Die Ergebnisse der Studie fallen teilweise weit auseinander: Die Vorreiter bei digitalen Gesundheitsservices sind Luxemburg (Reifegrad von 97 Prozent), Estland (93 Prozent) und Malta (91 Prozent). Dagegen haben acht der untersuchten Länder einen Reifegrad von weniger als 50 Prozent. Bürger*innen in diesen Ländern müssen bei Gesundheitsdienstleistungen weitestgehend auf nicht-digitale Mittel zurückgreifen.

Obwohl Online-Informationen im Gesundheitsbereich in den meisten europäischen Ländern einfach zugänglich sind, stecken wichtige Prozesse in Krankenhäusern noch in den Kinderschuhen - wie etwa die Terminvergabe oder elektronische Sprechstunden. Dies gilt besonders für ausländische Bürger*innen, die im Schnitt nur drei von zehn digitalen Diensten nutzen können. Sie gaben außerdem an, dass englischsprachige Informationen auf Krankenhaus-Webseiten oft fehlten - diese Sprachbarriere erschwert den Zugang zu Gesundheitsleistungen zusätzlich.

Sead Harmandic, Chapter Lead Public Sector bei Capgemini in Österreich, kommentiert die Ergebnisse so: „Der digitale Reifegrad staatlicher Leistungen schreitet Jahr für Jahr voran. Der diesjährige eGovernment Benchmark zeigt aber auch Lücken auf, die bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen noch bestehen. In der Pandemie war beispielsweise der Datenaustausch zwischen Gesundheitsämtern und Landes- oder Bundesbehörden von zentraler Bedeutung. Hier hat sich gezeigt, dass Prozesse noch stärker digitalisiert und vereinheitlicht werden müssen, um die Datenqualität zu erhöhen und einen Mehrwert für die Krisenbewältigung zu erzielen.“

Sead Harmandic, Capgemini, meint: „Gerade die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, warum dies so wichtig ist. Gute digitale Fähigkeiten und Funktionalitäten im Gesundheitsbereich haben Länder in die Lage versetzt, die Pandemie besser zu bewältigen.“ (Bild: Capgemini)

Nachhofbedarf bei Zugang und Barrierefreiheit

Die Expert*innen aus dem Report unterstreichen, dass der zukünftige Erfolg der digitalen Verwaltung grundsätzlich davon abhängt, ob Online-Angebote für alle Nutzer*innen zugänglich sind. Derzeit unterscheiden sich die Leistungen noch in ihrem digitalen Reifegrad - je nachdem, an welche Zielgruppe sie sich richten: Angebote für Unternehmen sind zu 91 Prozent digital verfügbar, Angebote für Bürger*innen jedoch nur zu 77 Prozent. Staatsbürger haben digitalen Zugriff auf 81 Prozent der Leistungen, Nutzer aus anderen Ländern nur auf 46 Prozent. Gerade einmal 16 Prozent der Webseiten des öffentlichen Sektors erfüllen die Kriterien für Barrierefreiheit.

Nutzerfreundlichkeit als Schlüsselfaktor
 

Dem Report zufolge legen die europäischen Länder großen Wert auf die Nutzerfreundlichkeit digitaler Angebote: 87 Prozent der Webseiten von Behörden verfügen über eine Feedback-Funktion, und neun von zehn Webseiten sind für mobile Endgeräte optimiert. Bei zwei Dritteln der Dienste ist es Nutzern möglich, sich mit der Online-Ausweisfunktion (eID) zu identifizieren. In 67 Prozent der Online-Antragsformulare werden Felder automatisch mit vorhandenen Informationen vorausgefüllt. Zwar stellen die Länder zunehmend eIDs zur Verfügung und teilen Daten über Behörden-Grenzen hinweg, dies ist allerdings noch nicht die Norm: Obwohl die Verwendung von eIDs zunimmt, erlauben derzeit weniger als die Hälfte (46 Prozent) der Dienste ein Single Sign-On.

„Eine medienbruchfreie Nutzung ist für die Digitalisierung der Verwaltung essenziell, damit Bürgerinnen und Bürger die Online-Angebote als echten Mehrwert empfinden“, erklärt Harmandic. „Dafür braucht es noch mehr Interoperabilität über verschiedene staatliche Stellen und Ebenen hinweg, sowohl technisch als auch prozessual und rechtlich.“

Interessierten steht der Report hier zum Download zur Verfügung: eGovernment Benchmark Report - Capgemini Österreich

 

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